Kino: Ein irrer Typ
Jean-Paul Belmondo, der große französische Schauspieler, ist nach langer Zeit wieder im Kino zurück – mit "Ein Mann und sein Hund".
Ein „triumphales Comeback“, wie die französische „Gala“ jubelt, oder „bleiernes Pathos“, wie „Le Matin“ schreibt? Hat das Blatt „Le Monde“ recht, das den Film als „theatralisches Melodram“ geißelt, oder der allerneueste Internet-Fanchor? Da tönen die meisten Stoßseufzer so: „Er fehlte uns so sehr!“
Soeben ist in Frankreich „Un homme et son chien“ (Ein Mann und sein Hund) angelaufen, und am elegantesten zieht sich wohl der „Express“ aus der Affäre: „Kein großer Film“, urteilt die Zeitschrift, „aber ein Ereignis“. Ein Ereignis allein wegen Jean-Paul Belmondo. Zum ersten Mal seit seinem schweren Schlaganfall 2001 steht er wieder vor der Kamera: unverkennbar „Bébel“, wie die Franzosen ihn liebevoll nennen, mit klarem Blick und breitem Lächeln. Und zugleich ein behinderter alter Mann von 75 Jahren.
Vorlage für Francis Husters sentimentale Belmondo-Hommage ist ein Meisterwerk des italienischen Neorealimus: Vittorio de Sicas „Umberto D.“ (1952). Doch wo de Sica zurückhaltend den unaufhaltsamen Abstieg eines auf die Straße gesetzten Rentners ins Bild setzt, greift Huster tief in den Farbtopf der Gefühle.
Belmondos Charles, dem schließlich nur die süße Promenadenmischung namens „Mon chien“ die Treue hält, ist ein Luxus-Penner und Edel-Bettler, und den Selbstmord auf den Gleisen bringt er, schon des treuen Hundchens wegen, nicht übers Herz. Am Ende sitzen die Beiden selig auf einer Parkbank vereint.
Fast in jeder Einstellung ist Belmondo zu sehen. Seine beeindruckend zerfurchte Gesichtslandschaft. Seine hohe Gestalt mit dem schlohweißen Haarschopf. Aber eben auch der Mann mit dem halbseitig gelähmten Gesicht, der selbst kurze Sätze nur mit Mühe artikuliert. Der Mann mit Stock, der ein Arm und ein Bein nicht richtig bewegen kann. Nur so hat Belmondo, sagt er, die Rolle annehmen wollen, „ohne Tricks“, die seine Behinderung verbergen. Ohne Tricks: Noch einmal so echt spielen wie in seinen Action-Krimis, wo er auch die waghalsigsten Stunts am liebsten selber machte. Nur: Diesmal findet sich der Zuschauer oft in der Rolle des Voyeurs wieder.
Ein Schwanengesang. Das andere Ende von „Außer Atem“, womit Belmondo 1959 mit einem Schlag sich selbst, Jean-Luc Godard und die Nouvelle Vague berühmt machte. Immer war er der Pfundskerl unter den Gangstern, einer, der auch den blauesten Bohnensalat immer mit einem Lächeln anrichtete. So wurde er zur Ikone der Massen, zur Ikone zum Anfassen. Dann kam der Schlaganfall, die lange Reha. Es schien das Ende.
Diese Woche nun lächelt Bébel, als sei nichts geschehen, vom Titel der Stadtillustrierten „pariscope“. Und seinem einzigen Interview zum Film – für „Paris Match“ – erzählt der noch recht frisch Geschiedene mitten aus dem Leben. Von seiner fünfjährigen Tochter Stella zum Beispiel, die er täglich sieht. Und dass es da eine Barbara gibt an seiner Seite, eine flämische Nachtclubbesitzerin, die neuerdings in Dubai groß im Getränkeautomatengeschäft ist. Noch ein Twist mehr, und es wär’ ein Filmstoff für Belmondo.
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