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Papst Franziskus mit Bischöfen aus aller Welt
© dpa/AFP/Vincenzo Pinto

Missbrauchsskandale: Das „System Kirche“ muss gesprengt werden

Die katholische Kirche muss alles daran setzen, ihre Täter zu überführen. Doch das wird zur Aufarbeitung der Missbrauchsskandale nicht reichen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Dreieinhalb Tage, die die Welt verändern können. Können, wohlgemerkt. Sicher ist das nicht. Da muss noch viel geschehen. Aber dass sich 190 katholische Bürdenträger im Vatikan in acht Sprachen und elf Arbeitsgruppen anhören mussten, wie das „Monster“ Missbrauch weltweit ihre moralische Integrität auffrisst, ist ein Anfang.

Das Ende des Treffens darf nur kein Abschluss sein. Weil nämlich das Monster dauerhaft bekämpft und besiegt werden muss. Genau darum geht es, auch so martialisch: Durch den Missbrauch derer, die ihre Seelen geöffnet haben, voller Gottvertrauen, hat sich die katholische Kirche in einem ungeheuerlichen Maß versündigt. Alles, was gegen das Gewissen geschieht, ist Sünde, sagt Thomas von Aquin. Und dann hat die Kirche auch noch das Gesetz des Schweigens verhängt, dass es mafiös wirkt.

Die Täter sind des Teufels

Eine Schande. Eine Perversion des Gebots der Nächstenliebe. Eine Gotteslästerung durch Selbstverleugnung, in vollem Bewusstsein der Taten. Die Täter sind des Teufels – aber auf dieser Welt zu verurteilen. Wer sich an Menschen vergriffen hat, kleinen und großen, Frauen und Männern, gehört vor Gericht. Auch wer die decken wollte, gehört entlassen, unverzüglich, unversöhnlich. Alle Diözesen müssen sich prüfen und von außen prüfen lassen. Die Kirche selbst muss alles daran setzen, ihre Täter zu überführen. Es wird Zeit für eine neue Diözesanverwaltungsgerichtsbarkeit.

So, wie es ist, kann es in der katholischen Kirche nicht bleiben.
So, wie es ist, kann es in der katholischen Kirche nicht bleiben.
© Evandro Inetti/Zuma/dpa

Und mehr noch. Wo männliche Geistliche, zumeist auch noch ältere, alle Macht auf sich vereinen und das Sagen haben, ist Veränderung nicht zu erwarten. Doch wer Reue bekundet, muss Buße tun, aktiv. Der Bußfertige weiß, dass zur Reue die Umkehr und der Neuanfang gehören, in diesem Fall mit großen Veränderungen. Die von Franziskus verkündete „Null-Toleranz“ darf eben nicht nur eine Ankündigung sein. Das Kirchenrecht sind nicht die Gesetzestafeln Mose.

Es geht also um eine andere Sexualmoral, um die Weihe von Frauen, die Abschaffung des Pflichtzölibats, eine echte Gewaltenteilung in der katholischen Kirche. Das „System Kirche“ muss nach ihrem „9/11“, wie Kurienbischof Georg Gänswein das Geschehen mit Verweis auf die Anschläge vom 11. September 2001 genannt hat, gesprengt werden. Die deutschen katholischen Bischöfe sollten ein gutes Werk tun und mutig voranschreiten. Kardinal Reinhard Marx mit seinen Worten lässt hoffen.

Kirche muss demütig sein

Geschieht das alles nicht, wird die Enttäuschung der Gläubigen wachsen; sie wird gefährlich groß werden. Kirche, nicht allein die katholische, muss sich in einer immer säkularer werdenden Welt behaupten. Nicht zuletzt durch angewandte Demut, die nach dem großen Aufklärer Immanuel Kant das Vergleichen seines Werts mit der moralischen Vollkommenheit ist. Das ist der Maßstab.

Die Schreie der Opfer, zumal die nach Gerechtigkeit, dürfen nicht verhallen. Verantwortung, Rechenschaft, Transparenz: gute Worte, gute Vorsätze – und eine Selbstverpflichtung, die fortdauert. Soll das Treffen im Vatikan über dreieinhalb Tage hinauswirken, muss es wie ein Konzil zu einem Prozess und zu grundlegender, dauerhafter Veränderung führen.

Hinter die Erkenntnis eigener Fehlbarkeit darf niemand mehr zurück, auch kein Papst. Sonst steht nicht nur die römische Kurie, sondern die Kirche insgesamt auf schwankendem Grund. Und nicht allein die katholische.

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