Großbritannien: Debatte um Senioren am Steuer nach Prinz Philips Unfall
Mit 97 Jahren noch Auto fahren? Die Briten diskutieren über die Frage, ob das nicht zu gefährlich ist.
Ein Fahrzeug überschlägt sich, Glas zersplittert, aus einem anderen Auto dringen Rauch und Babyschreie: Der Verkehrsunfall von Prinz Philip (97) war wohl doch deutlich schwerer als zunächst angenommen. Sein Land Rover, den er selbst fuhr, soll sich einem Augenzeugen zufolge mehrfach überschlagen haben. Der Unfall entfachte wieder eine Debatte über autofahrende Senioren. Der Ehemann von Königin Elizabeth II. kam mit dem Schrecken davon. Zwei Frauen in dem anderen Unfallauto mussten jedoch im Krankenhaus behandelt werden. Ein Baby blieb unverletzt.
Die Sonne soll ihn geblendet haben
Der Royal war am Donnerstagnachmittag in der Nähe des Landsitzes der Queen (92) im ostenglischen Sandringham mit dem anderen Fahrzeug kollidiert. Alkohol spielte bei dem Unfall nach Polizeiangaben keine Rolle. Prinz Philip habe der Polizei erklärt, von der Sonne geblendet worden zu sein, berichtete die britische Zeitung „The Sun“ am Freitag. Der Augenzeuge, der dem Royal aus dem Fahrzeug half, berichtete: „Er stand auf und war unverletzt, aber offensichtlich sehr unter Schock.“ Der Geländewagen habe sich zuvor mehrmals seitlich überschlagen.
Die 28 Jahre alte Fahrerin des anderen Unfallautos hat Schnittwunden an den Knien erlitten, wie die Polizei der Grafschaft Norfolk am Freitag mitteilte. Ihre Beifahrerin (45) brach sich bei dem Unfall das Handgelenk. Beide Frauen sind inzwischen wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden. Dem neun Monate alten Jungen, der auch in ihrem Fahrzeug saß, soll es gut gehen. Nach dem Unfall erholt sich Philip nun auf dem Landsitz der Queen. Königin Elizabeth II. ist an seiner Seite. Die beiden werden wie geplant in Sandringham bleiben, sagte eine Sprecherin des Buckingham-Palastes. Dort verbringen die Royals traditionell ihr Weihnachtsfest - und die Queen bleibt dann in der Regel gleich mehrere Wochen auf dem Landsitz.
Die Strecke gilt als gefährlich
Der Streckenabschnitt der A149, auf dem sich der Unfall ereignete, gilt bei den örtlichen Behörden als nicht ungefährlich. Für Freitag war bereits vor Philips Unfall ein Treffen angesetzt. Die Experten gaben noch am selben Tag vor Ort grünes Licht für eine Senkung des Tempolimits, wie die britische Nachrichtenagentur PA berichtete. Philip hatte sich 2017 in den Ruhestand verabschiedet. In den vergangenen Jahren litt er unter gesundheitlichen Problemen: Das Herz machte ihm zu schaffen, er hatte Blasenentzündungen, musste an der Hand operiert werden und bekam ein neues Hüftgelenk. Das hielt ihn aber nicht davon ab, sich weiter hinter das Steuer zu setzen. Schnell kam in Großbritannien die Frage auf, ob ein 97-Jähriger überhaupt noch hinter das Steuer dürfe. Viele Experten sind gegen starre Altersgrenzen. Männliche Fahranfänger hätten ein höheres Unfallrisiko als Senioren, sagte Edmund King von der britischen Automobilvereinigung AA. Senioren wählten oft nur bekannte Strecken, mieden Nachtfahrten und hätten viel Erfahrung.
110.000 Briten über 90 Jahre haben noch ihren Führerschein
In Großbritannien ist der Führerschein bis zum 70. Lebensjahr befristet. Für eine Verlängerung ist eine ärztliche Untersuchung nötig. Anders dagegen in Deutschland: Hier ist die einmal erworbene Fahrerlaubnis unbegrenzt. Zwar müssen Autofahrer ihr Führerscheindokument, wenn es nach 2013 ausgestellt wurde, alle 15 Jahre formell erneuern lassen. Dazu sind aber weder eine neue Fahrprüfung noch ein Gesundheitscheck erforderlich. Für Lkw-, Bus- und Taxifahrer sind hingegen regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen vorgeschrieben. Prinz Philip ist in Großbritannien keine Ausnahme. Mehr als 110.000 Briten, die mindestes 90 Jahre alt waren, hatten nach Angaben des britischen Senders BBC noch im vergangenen November ihren Führerschein. 314 war sogar mindestens 100 Jahre alt. Die ältesten vier Senioren, die laut Statistik noch im Vereinigten Königreich fahren durften, brachten es sogar auf 107 Jahre. (dpa)
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