Denkmal für Bomberpiloten: Umstrittenes Gedenken
Die Queen wird in London ein Denkmal für die Flieger der Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg enthüllen – und viele Briten kritisieren dass die deutschen Opfer nicht gewürdigt werden.
An exponierter Stelle im Londoner Green Park wird die Queen am Donnerstag das umstrittenste britische Kriegerdenkmal seit 20 Jahren einweihen – das „Bomber Command Memorial“ für die Bomber-Crews, die im zweiten Weltkrieg bei den Bombenangriffen über Deutschland ihr Leben verloren. Es wird fast ein Staatsakt. Neben der Queen kommen Prinz Charles, Prinz Andrew, vielleicht Prinz Philip, Höhepunkt wird der Überflug eines alten Lancaster Bombers, der hunderttausende Mohnblumen über dem Memorial abwerfen soll – Symbol für das Gedenken an die Kriegstoten. Aber die BBC weigert sich, die Denkmaleinweihung live zu übertragen – und geht damit einer Kontroverse aus dem Weg, die eigentlich gleich nach dem Krieg begann: Als Premier Winston Churchill der Royal Airforce für ihre Leistung im Krieg dankte, nannte er alle ihre Sektionen, ließ die Bomberkommandos aber aus.
Bescheiden und unaufdringlich ist das Denkmal nicht. „Mussolini hätte es bauen können“, schimpfte ein Leser in der „Times“ über die dorische Säulenhalle an der „Hyde Park Corner“. Vor der Säulenreihe steht auf einem 1,5 Meter hohen Sockel eine Gruppe von sieben überlebensgroßen Bronze-Fliegern in Uniform – die Besatzung eines Bombers. Im Giebel ist ein Stück eines Halifax Bombers eingearbeitet, der 1944 über Belgien abgeschossen und 1997 aus einem Sumpf bei Schendelbeke geborgen wurde.
Bis vor kurzem erklärte ein Schild am Bauzaun, worum es geht: 55 573 Angehörige der Royal Airforce starben bei Bomber-Flügen – fast die Hälfte aller Ausgeschickten, das Durchschnittsalter war 22 Jahre. „Von 1939 bis zum endgültigen Sieg 1945 führte das Bomberkommando erfolgreiche Operationen durch, um die militärische und industrielle Kapazität des Feindes zu behindern und den Krieg zu beenden. Oft flogen sie tief in Feindesland. Viele sind in fremden Ländern begraben, wo sie fielen, aber Tausende von ihnen haben nie ein Grab gefunden“, so der Text. Von den Opfern der Brandbombenkriege – mindestens eine halbe Million, vor allem deutsche Zivilisten, ist nicht die Rede. Dies ist, was nun in Großbritannien Proteste und Kritik auslöste. Das Denkmal „ist eine unglaubliche Taktlosigkeit und grobe Beleidigung des deutschen Volkes, von dem über eine halbe Million, meist Zivilisten, durch alliierte Bombenangriffe getötet wurden“ – schrieb ein „Times“-Leser. Viele Kommentatoren fragen, ob es nicht Zeit wäre, in mitten all der Kriegerdenkmale in London auch einmal der Kriegsopfer zu gedenken.
Die Briten sind immer noch fasziniert von ihrem Kampf gegen Hitler
Als 1992 in London eine Statue für den Chefstrategen des alliierten Bombenkrieges, Luftmarschall Arthur Travers Harris enthüllt wurde, musste sie die Polizei monatelang rund um die Uhr bewachen. Damals stellte man zum ersten Mal die Frage, warum gedenken wir des Generals, der die Strategie des Flächenbombardements entwickelte, statt mit vielleicht größerer Wirkung gezielt Ölraffinerien und Industrieanlagen anzugreifen – und nicht der zehntausenden Soldaten, die in seinen Flugzeugen ihr Leben ließen?
Veteranen und die „Bomber Command Association“ sammelten 7,5 Millionen Pfund für das Denkmal – Bauherr ist, wie bei vielen britischen Denkmälern, das Volk, nicht der Staat. Schirmherr des Denkmalvereins war der im April gestorbene Bee Gee Robin Gibb. „Für mich waren sie Helden“, sagte er. Als „Bild“ und Dresdens Bürgermeisterin Helma Orosz in London gegen das Denkmal protestierten, sagte er: „Die ganze Welt, auch Deutschland, verdankt es ihrem Opfer, wenn sie nun in Freiheit leben dürfen“.
Briten sind immer noch fasziniert von ihrem prägenden Kampf gegen Hitler. Die Ehrung gefallener Soldaten ist nationale Pflicht. Das Gebiet bei der Hyde Park Corner um den Triumphbogen für den Sieger von Waterloo, den Duke of Wellington, quillt von Weltkriegsdenkmälern über. Jenseits dieser Erinnerungspflicht hat die Aufarbeitung der Bombenstrategie längst begonnen. Die Kathedrale von Coventry, die Dresdner Frauenkirche sind Symbole des gegenseitigen Verständnisses geworden. Bücher wie „Unter den toten Städten“ des Historikers und Philosophen A. C. Grayling beleuchten die Frage, ob eine Zivilisation im Kampf gegen die Barbarei selbst zu barbarischen Mitteln der Kriegsführung greifen darf. Der Architekturkritiker des „Observer“, Rowan Moore, nennt das Denkmal eine „Amnesie in klassischem Gewand“. Man könne nicht an die Opfer der Bomberkommandos erinnern, ohne an hunderttausende Zivilisten zu erinnern, die durch die Einsätze starben – so etwas sei schwer in Großbritanniens Erinnerungskultur einzuweben. „Wenn das Denkmal schon gebaut werden musste, hätte man auf etwas Nuanciertes hoffen müssen, mit Gespür für die moralische Komplexität, etwas das Bedauern ausdrückt und zur Reflexion einlädt. Leider leistet dieses Memorial nichts davon.“
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