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Video „10 Hours of Walking in NYC as a Woman“: Der ganz normale Sexismus in den USA

Das Video „10 Hours of Walking in NYC as a Woman“ ist nur ein Beispiel für den ganz normalen Sexismus in den USA. Das Problem ist alltäglich. Sehen Sie hier das Video, das bisher mehr als 29 Millionen Mal angeklickt wurde.

Also mit Sexismus hat dieses Video nichts zu tun. Nicht, wenn man die Definition des Dudens ernst nimmt: „Vorstellung, nach der eines der beiden Geschlechter dem anderen von Natur aus überlegen sei, und die daher für gerechtfertigt gehaltene Diskriminierung“, steht da. Wer den Männern dabei zuschaut, wie sie an die junge Frau ranölen, ihr nachtraben und sie mit erbärmlichen Sprüchen penetrieren, der kann nicht auf die Idee kommen, dass sie sich gegenüber der Frau überlegen fühlen. Im Gegenteil: Diese New Yorker Big Boys demonstrieren so offensiv ihre Unterlegenheit, dass sie sich ihrer Rolle selbst am allerbewusstesten sein müssten. Also, alles halb so wild?

Natürlich nicht. Das zeigt alleine die Resonanz auf das Video „10 Hours of Walking in NYC as a Woman“. Über 29 Millionen Mal wurde der zweiminütige Clip angeklickt, seit ihn die Non-Profit-Organisation „Hollaback!“ am vergangenen Dienstag veröffentlicht hat. Weltweit stürzen sich Medien auf das Thema, weltweit wird sich entweder über den „everyday sexism“ empört oder über die Empörung empört oder über andere Begleiterscheinungen empört.

In dem Video spaziert die Schauspielerin Shoshana Robert (24) – schwarzes T-Shirt, schwarze Jeans, neutraler Gesichtsausdruck – schweigend durch die Straßen Manhattans. Vor ihr, unbemerkt von anderen Passanten, läuft der Filmemacher Rob Bliss. Eine Kamera in seinem Rucksack dokumentiert, wie Roberts von Männern angesprochen wird. „Ich wünsche einen schönen Abend“, ist das Freundlichste, „Hey Baby“ das Unoriginellste, „Sag Danke!“ das Frechste und „Bin ich dir zu hässlich?“ das Jämmerlichste, was sie zuhören bekommt. Gruselig wirkt ein Mann, der fünf Minuten exakt auf ihrer Höhe läuft, man könnte auch sagen: sie verfolgt. In zehn Stunden sei Roberts 108 Mal angelabert worden, so die Bilanz.

Viele Männer ereifern sich in Online-Foren

Das Video hat Öl ins ewig flammende Debattenfeuer gegossen. „Man wird einer Frau doch wohl noch Komplimente machen dürfen“ heißt es von der einen Front, vornehmlich anonyme Online-Kommentare. Und Protagonistin Shoshana Robert selbst sagt, was die andere Front denkt: „Es vergeht kein Tag, an dem ich das nicht erlebe.“

Wie repräsentativ ist das Video? Und welche Rolle spielt Sexismus im Alltag der USA? Ein Donnerstagabend im Meatpacking District in Manhattan. Nirgendwo sonst in New York ballen sich nachts so viele High Heels, Miniröcke, Kaschmirschals, Lederslipper, Haargel, Solariumsbräune und verkokste Nasen. Es ist 23.30 Uhr - Brunftzeit. „Natürlich ist das manchmal an der Grenze zur Belästigung, was die Männer hier machen“, sagt Amber. Sie arbeitet seit vier Jahren in einer der Bars an der Gansevoort Street, in der ein Bier 9 Dollar kostet.

„Doch viele Mädchen gehen leider auch darauf ein, wenn Männer sie mit einem Winken zum Tisch holen“, sagt Amber. „Ich erlebe es häufig, dass Männer mich anblaffen, weil ich nicht auf ihren Flirt eingehe.“

Aussagekräftigt ist nicht nur der Clip selbst, sondern auch die Reaktionen darauf. So hat Hollaback-Mitgründerin Emily May erklärt, dass Schauspielerin Roberts mindestens zehn Morddrohungen erhalten habe. Internetforen sind voll von Beleidigungen.

Barack Obama war zwei Mal Gegenstand von Sexismus-Debatten

In Deutschland gab es Anfang 2013 die wuchtige #Aufschrei-Debatte, nachdem eine „Stern“-Redakteurin die Annäherungsversuche des FDP-Politikers Rainer Brüderle beklagt hatte. Doch jenseits der damaligen, ein paar Monate anhaltenden Diskussion, steckt das Thema Sexismus in der Nische. Anders in den USA, wo die Diskussionen regelmäßig kommen und gehen. Barack Obama war bereits zwei Mal Gegenstand. Im Jahr 2008, noch bevor er zum Präsidenten gewählt wurde, hatte er eine Journalistin vor laufender Kamera mit den Worten „Warte kurz, Süße“ abgekanzelt. Und bei einer Veranstaltung im April 2013 präsentierte Obama die Generalstaatsanwältin Kamala Harris als „bestaussehendste Generalstaatsanwältin“. In beiden Fällen zwang der öffentliche Druck Obama zu einer Entschuldigung.

Was im Video „10 Hours of Walking in NYC as a Woman“ passiert, nennen die Amerikaner Catcalling – das Hinterherpfeifen oder das Anquatschen fremder Frauen. Die New Yorker Journalistin Molly Knefel beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Sexismus.: „Dieses Video scheint vielen Männern, die diese tägliche Belästigung nie erleben werden, die Augen zu öffnen.“

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