Waffenrecht: Bundesrat: Verfassungsschutz soll Waffenbesitzer prüfen
Der Bundesrat will zur Überprüfung von Waffenbesitzern auch den Verfassungsschutz einschalten. Was auf Extremisten zielt, könnte aber auch Jäger und Sportschützen kriminalisieren, meinen Gegner.
Seit 2013 müht sich der Bundesrat, doch bisher vergeblich: Der Versuch, auch den Verfassungsschutz zur Prüfung von Waffenbesitzern oder Antragstellern für einen Waffenschein einzuschalten, kam nie weit über die Länderkammer hinaus. Bundestag und Bundesregierung wollten eine so genannte Regelanfrage nicht gestatten – also die obligatorische Prüfung, ob beim Inlandsgeheimdienst etwas vorliegt. Wer beim Verfassungsschutz registriert ist, der ist entweder ein politischer Extremist – oder es liegen zumindest Anhaltspunkte vor, die einen solchen Verdacht begründen. Am Freitag haben es die Landesregierungen von Niedersachsen und Hessen erneut versucht und Anträge für eine Verschärfung des Waffengesetzes vorgelegt. Die Stoßrichtung ist identisch: Extremisten sollen nicht legal an Waffen kommen.
Vor allem Neonazis gelten wegen ihrer militanten Machogesinnung als besonders „waffenaffin“. So diente schon vor einigen Jahren die „Zwickauer Terrorzelle“, der NSU, als Begründung dafür, den Zugang zu Waffen stärker zu kontrollieren. Die Debatte um den Entzug von Pistolen, Gewehren und anderem Schießgerät bekam allerdings erst wieder Schwung, als die Reichsbürger zum Problem wurden. Im Oktober 2016 feuerte im bayerischen Georgensmünd der Reichsbürger Wolfgang P. auf ein Spezialeinsatzkommando der Polizei, das sein Arsenal von etwa 30 Waffen beschlagnahmen wollte. Ein SEK-Beamter starb dabei, drei seiner Kollegen erlitten Verletzungen.
Die Reichsbürger bewaffnen sich
Ein ähnlich dramatischer Fall zwei Monate zuvor ging für die Polizei glimpflich aus. Im August 2016 schoss im Ort Reuden (Sachsen-Anhalt) der Reichsbürger Adrian U. auf Beamte, die eine Zwangsräumung seines Grundstücks durchsetzen wollten. Zwei Polizisten wurden leicht verletzt. Adrian U. konnte erst überwältigt werden, als ihn mehrere Schüsse der Beamten trafen. Die Polizei war auf eine militante Reaktion des Reichsbürgers vorbereitet. 200 Beamte kamen in Reuden zum Einsatz. Adrian U. hatte mehr als 100 Sympathisanten mobilisiert, die seine Fantasierepublik „Staat Ur“ schützen wollten. Zu der Reichsbürgermeute zählte auch Wolfgang P., der spätere Todesschütze in Georgensmünd.
Der Verfassungsschutz beschloss nach den beiden Vorfällen, die Szene der zumindest teilweise rechtsextremen Reichsbürger zu durchleuchten. Das Ergebnis war eine unangenehme Überraschung: Der Nachrichtendienst stellte fest, dass die Szene erheblich größer und stärker bewaffnet ist, als bis dahin vermutet wurde. In seinem Jahresbericht 2016 sprach das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) von etwa 10000 Reichsbürgern und „Selbstverwaltern“. Die Zahl der Waffenbesitzkarten in der Szene wurde auf 700 geschätzt. Das BfV warnte zudem, „jeder staatliche Eingriff – gerade auch ein Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse – kann erhebliche Aggressionen und Gefahrensituationen auslösen“. Reichsbürger und Selbstverwalter setzten auch „selbstgefertigte Waffen oder ihre Pkw gegen Polizisten ein“.
Immer mehr Menschen wollen Waffen tragen
Inzwischen sind die Zahlen weiter gestiegen. Im September 2017 kam der Verfassungsschutz angesichts weiterer Erkenntnisse bereits auf 15.000 Reichsbürger, darunter ungefähr 1000 mit Waffenbesitzkarte. Aktuell ist sogar von 16.500 Reichsbürgern die Rede. Die Zahl derjenigen, die zumindest eine waffenrechtliche Erlaubnis haben, dürfte entsprechend gestiegen sein. Sicherheitskreise gehen davon aus, dass sieben Prozent der Reichsbürger über Waffenbesitzkarten verfügen. Das wären deutlich mehr als in der Bevölkerung insgesamt, hier liegt der Anteil von Personen mit waffenrechtlicher Erlaubnis nur bei zwei Prozent. Doch insgesamt wächst die Bereitschaft, sich privat Waffen zuzulegen.
Bisher können die Behörden lediglich die Datensammelstellen der Ermittlungsbehörden nutzen, wenn sie die Zuverlässigkeit eines Waffenbesitzers oder von Antragstellern für einen Waffenschein prüfen wollen – also das Bundeszentralregister, die staatsanwaltlichen Register und die örtlichen Polizeidienststellen. Extremisten haben so nur dann ein Problem, wenn sie dort bereits gelistet sind, weil etwas gegen sie vorlag oder vorliegt.
Die Regelanfrage beim Verfassungsschutz soll nun nach dem Willen der Ländermehrheit hinzukommen, um auch solche Personen herausfiltern zu können, die polizeilich noch nie erfasst wurden. Hessen will zudem erreichen, dass es schon reicht, beim Verfassungsschutz gespeichert zu sein, um als waffenrechtlich unzuverlässig eingestuft zu werden. Die Bundesregierung hatte sich bisher dagegen gesperrt – mit der Begründung, Jäger und Sportschützen dürften nicht kriminalisiert werden. Hessens Innenminister Peter Beuth entgegnet: „Kein unbescholtener Jäger und Sportschütze hat dadurch einen Nachteil. Nur Extremisten müssen um ihre Waffen fürchten.“