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So soll das Museum der „Revolution der Würde“ in Kiew aussehen.
© Abbildung: Büro Kleihues+Kleihues

Kleihues+Kleihues: Berliner Architekten bauen Revolutionsmuseum in Kiew

In der ukrainischen Hauptstadt Kiew soll an den Maidan-Aufstand 2014 erinnert werden. Der Entwurf des Berliner Architektenbüros Kleihues+Kleihues hat den Zuschlag für den Bau erhalten.

Sanft steigt die Straße vom Maidan Nesaleschnosti, dem Unabhängigkeitsplatz, auf einen der Hügel der ukrainischen Hauptstadt Kiew an. Seit vier Jahren trägt sie den pathetischen Namen „Allee der Himmlischen Hundertschaft“. Hier sind in der Nacht auf den 20. Februar 2014 mehr als 100 Menschen in einem Schusswechsel gestorben. Sie gehörten zu den Tausenden, die in jener Nacht versuchten, den Hügel zu stürmen und zum nahegelegenen Präsidialamt vorzudringen. Nach monatelanger Konfrontation war die Menge mit ihrer Geduld am Ende, sie wollte den korrupten Präsidenten Viktor Janukowitsch zum Rücktritt zwingen.

Noch immer ist nicht gerichtsfest erwiesen, wie der Schusswechsel begann. Prozesse laufen, doch die juristische Aufarbeitung ist schwierig.   Viele Angehörige der berüchtigten Berkut, der Spezialeinheit der ukrainischen Sicherheitskräfte, haben sich nach den Todesschüssen nach Russland abgesetzt. Hartnäckig hält sich auch der Verdacht, dass zahlreiche Vertreter des russischen Militärgeheimdienstes GRU in jener Nacht in Kiew gewesen sind. Für die übergroße Mehrheit der Ukrainer steht zweifelsfrei fest, dass hier auf dieser Straße Helden gestorben sind für die Unabhängigkeit ihres Landes. Auf der linken Straßenseite haben die Familien der Opfer mit Klinkersteinen in Eigeninitiative kleine Nischen angelegt, an denen sie ihrer Angehörigen Gedenken. Auf der rechten Seit erhebt sich hinter dem Hotel Ukraina ein Holzkreuz zwischen Porträtfotos von den Toten.

"Revolution der Würde"

Nun soll ein paar Schritte weiter bergauf ein Museum der „Revolution der Würde“ in Erinnerung an die Ereignisse vor vier Jahren errichtet werden. Ein prominent besetzter internationaler Wettbewerb ist gerade zu Ende gegangen. Zum Sieger bestimmte die Jury die Berliner Architekten Jan Kleihues und Johannes Kressner (Büro Kleihues+Kleihues). „Wir haben lange überlegt, ob wir uns beteiligen, ob wir überhaupt genug wissen über die Umwälzungen in Kiew im Jahr 2014“, sagt Kleihues. „Aber schließlich ist der Museumsbau gewissermaßen die Königsdisziplin der Architektur – die Aufgabe hat uns gereizt.“

Der Entwurf ist von den spontan entstandenen Gedenkstätten an der Straße inspiriert. „Es ist kein gerader Weg den Hügel hinauf“, erläutert Kleihues. Da es an der Straße entlang mehrere Gedenkorte gebe, sei der Weg zum Museum auch nicht eindeutig vorgegeben. „Der Weg knickt auch mehrmals ab. Und wir setzen ihn dann mit unserem Bau fort.“ Überzeugt hat die Berliner Architekten auch, dass es in Kiew gelungen ist, für die Gestaltung eines neuen Denkmals eine unpathetische Lösung zu finden. Kleihues fügt hinzu: „Das Museum soll selbstverständlich nicht nur zurückgewandt, nur als Erinnerungsort verstanden werden. Es soll auch in die Zukunft weisen.“

Eine Rampe führt aufsteigend an einem Säulengang entlang um das Gebäude herum. Der Blick kann frei über die Umgebung schweifen, bevor die Besucher oben an einer nach Westen ausgerichteten Terrasse ankommen. Vor hier ist das Freiheitsdenkmal auf dem tiefer gelegenen Maidan, das Zentrum der „Revolution der Würde“ vor vier Jahren, gut zu sehen.

Dort erst, im Obergeschoss des Bauwerkes, wird der Eingang zum Museum liegen. Igor Poschiwailo, der jetzt schon eingesetzte Generaldirektor, nennt den Entwurf anerkennend „neoklassizistisch“. Er hat die Geschichte der Sammlung, die in den Sälen ausgestellt werden wird, schon einige Male in ukrainischen Medien erzählt. Bereits einen Monat vor dem Massaker im Februar 2014 hatte sich eine kleine Gruppe von Museologen, Historikern, Archäologen und Angehörigen der Selbstverteidigung des Maidan zusammengetan. Zunächst einmal sollten die Artefakte der Revolution dokumentiert werden, um sie danach wiederzufinden. „Anfangs ist man uns mit großen Misstrauen begegnet“, erzählt Poshiwailo. „Die Leute gaben ihre Namen nicht preis, Interviews wollten sie schon gar nicht. Sie fürchteten Provokateure.“

Artefakte der Revolution

Später und vor allem nach der Revolution änderte sich das. Die Sammlung umfasst heute mehr als 2500 Exponate. Mit ihrer Hilfe wird in dem Museum die Gründungsgeschichte des souveränen ukrainischen Nationalstaates erzählt werden. In der ständigen Ausstellung sind dann die Artefakte der Revolution: Teile der Barrikaden, die Ausrüstung der Demonstranten, Puppen in Wattejacken und mit Gasmasken, die nächtliche Wachen vortäuschten, Katapulte, Graffiti, Audio- und Videoaufzeichnungen und der 40 Tonnen schwere Weihnachtsbaum. Die Metallkonstruktion hatten die Demonstranten auf dem Maidan errichtet und mit Flaggen und Postern behängt.

Vieles Wertvolle ist jedoch auch spurlos verschwunden, so das „Klavier der Revolution“. Auf ihm hatte in dem bitterkalten Winter 2014 Antuanetta Mischtschenko, Studentin am Konservatorium, für die Aufständischen gespielt. Die Museumsleute haben das Piano nach der Revolution noch gesehen. Doch bevor sie es sichern konnten, ist es gestohlen worden.

Natürlich fehle noch die historische Distanz, gibt Poschiwailo zu. „Aber wir stellen uns der herausfordernden Frage: Wie können wir vermeiden, die Geschichte zu ,mumifizieren?“ Er verspricht eine Ausstellung, die auch „in zehn oder 20 Jahren noch aktuell ist“. Ein Datum für den Baubeginn gibt es aber noch nicht.

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