Datenschutz: Aus Unsicherheit Gesichter von Kita-Kindern geschwärzt
Schwarze Balken auf den Gesichtern im Jahresalbum eines katholischen Kindergartens - die Angst davor, etwas falsch zu machen treibt absurde Blüten. Ein Kommentar.
Es muss ein merkwürdiger Moment gewesen sein, als die Eltern des katholischen Kindergartens in Dormagen die Erinnerungsalben an das zu Ende gegangene Kitajahr zum ersten Mal durchblätterten: Auf allen Fotos waren die Gesichter der jeweils anderen Kinder geschwärzt, nur der eigene Nachwuchs war noch erkennbar. Grund für die Maßnahme, die anmutet, als hätte die Polizei ihre Verbrecherkartei geöffnet: der Datenschutz. So erklärte es Pfarrer Peter Stelten, der für die Einrichtung zuständig ist. Angesichts der neuen Datenschutzverordnung (DSGVO) habe bei den Mitarbeitern große Unsicherheit darüber geherrscht, wen man wie abbilden dürfe. Mit der Schwärzung sei man auf Nummer sicher gegangen.
Mit wem war ich noch mal im Wald?
Was für ein absurder Effekt. Die Kinder der Kita „St. Katharina“ können nun auf ihren Fotos zwar sehen, dass sie einst im Wald, auf dem Spielplatz oder beim Spaziergang waren. Mit wem aber – das wird kaum zu erkennen sein. Entsprechend deutlich fiel die Kritik der enttäuschten Eltern aus. Nun sollen im nächsten Jahr keine Gesichter mehr geschwärzt und trotzdem alle Bestimmungen eingehalten werden.
Die merkwürdig anmutende Entscheidung hatte bundesweit Aufsehen ausgelöst. Dabei wussten sich die Betreffenden wohl einfach keinen Rat. Diese Hilflosigkeit in Alltagsdingen erschwert das gesellschaftliche Zusammenleben immer mehr. Weg von „gesundem Menschenverstand“, Herzensbildung und Intuition – hin zu Vorsicht, Ängstlichkeit und Unsicherheit. Darf ich das? Könnte das jemanden stören? Werde ich zur Verantwortung gezogen, wenn ich das tue? Und wenn etwas schiefläuft, jemand Schaden nimmt? Auch wenn ich es gut gemeint habe? Motto: Wer nichts macht, macht keine Fehler. Oder – im konkreten Fall: Wer Gesichter schwärzt, zeigt keine.
Der persönliche Umgang wird normiert
Eltern unterschreiben Einverständniserklärungen, dass die Erzieher in der Kita ihren Kindern Splitter aus dem Finger ziehen dürfen. Und was ist mit der Mund-zu- Mund-Beatmung in lebensbedrohlicher Situation? Erst mal die entsprechenden Formulare suchen... Darf zu Weihnachten ein – christliches – Lied gesungen werden? Und wie eng ist beim Trösten Kuscheln erlaubt? Die Verunsicherung über „richtig“ und „falsch“ fängt ein Regelwerk auf, schriftliche Absicherungen beruhigen. Die individuelle Entscheidung wird ersetzt, der persönliche Umgang normiert.
Wenn man etwas wissen möchte, sollte man fragen
Wie eng! Wie langweilig! Wie dumm! Wer nicht weiß, wie es für den anderen am besten ist, soll fragen. Es bleibt wieder einmal bei der Forderung für alle Lebenslagen: Kommunikation! Gemeinsam entscheiden, abwägen, klären. In Dormagen, heißt es, drei Juristen hätten zur Frage nach der Rechtmäßigkeit von Fotos im Kita-Erinnerungsalbum sechs Meinungen geäußert. Deshalb gilt einfach, mutig der eigenen zu folgen.