Weltbiodiversitätsrat IPBES: Aus dem Staub gemacht
Der erste Bericht des Weltrats für biologische Vielfalt beschreibt, wie die Landwirtschaft Bienen bedroht. 124 Länder haben seit Montag über die Zusammenfassung für Entscheider verhandelt.
Ohne zwei winzige Mückenarten gäbe es keine Schokolade. Diese Mücken bestäuben Kakaopflanzen und ermöglichen so ihre Vermehrung. Darauf wies Simon Potts am Freitag bei der Vorstellung des ersten Berichts des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) in Kuala Lumpur hin. Der Professor an der Universität Reading in England leitete mit der brasilianischen Professorin Vera Lucia Imperatriz-Fonseca aus Sao Paulo die globale Studie über den Zustand der Bestäuber. Von Montag bis Freitag trafen sich Vertreter von 124 Regierungsdelegationen und die 77 Wissenschaftler, die den Bericht verfasst haben, um die Zusammenfassung für Entscheider Zeile für Zeile und Wort für Wort durchzugehen und am Freitag zu beschließen. Die 36 Seiten können nun als wissenschaftlich und politisch gesichertes und akzeptiertes Wissen über den Zustand der Bestäuber gelten.
Simon Potts lieferte die Wirtschaftsdaten – im Fall der Kakao-Bohnen geht es immerhin um rund 5,7 Milliarden Dollar im Jahr –, während seine Kollegin Wissen bei indigenen Völkern und Kleinbauerngemeinschaften in aller Welt einholte, um einen Überblick darüber zu gewinnen, was den Bienen, Schmetterlingen, Fledermäusen oder Vögeln, die Pflanzen im Wert von jährlich 235 bis 577 Milliarden Dollar bestäuben, schadet oder nutzt. Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Halle gehörte zu den Leitautoren des Berichts, der sich in seiner Entstehung an den Weltklimaberichten des IPCC orientiert. Settele beschäftigte sich mit Gründen für den Rückgang von Bestäubern. In seinem Kapitel fanden sich alle Konfliktthemen: Landnutzungsänderungen, intensive Landwirtschaft, Pestizideinsatz, gentechnisch veränderte Organismen, invasive Arten, Krankheiten wie Virenbefall sowie der Klimawandel.
Bei der Arbeit an ihrem Bericht stellten die Forscher fest, dass die Datenlage für den Insektenbestand weltweit schwierig ist. Ein flächendeckendes Monitoring der Bestände gibt es am ehesten für die Honigbienen, die kommerziell gehalten werden. Und da ist in einigen Weltregionen der Bestand in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, weil mehr professionelle Imker Bienenstöcke gekauft und eine Honigproduktion aufgebaut haben. Aber bei Wildbienen sieht die Datenlage schon in Europa und Nordamerika schlecht aus. Für Afrika, Asien oder Südamerika gibt es allenfalls einzelne Studien, bedauerte Potts am Freitag. Nach Auswertung von mehr als 3000 Studien heißt es im IPBES-Bericht nun, dass in Europa neun Prozent der Bienen- und Schmetterlingsarten stark gefährdet sind. Etwa 40 Prozent der Bienenarten sind deutlich zurückgegangen. Auf Inseln sind es im Schnitt etwa 30 Prozent der Bestäuberarten, die auf der Roten Liste stehen oder ohne dort zu stehen stark gefährdet sind. 16,5 Prozent der Nicht-Insektenarten, die als Bestäuber eine Rolle spielen – vor allem Fledermäuse und Vögel – sind demnach gefährdet.
Eine entscheidende Rolle beim Verlust der Bestäuberarten spielt die intensive Landwirtschaft. Zum einen werden Wälder gerodet, um Ackerflächen zu gewinnen. Es wird Grünland umbrochen, um neue Felder nutzen zu können. Und der Boden wird immer intensiver genutzt. Das heißt, es werden mehr Kunstdünger und mehr Pestizide eingesetzt, oder gleich Gentech-Pflanzen angebaut. All das führt dazu, dass Bestäuber-Insekten große Probleme bekommen, zu überleben. Die Dünger bringen vor allem Ackersaaten hervor, die für Bienen ziemlich uninteressant sind. Sollen sie aber die Apfelbäume weiter bestäuben, deren globaler Wert immerhin bei 33,5 Milliarden Dollar im Jahr liegt, brauchen sie im Sommer auch Blumenwiesen, um ihre Nachkommen durchzubringen und im Folgejahr ihren Job weiter erfüllen zu können. Der massive Einsatz von Unkrautvernichtern reduziert die Vielfalt auf dem Acker weiter und damit die Nahrungsgrundlage für die Bestäuber. Insektizide wirken direkt gegen „Schad“-Insekten häufig aber auch gegen Nützlinge, auch wenn sie nicht immer direkt zum Tod führen. Das ist nach Einschätzung von Settele und seinen Kollegen beispielsweise bei den insektenresistenten Gentech-Maissorten der Fall.
Natürlich spielten auch Neonikotinoide, eine Variante von Insektiziden, mit denen meistens die Samen behandelt werden, und die als bienengefährdend gelten, eine wichtige Rolle in dem Bericht. Endgültige Klarheit über die Schädlichkeit der Chemikalie brachte allerdings auch der IPBES-Bericht nicht, weil es „viele schlechte Studien dazu gibt“, wie Settele sagt. Sicher sei aber, dass diese Insektizide Wildbienen schaden. Dieser Aussage schloss sich auch Christian Maus an, der für Bayer als einer der Autoren am Bericht beteiligt war. Er war einer von zwei Industrievertretern im Autorenkreis.
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