Bis die Stimme versagt: Ballermann-Unterhaltung ist Schwerstarbeit
Mia Julia und Peter Wackel gehören zu den bekanntesten deutschen Sängern an der Playa de Palma. Die Künstler geben alles. Mallorca-Shows sind ein Knochenjob.
In knappen Shorts und bauchfrei steht Mia Julia etwas ratlos auf der Bühne, gegen das lautstarke Publikum kommt sie kaum noch an. Seit Minuten singt das Partyvolk im vollgepackten Kultlokal Bierkönig auf Mallorca „Mia Julia Olé! Mia Julia Olé!“. Die 32-Jährige hat wieder alles gegeben, die singenden Touristen sind glücklich. Dabei ist es gerade erst Nachmittag an der Playa de Palma. Nur ein paar Tage später muss Mia Julia schon nach dem ersten Lied ihre Show abbrechen - ihre Stimme macht nicht mehr mit.
„Ich hatte Schmerzen und das war das Zeichen, ich muss sofort aufhören damit, so sehr ich es auch versucht habe und auch wollte“, schreibt sie ihren Fans auf Instagram. „Ich muss meinen Terminplan überdenken, ich merke, ich kann nicht immer und alles machen“, gibt sie offen zu. Denn die Touristen am Ballermann monatelang fast pausenlos zu unterhalten, das ist nicht nur Spaß, sondern harte Arbeit. „Ich hab mich schon gewundert, wie du das aushältst... kein Mensch schafft so ein Programm“, kommentiert ein Fan bei Instagram.
Seit sieben Jahren singt Mia Julia Brückner, so ihr voller Name, an der Playa de Palma - im Bierkönig und in der Disco, die so heißt wie ihre Heimat: Oberbayern. Früher war sie Friseurin, später eine Zeit lang Erotikdarstellerin. Außer einer Stippvisite im Kirchenchor hatte sie nie Musik gemacht, bevor sie am Ballermann anfing. Ihr Mann Peter kümmert sich bei den Shows um den Sound, sie macht mit Songs wie „Endlich wieder Malle“ die Stimmung auf der Bühne.
Seit zehn Jahren sind die beiden verheiratet, ein eingespieltes Team. Sie reisen von Auftritt zu Auftritt, zwischendurch auch nach Luxemburg und Deutschland, danach zurück auf die Insel. Bis Ende August wollte Mia Julia mindestens einmal am Tag auftreten - so zumindest sah der Plan aus. Auch danach geht die Saison noch weiter.
Auffällig viele Frauen im Publikum
Von Montag bis Freitag auf Mallorca, am Wochenende in Deutschland, das sei normal für die Stars der Playa, sagt Peter Wackel. Der 42-Jährige ist in seiner 20. Saison als Sänger am Ballermann. „An Samstagen und Sonntagen sind die Läden hier sowieso voll, da braucht man keine großen Namen auf der Bühne.“ Also düsen die Schlagersänger dann kurz in die Heimat. Wer die echten Stars live am Ballermann sehen will, also Jürgen Drews und Mickie Krause, oder eben Mia Julia und Peter Wackel, der muss unter der Woche in die Partytempel kommen. Der Eintritt im Bierkönig oder im Megapark ist dabei frei.
Es ist Dienstag, 21 Uhr. Im Bierkönig herrscht gute Stimmung. Wackel, der bürgerlich Steffen Peter Haas heißt, legt gleich richtig los und startet das Konzert mit seinem wohl größten Hit „Scheiß drauf (Malle ist nur einmal im Jahr)“. Seit der Veröffentlichung 2013 ist der Song zum Klassiker an dem prominenten Strandabschnitt avanciert. In gelbe und pinkfarbene Bierkönig-Leibchen gekleidet steht das Publikum auf Stühlen und Hockern, singt textsicher jede Zeile mit.
Viele tragen auch Fußballtrikots, manchmal von Bundesligisten, meist aber vom Heimatverein: SG Werratal aus Hessen etwa oder SV Lippramsdorf aus Nordrhein-Westfalen. Der Alkohol, zumeist Bier und Mischgetränke, wird aus Krügen getrunken. „Wo sind die Mallorca-Profis?“, ruft Wackel ins Mikrofon und Hunderte Hände schnellen jubelnd die die Höhe.
Das Publikum bei Mia Julia schaut meist ähnlich aus und hat die gleichen Drinks in der Hand - nur dass auffällig viele Frauen zu ihren Konzerten kommen. Kein Wunder: Die Sängerin aus Gilching bei München spricht viel mit dem Publikum, ihre Botschaft gerade an die weiblichen Gäste lautet: „Akzeptiert euch so, wie ihr seid! Macht das, worauf ihr Lust habt!“ Dieser ausgiebige Austausch führt dazu, dass ihre Shows - die auf eine halbe Stunde angelegt sind - gerne mal doppelt so lange dauern. Und die Stimmbänder umso mehr strapazieren.
Playa als Sprungbrett
Peter Wackels Shows im Bierkönig dauern rund 45 Minuten, inklusive Zugabe. „Ich sehe mich nicht als Künstler, sondern als Entertainer“, sagt der Partymusiker mit dem fränkischen Zungenschlag. Die Playa-Musik mit den oft albernen Texten sei ein Nischenprodukt, meint er und fasst seinen Stil so zusammen: „Ich mache Independentmusik im Alkoholbereich.“
Während Wackel in seinen Liedern das Feiern und den Alkoholkonsum beschwört, besingt Mia Julia eher ein Lebensgefühl. In fast jedem Song von ihr kommt das Wort „Wir“ vor. Es geht um den perfekten Urlaub, um das gemeinsame Erleben, um die Sehnsucht nach der Insel.
Die Playa kann auch Sprungbrett sein: Mia Julia hat gerade einen Plattenvertrag mit dem Label Universal unterschrieben. Ein neues Album ist in Planung. Von Januar bis Mai kommenden Jahres steht eine Tour an - wenn sie denn wegen der Stimmprobleme nicht „auf stumm geschaltet“ ist, wie sie es selbst nennt.
Musikalische Entwicklung
Musikalisch distanziert sie sich von den üblichen Mallorca-Ohrwürmern: „Ich kann mit Schlager nichts anfangen“, schmunzelt sie. Ihre Songs sind eher im Bereich der elektronischen Tanzmusik angesiedelt, ein paar Balladen sind auch dabei.
Auch Peter Wackel entwickelt sich musikalisch weiter. Sein aktueller Sommersong unterscheidet sich deutlich von früheren Playa-Hits. Bei „Boom Boom“ probiert sich Wackel im Sprechgesang, inklusive einiger eingeflochtener spanischer Wörter. Man müsse mit der Zeit gehen, sagt er - und Latino-Musik sei eben gerade weltweit dominant.
Monique aus der Nähe von Kaiserslautern hat bei einer Mia-Julia-Show vor wenigen Tagen ihren BH auf die Bühne geworfen. Anschließend darf sie wegen der kuriosen Geste mit in den kargen Backstage-Raum des Bierkönigs, um mit ihrem Idol Selfies zu machen. Die 27-Jährige schwärmt: „Mia Julia ist total authentisch und gibt immer alles!“ Aber irgendwann schlägt der Knochenjob „Ballermann-Künstler“ auf die Gesundheit. Die Fans zeigen Verständnis, wünschen gute Besserung. Eine junge Frau schreibt: „Jeder von uns versteht, wenn du einen Gang zurückschalten musst für deine Gesundheit, und die geht vor!“ (Patrick Schirmer Sastre und Carola Frentzen, dpa)
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