Kinder in Konfliktregionen: Der Krieg gegen Kinder tobt weltweit
Jedes fünfte Kind wächst in Regionen auf, in denen bewaffneten Konflikte bestehen. Für viele beendet die Pandemie ihre Schulzeit.
Die elfjährige Amal floh mit ihrer Familie aus der belagerten syrischen Stadt Homs ins Nachbarland Libanon. Seitdem hat sie sich vor der Welt zurückgezogen. Sie schweigt meistens und weint viel. Und sie vermisst ihre Großmutter, die in Syrien zurückgeblieben ist. Zur Schule geht Amal nicht. Stattdessen arbeitet sie in einer Gurkenfabrik, um ihre Familie zu unterstützen.
Mahmoud stammt aus einem Dorf in Nordosten Syriens. Seit fast zehn Jahren ist seine Familie innerhalb des Landes auf der Flucht. Ein Leben ohne Krieg kennt der Zehnjährige nicht. Als er neun Jahre alt war, wurde Mahmoud bei einem Luftangriff schwer verletzt und verlor beide Beine. Ein halbes Jahr später starb sein Vater in einem Krankenhaus – weil es bombardiert wurde.
Viele Kinder weltweit leben unter ähnlichen Umständen wie Amal und Mahmoud. Und es werden immer mehr: Nach Angaben der Organisation Save the Children wächst jedes fünfte Kind weltweit in bewaffneten Konflikten auf. In den vergangenen Jahren haben sich die Lebensbedingungen für viele Kinder sogar noch deutlich verschlechtert:
Für viele Kinder bedeutet Corona das Ende der Schulzeit
Die Zahl der Kinder, die in Konfliktgebieten leben, stieg von 415 Millionen im Jahr 2018 auf 426 Millionen 2019. Das ist die zweithöchste Zahl von betroffenen Kindern, seit sie erhoben wird. Von 2018 auf 2019 stieg auch die Anzahl der Kinder, die in großer Nähe zu den Gebieten mit den intensivsten Konflikten leben, deutlich an: von vier auf neun Millionen. Dem Bericht zufolge stieg auch die Zahl der Kindersoldaten um 639 auf 7855 an. Allein in der Demokratischen Republik Kongo seien im Jahr 2019 mehr als 3100 Kindersoldaten rekrutiert worden.
Die gefährlichsten Staaten für Kinder sind Afghanistan, die Demokratische Republik Kongo, den Irak, Jemen, Mali, Nigeria, Somalia, Sudan, Südsudan, Syrien und die Zentralafrikanische Republik. Das geht aus dem am Freitag veröffentlichten Report hervor.
Anlass des zum vierten Mal erschienenen Berichtes „Krieg gegen Kinder“ ist der Tag der Kinderrechte am heutigen 20. November. Aussagen dazu, wie sich die Corona-Pandemie auf Kinder in bewaffneten Konflikten auswirkt, kann der Bericht nicht geben, da die zugrunde liegenden Daten im Jahr 2019, also vor der Pandemie erhoben wurden.
Absehbar ist jedoch schon jetzt, dass die Coronakrise voraussichtlich für viele Kinder das Ende ihrer Schulzeit bedeuten wird: Als Folge von Lockdowns und anderen Einschränkungen, der Umnutzung von Gebäuden und der wirtschaftlichen Auswirkungen schätzt Save the Children, dass fast zehn Millionen Kinder nie wieder zur Schule gehen werden. Dies wird vor allem Mädchen betreffen und Kinder, die schon vor der Pandemie in Krisengebieten lebten.
"Kinder müssen in Sicherheit und Frieden aufwachsen können"
Die Pandemie habe sich längst zu einer Hungerpandemie entwickelt und die Situation für Kinder noch deutlich verschärft, äußerte der Bundesminister für Entwicklung Gerd Müller bei der Save the Children-Pressekonferenz. Er zeigte sich erschüttert über die Zahlen: „100 Millionen Kinder weltweit sind von Kinderarbeit betroffen, 25 Kinder werden am Tag in Kriegen getötet oder verstümmelt. Darüber darf die Welt nicht einfach hinwegsehen. Ich bin mir sicher, dass sich die Situation deutlich verbessern würde, wenn sich die drei mächtigsten Männer dieser Welt, die Präsidenten von Amerika, Russland und China einfach mal die Hand reichen würden.“ Die Welt wäre eine friedlichere, wenn mehr Frauen und Mütter an der Macht wären, sagte Müller.
Hinter den nackten Zahlen würden sich schreckliche Kinderschicksale verbergen, machte die Vorstandsvorsitzende von Save the Children Deutschland, Susanna Krüger deutlich. Viele seien Opfer von Menschen, die internationale Regeln missachteten, und von Regierungen, die ein Auge zudrückten. Sogar inmitten der Corona-Pandemie setzen Konfliktparteien ihre Angriffe fort. Krüger forderte: „Mädchen und Jungen müssen in Sicherheit und Frieden aufwachsen können“. Lea Schulze
Lea Schulze