Die Folgen des Klimawandels: Brandenburg als Testgebiet
Die Zahl der Waldbrände ist deutlich gestiegen, aber die Schäden haben nicht zugenommen Die Bundesregierung sieht das als Beleg für die Anpassungsfähigkeit Deutschlands an den Klimawandel.
Der Klimawandel ist für Deutschland ein Gesundheitsrisiko, sagt Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes. Die Anzahl der heißen Tage mit Temperaturen oberhalb von 30 Grad und Tropennächte, in denen es nicht unter 20 Grad abkühlt, sind aus seiner Sicht das größte Risiko. Und zwar vor allem deshalb, weil die Bevölkerung in Deutschland gleichzeitig altert und zunehmend in Städten lebt, in denen es wegen der dichten Bebauung ohnehin einige Grad wärmer ist als auf dem Land. Das sagte er am Dienstag bei der Vorstellung einer Studie, die die Verletzlichkeit Deutschlands für Klimarisiken detailliert und mit regionalen Abschätzungen untersucht hat. Mit dieser Studie sollen Kommunal- und Regionalpolitiker Informationen zur Klimaanpassung bekommen.
In Deutschland ist die mittlere Lufttemperatur zwischen 1881 und 2013 bereits um 1,2 Grad gestiegen. Das zeigen die seither vorliegenden Temperaturaufzeichnungen. Bis 2050 erwarten der Deutsche Wetterdienst (DWD) und das Umweltbundesamt (UBA) eine weitere Erwärmung um etwa 0,5 Grad. UBA-Präsidentin Maria Krautzberger sagte am Dienstag bei der Vorstellung eines umfangreichen Berichts über die Anfälligkeit Deutschlands für Klimaänderungen, dass sich das Land an eine solche „moderate Erwärmung anpassen kann“.
Das bestätigte der Vizepräsident des Wetterdienstes, Paul Becker, am Beispiel der Waldbrandgefahr. Weil die Lufttemperatur steigt und die Zahl der heißen Tage mit einer Temperatur oberhalb von 30 Grad zunimmt und gleichzeitig der Sommerniederschlag weniger wird, steigt das Risiko für Waldbrände deutlich an. Speziell in Brandenburg ist das allerdings längst Wirklichkeit. Brandenburg ist einer der schon jetzt eher trockenen Landstriche, in denen insgesamt wenig Regen fällt. Im Sommer bekommt die Region noch weniger Niederschläge ab. Jedes Jahr im Sommer warnen die Behörden des Bundeslandes auf allen Kanälen davor, im Wald Feuer zu machen, Zigaretten oder Flaschen einfach wegzuwerfen, damit Waldbrände vermieden werden können.
108 Kameras überwachen die Wälder in Brandenburg, und ihre Daten werden in sechs Waldbrandzentren erfasst, berichtet der Landesforst Brandenburg. Trotzdem ist es 2015 zu 312 Waldbränden gekommen. Das waren fast dreimal so viele wie im Vorjahr, berichtet der Landesbetrieb. In keinem anderen Bundesland hat es öfter gebrannt. Die Schäden waren jedoch geringer als in den Vorjahren. Und das wertet Becker als Zeichen für die Anpassungsfähigkeit des Bundeslandes an die sich verändernden Verhältnisse.
Eine weitere Region, die immer trockener wird, ist nach Beckers Angaben der östliche Alpenrand. Gelingt es jedoch nicht, mit dem Klimaabkommen, das von kommender Woche an in Paris ausgehandelt werden soll, einen besseren Klimaschutz zu erreichen, dann sieht Umweltstaatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) auch in Deutschland „Grenzen der Anpassung“.
Becker wies darauf hin, dass die Kombination aus alternden Bevölkerung und Zunahme der Hitzetage unser „sehr gutes Gesundheitssystem“ auf eine echte Probe stellen würde. Da werde sich einiges ändern müssen. Nach der Hitzewelle 2003, wegen der in Europa rund 70 000 Menschen zusätzlich starben, hat der DWD einen Warndienst eingerichtet. An Hitzetagen werden Pflege- und Altenheime sowie Kliniken frühzeitig darüber informiert und können darauf achten, dass die alten Menschen genug Flüssigkeit zu sich nehmen. Doch wenn die Zahl der Hitzetage von acht bis zehn wie bisher dann auf bis zu 25 steigen könnte, werde das nicht mehr ausreichen, ist sich Becker sicher.
Die zunehmende Trockenheit wiederum ist vor allem für die Landwirtschaft ein Problem. Die Bauernverbände sind allerdings überzeugt, dass ihre Mitglieder sich anpassen können. Muss aber mehr bewässert werden, macht das die Produktion teurer. Und in einigen Regionen Deutschlands sind die Grundwasserreserven auch nicht groß genug oder beispielsweise durch die Nitratbelastung aus der Landwirtschaft zu belastet, um eine Bewässerung im großen Stil zu ermöglichen.
Die Binnenschifffahrt wird sich im Sommer selbst auf dem Rhein darauf einstellen müssen, dass es Tage geben wird, an denen der Fluss nicht mehr befahrbar sein könnte. Starkregenereignisse wiederum sind überall in Deutschland möglich und dürften nach Krautzbergers und Beckers Einschätzung vor allem da große Schäden anrichten, wo es „viel Infrastruktur gibt“, also in den Ballungsräumen, wo viele Menschen leben. Trotzdem hält Maria Krautzberger die meisten Klimafolgen in Deutschland dann für beherrschbar, wenn es bei einer moderaten Erwärmung bleibt. Nur für eine Branche sieht Krautzberger schwarz: für den Skitourismus vor allem in den Mittelgebirgen.
Seit der ersten Auflage der deutschen Anpassungsstrategie 2008 erfasst das Umweltministerium Ausgaben für die Klimaanpassung. Zwischen 2008 und 2013 waren das nach Angaben von Schwarzelühr-Sutter 317 Millionen Euro. Was Länder und Kommunen ausgegeben haben, weiß sie allerdings nicht. Sie weist aber darauf hin, dass in den kommenden Jahren allein für die bundesweite Hochwasserstrategie jedes Jahr 100 Millionen Euro Bundesmittel eingestellt worden sind. Das seien ganz klar Anpassungsausgaben. Sobald Deiche erhöht werden müssen, wird es richtig teuer. Oft gehe es aber darum, „die Klimaanpassung mitzudenken“, also bei der Raumplanung „trotz einer verdichteten Bauweise, die wir wegen des Flächenverbrauchs ja wollen“, wie Schwarzelühr-Sutter sagte, Luftschneisen einzuplanen. Die Dächer, findet sie, sollten möglichst großflächig begrünt werden, falls neben den Solaranlagen für die Strom- und Wärmeerzeugung noch Platz ist.
Mit dem Anpassungs-Netzwerk „Kompass“, das im UBA angesiedelt ist, erhofft sich die Bundesregierung einen entsprechenden Austausch. Christof Nolda, Stadtbaurat in Kassel, hat allerdings vor kurzem bei einer Klimadebatte in der hessischen Landesvertretung Zweifel geäußert, ob sich Klimaschutz und -anpassung tatsächlich so leicht auf einen Nenner bringen lassen.