Rosetta umrundet jetzt den Kometen "Tschuri": Besuch bei einer fliegenden Kühltruhe
Die europäische Sonde erreicht den Kometen Tschurjumow-Gerasimenko. Die Forscher erhoffen sich Erkenntnisse vom Ursprung des Sonnensystems. Doch bereits der Anflug lieferte einige Überraschungen.
Gespannte Stille herrschte am Mittwochmittag im europäischen Raumfahrtkontrollzentrum in Darmstadt. Zehn Jahre nach dem Start, nach 6,4 Milliarden Kilometern Flug sollte an diesem Tag die Raumsonde „Rosetta“ in eine Umlaufbahn um den Kometen namens Tschurjumow-Gerasimenko einschwenken.
Meilenstein der unbemannten Raumfahrt
Keine Weltraummission hat das bisher gewagt. Um 11:30 Uhr löste sich die Anspannung der Forscher, das ersehnte Signal der 400 Millionen Kilometer entfernten Sonde erreichte die Erde. Applaus brandet auf. „Wir haben den Kometen erreicht“, sagte der Flugbetriebsleiter Sylvain Lodiot, dessen breites Grinsen per Livestream überall auf der Welt zu sehen war. Für die unbemannte Raumfahrt ist dieser Tag ein Meilenstein.
In den nächsten Wochen wird Rosetta auf einem dreieckigen Kurs den nach seinen Entdeckern benannten Kometen zweimal umrunden, um ihn aus rund 100 Kilometern Entfernung genau zu vermessen: mit Kameras aber auch Detektoren für UV- und Infrarotlicht sowie für Radiowellen. Es ist das erste Mal, dass Forscher einen Kometen so umfassend untersuchen. Sie erhoffen sich davon Einblicke in die Frühgeschichte unseres Sonnensystems.
Botschafter aus einer längst vergangenen Zeit
Denn die rund 4,5 Milliarden Jahre alten Kometen bestehen aus dem gleichen Material, aus dem später auch die Sonne und Planeten hervorgingen – nur dass die Eisbrocken sich seitdem kaum verändert haben. Sie sind gleichsam Botschafter aus einer längst vergangenen Zeit und daher besonders interessant.
Zudem spielten sie auch für die Erde eine wichtige Rolle. Indem die Eisklumpen massenhaft auf den Planeten einschlugen, haben sie vermutlich dazu beigetragen, dass er über ausreichend Wasser verfügt. Manche Forscher glauben sogar, dass Kometen auch organische Verbindungen mitbrachten, aus denen das Leben hervorging. Ob auch „Tschuri“ solche Lebensbausteine enthält, werden die Analysen der nächsten Monate zeigen. Doch bereits beim Anflug der Sonde haben die Forscher viel herausgefunden. Zunächst dachten sie, er gleiche einer Kartoffel. Die aktuellen Bilder zeigen aber, dass er eher einer Gummiente ähnelt. Das könnte auf die Kollision zweier Kometen hinweisen, vielleicht aber auch auf heftige Gasausbrüche, die immer wieder auftreten – besonders wenn ein Komet der Sonne näher kommt und erhitzt wird.
Die Mission kostet gut eine Milliarde Euro
Auch die Oberfläche des fünf Kilometer großen Brockens überraschte. Offenbar gibt es mehr Staub als erwartet. „Man sollte sich von den Aufnahmen nicht täuschen lassen“, sagte Mark McCaughrean. Die hellen Flecken seien herausgearbeitet worden, um Unterschiede zu verdeutlichen. „Tatsächlich ist Tschurjumow-Gerasimenko dunkler als Asphalt.“
Zu viel Staub könnte den Höhepunkt der eine Milliarde Euro teuren Mission gefährden: Im November soll Rosetta die Landeeinheit „Philae“ absetzen. Der Roboter verfügt neben Messgeräten über zwei Harpunen. Sie sollen verhindern, dass er nicht vom harten Eis abprallt und ins Weltall entschwindet. Philae wird unter anderem zwei Handbreit in die Tiefe bohren und das Kometenmaterial vor Ort analysieren. Sollte die Oberfläche jedoch zu weich sein, könnte der 100 Kilo schwere Lander versinken. Umso wichtiger ist es, mithilfe der Daten, die Rosetta jetzt liefert, einen geeigneten Landeplatz zu finden.
Am 11. November soll die Landung erfolgen
Ob die Wahl die richtige ist, zeigt sich voraussichtlich am 11. November. Dann werden wieder Dutzende Forscher auf ein erlösendes Signal aus den Tiefen des Weltraums warten.