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Proteste gegen den Bau des Kanals in Managua, der Hauptstadt Nicaraguas.
© AFP

278 Kilometer langer Kanal durch Nicaragua: Der chinesische Bypass - damit das Öl fließt

Um besser an das Öl aus Venezuela zu gelangen, baut Peking eine gigantische Wasserstraße mitten durch Nicaragua. Die Tanker müssen dann nicht mehr durch den US-dominierten Panamakanal.

Für den chinesischen Investor, die HKND-Gruppe, ist es ein „Jahrhunderttraum“, der wahr wird. Für viele tausend Nicaraguaner, die wegen des Baus des Kanals ihre Heimat verlieren werden, könnte das 50 Milliarden Dollar teure Projekt dagegen zu einem Albtraum werden. Am Montag haben die ersten Bauarbeiten begonnen. Zufahrtsstraßen werden parallel zur geplanten Kanalstrecke angelegt, an der Karibikküste soll ein Hafen entstehen, damit die schweren Baugeräte überhaupt in die industriell unerschlossene Region gelangen können.

Die Dimensionen des Jahrhundertbauwerks sind enorm: Der Kanal wird sich über eine Länge von 278 Kilometern erstrecken, zwischen 230 und 520 Meter breit und 30 Meter tief sein. Die chinesischen Betreiber wollen auch Autobahnen, zwei Häfen, einen künstlichen See, eine Freihandelszone, einen Tourismuskomplex sowie eine Stahl- und Betonfirma errichten. Dass China auch noch die Lizenzen zum Abbau der Rohstoffe bekommt, heizt den Zorn der Kritiker zusätzlich an.

Hinter der HKND-Gruppe aus Hongkong steht einerseits der chinesische Oligarch Wang Jing und andererseits die chinesische Regierung. Peking will sich mit dem Nicaraguakanal vom US-amerikanisch dominierten Panamakanal emanzipieren. Bislang muss das Öl, das sich China mithilfe von langfristigen Lieferverträgen aus Venezuela gesichert hat, eben durch dieses Nadelöhr. Für Panama ist der Kanal eine Goldader: Er spült Milliarden in die Staatskasse. Gerade erst wird er für die nächste Generation an Handelsschiffen erweitert. Supertanker und Mega-Frachtschiffe der neuesten Generation sollen durch den erweiterten Panamakanal passen.

Das hatte im Lauf der Geschichte schon immer Begehrlichkeiten bei den Nachbarn geweckt, die sich ebenfalls einen solchen Kanal wünschten. Bislang scheiterte es aber stets an den enormen finanziellen und technischen Herausforderungen, die ein solches Megaprojekt mit sich bringt. In Nicaragua soll es nun mit chinesischer Hilfe gelingen. Peking hat einen langen Atem und den festen Willen, sich einen eigenen Kanal zu leisten.

Chinas Einfluss in der Region wächst damit weiter. Mit dem ölreichen Venezuela haben die Asiaten langfristige Lieferverträge abgeschlossen, in Ecuador hat China direkten Zugriff auf die Ölvorkommen im ökologisch sensiblen Regenwald. In Paraguay hat sich das Land riesige Ländereien zur Agrarproduktion gesichert. Die 1,3 Milliarden Chinesen wollen ernährt werden. Der Vorteil für beide Seiten: Weder die chinesische Politik noch die chinesischen Medien hinterfragen die ökologischen Konsequenzen und die Menschenrechtssituation. Westliche Unternehmen sind zu solchen Großprojekten angesichts der bohrenden Nachfragen von Umweltschützern und Menschenrechtlern in den eigenen Ländern kaum noch fähig.

In Nicaragua ist die Unsicherheit groß. Mehr als 100000 Menschen sollen von den Zwangsumsiedlungen betroffen sein, viele von ihnen wissen noch nicht einmal, dass sie bald ihre Heimat verlieren werden. Der Naturwissenschaftler Jorge A. Huete-Pérez von der Universität Centroamericana in Managua kritisierte zuletzt, dass immer wieder Informationen kurzfristig und ohne Erklärungen von der Website genommen würden. Das führte in den vergangenen Tagen zu Massenprotesten im Land. Der Tenor in der Bevölkerung: Nicaragua hat sich und seine Interessen an den multinationalen asiatischen Konzern verkauft. Zwar bleiben 51 Prozent der Kanalgesellschaft im Besitz des nicaraguanischen Staates, doch der Vertrag gewährt China weitgehende Rechte.

Viele Menschen wenden sich deshalb an die katholische Kirche, die als einzige neutrale Institution im Lande gilt. Kardinal Leopoldo Brenes ist ein enger Vertrauter von Papst Franziskus. Die Kanal-Kommission weiß um die Glaubwürdigkeit, die die Bischöfe im Land genießen, und informierte die Kirchenspitze deshalb vor einigen Tagen erstmals umfassend über das Projekt. Nuntius Fortunatus Nwachukwu reagierte auf die Frage, ob sie mit den Informationen von Kanal- Kommissionssprecher Telemaco Talavera zufrieden gewesen seien, sarkastisch: „Zufriedenheit ist relativ.“ Erzbischof Solorzano erklärte, die Kirche wolle sich keineswegs dem Projekt in den Weg stellen, wenn gewährleistet sei, dass es für tausende Nicaraguaner einen Ausweg aus der Armut und zugleich eine technologische Fortentwicklung des Landes bedeute.

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