Insolvenzverfahren: Boris Becker beruft sich auf diplomatische Immunität
Der Ex-Tennisstar gibt an, offizieller Vertreter der Zentralafrikanischen Republik zu sein – und will deshalb sein Insolvenzverfahren stoppen lassen. Aber es gibt Ungereimtheiten.
Boris Becker ist ein krisengeplagter Mann. Im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass Becker in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt. Eine Londoner Richterin hatte ihn für bankrott erklärt, weil er immense Schulden bei einer englischen Privatbank habe. Ein Skandal unter vielen. Nun könnte ihm das ärmste Land der Welt helfen.
In der Zentralafrikanische Republik stehen sich seit Jahren christliche und muslimische Milizen gegenüber, der Konflikt führte 2013 zu einem Bürgerkrieg. Seither sichern 12.000 Blauhelmsoldaten das Land, ein Großteil der Bewohner ist auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Seit einigen Monaten nun arbeitet Becker für den afrikanischen Staat, er ist „Sonderattaché für Sport und kulturelle Angelegenheiten in der Europäischen Union“. Natürlich ehrenamtlich. Im April war diese Information nur eine Randnotiz in den Nachrichten, seit Freitag hat sie neue Bedeutung erlangt. Denn der dreimalige Wimbledon-Sieger beruft sich im Insolvenzverfahren gegen ihn auf diplomatische Immunität.
Die Anwälte von Becker haben einen Antrag beim High Court in London gestellt, das Insolvenzverfahren bis auf weiteres zu stoppen. Sie verweisen auf den angeblichen Diplomatenstatus, den Becker durch sein Amt als Sonderattaché erlangt habe. Ohne die Zustimmung der Zentralafrikanischen Republik dürfe gegen Becker kein rechtliches Verfahren laufen. Für eine Ermittlung brauche es sogar die Zustimmung des britischen Außenministers Boris Johnson und seines zentralafrikanischen Amtskollegen, so die Anwälte des Prominenten.
"Licht am Ende des Tunnels"
Das gerichtliche Verfahren nannte Becker eine „Farce“. Ein „Haufen anonymer und unverantwortlicher Banker und Bürokraten“ habe ihm ein "vollkommen unnötiges" Insolvenzverfahren aufgezwungen, klagte Becker in einer Stellungnahme. Er habe dadurch eine Menge Schaden erlitten, „sowohl finanziell als auch professionell“, schreibt er. „Ich werde diejenigen verfolgen, die diesen Prozess erzwungen haben und sie öffentlich für ihre Taten verantwortlich machen“, gab er bekannt.
Auf einer Veranstaltung der Wochenzeitung „Die Zeit“ zeigte sich Becker zufrieden mit den neusten Entwicklungen. "Ich bin froh, wo ich heute bin, und bereue nichts", sagte er am Dienstag. Zu seiner finanziellen Lage ließ er verlauten: „Es gibt ein Licht am Ende des Tunnels.“
Was genau der ehemalige Tennisprofi damit meinte, ist unklar. Sein deutscher Anwalt Christian-Oliver Moser bezeichnete Beckers Schritt, in dem Insolvenzverfahren auf seine Immunität zu verweisen, als „zugegebenermaßen ungewöhnlich“. Es sei aber nicht so, dass Herr Becker das diplomatische Amt übernommen hätte, um auf diese Weise das Insolvenzthema zu lösen. „Er ist nach wie vor inhaltlich davon überzeugt.“
Keine offizielle Bestätigung für seine Akkreditierung
Unklar ist, warum Becker als Diplomat bei der EU Immunität in Großbritannien genießen soll. Moser teilte dazu mit, Becker sei in Brüssel bestellt, aber in Mission im Vereinigten Königreich. Eine offizielle Bestätigung für die Akkreditierung Beckers gab es aber weder in Brüssel noch in London. Das britische Außenministerium teilte mit, es gebe keine Aufzeichnungen darüber, dass Becker in diplomatischer Mission in Großbritannien sei. Ob es so sei, müsse ein Gericht entscheiden. Die EU-Kommission wusste ebenfalls nichts von Beckers angeblichem Diplomatenstatus. Auch Regierungsvertreter in der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik, Bangui, wussten auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur nichts von der Rolle Beckers.
Korruption im Diplomatenwesen
Die Tennis-Legende teilte am Freitag mit, er sei immens stolz auf die Ernennung zum Kultur- und Sportattaché. „Mein diplomatisches Amt in der Zentralafrikanischen Republik ermöglicht es mir, den Sportbegeisterten in einer der ärmsten Regionen der Welt, etwas Bedeutungsvolles zurückzugeben.“ Dass mit seinem neuen Amt auch rechtliche Vorteile einhergehen, die Becker womöglich vor dem Insolvenzprozess schützen werden, wollen er und sein Anwalt als reinen Zufall verstanden wissen.
Welche Rolle die Korruption im Diplomatenwesen einiger afrikanischer Ländern spielt, zeigte der dänische Journalist Mads Brügger 2011 mit einem Selbstversuch. Mit 135000 Dollar kaufte er sich bei Zwischenhändlern einen Diplomatenpass von Liberia und arbeitete damit in der Zentralafrikanischen Republik – inklusive aller Diplomatenrechte. „Die Zentralafrikanische Republik ist die Endstation der Korrupten. Hier definiert Korruption alle Formen von sozialen Beziehungen“, erklärte er der österreichischen Zeitung „Der Standard“ im Interview.
Ob das Gericht in Großbritannien Becker tatsächlich als immun einstuft und das Insolvenzverfahren einstellt, ist unklar. Seit Becker seine Karriere 1999 beendete, ging es für den dreifachen Wimbledon-Sieger bergab. 2002 verurteilte ihn das Münchner Landgericht wegen Steuerhinterziehung. Ein Londoner Gericht hatte Becker im Juni 2017 für bankrott erklärt. Er widersprach dem Urteil und erklärte, dass er die Verbindlichkeiten bald regeln könne.
Der britische Insolvenzverwalter von Becker glaubt nicht an diplomatische Immunität des ehemaligen Tennisstars. Das teilte die Londoner Kanzlei Smith & Williamson, die mit dem Fall betraut ist, am Freitagabend mit. (mit dpa)
Paul Nachtwey