Ebola-Epidemie in Westafrika: Angst vor den Helfern
In den drei westafrikanischen Ländern mit Ebola steigt die Zahl der Infizierten, weil das Vertrauen in die Helfer und die Regierungen fehlt. In Liberia ist die Krankheit Gegenstand hitziger politischer Debatten.
Misstrauen, Angst und politische Spannungen machen es den drei westafrikanischen Ländern Guinea, Liberia und Sierra Leone schwer, die tödliche Infektionskrankheit Ebola in den Griff zu bekommen. Im März ist die Krankheit erstmals in einem Waldgebiet in Guinea nachgewiesen worden. Obwohl die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“, die in allen drei betroffenen Ländern Isolierstationen eingerichtet hat, zwischendurch gehofft hatte, die Epidemie könnte an ihr Ende gekommen sein, hat die Zahl der Infizierten und Toten in allen drei Ländern seit Ende Mai wieder zugenommen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtet, dass inzwischen 635 Menschen infiziert wurden und 399 daran gestorben sind.
Der Bevölkerung fehlt das Vertrauen
Obwohl das Risiko einer Ansteckung hoch ist, wenn Angehörige ihre Familienmitglieder pflegen oder ihre Toten begraben, ist es den Gesundheitsministerien in allen drei Ländern sowie den westlichen Helfern bisher nicht gelungen, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. Einer der Gründe dafür ist die Erfahrung der vergangenen Monate: Die meisten Menschen, die in die Isolierstationen gebracht wurden, sind nicht lebend wieder herausgekommen. Und dann haben die Behörden wie im Falle Liberias auch noch die Toten begraben und den Angehörigen teilweise nicht einmal den Ort des Grabes genannt. Schon im April berichtete die Liberianische Zeitung „The New Dawn“ über einen Mann, der mit seinen Kindern mehr als drei Wochen in Isolation festgehalten worden war, nachdem seine Frau vermutlich an Ebola starb. Er bat die Regierung, die Behörden, die Helfer, ihm doch zumindest den Ort zu nennen, an dem seine Frau begraben wurde – ohne Erfolg.
Würdige Bestattung versus Ansteckung
In den traditionellen westafrikanischen Gesellschaften spielen die Toten für die Lebenden eine wichtige Rolle. Es ist bedeutsam, ihnen Ehrerbietung zu erweisen und ihnen eine würdige Bestattung zu geben. Sonst kann der Geist der Verstorbenen nicht zur Ruhe kommen. Sie könnten als böse Geister zurückkehren. Vor allem aber ist es für die Lebenden wichtig, würdig Abschied zu nehmen. Eine Ebola-Isolierstation ist so ziemlich das Gegenteil dessen, was sich die Menschen für ihre Angehörigen wünschen, wenn sie schon sterben müssen. Sie werden von Krankenschwestern oder Ärztinnen gepflegt, die wie Marsmenschen aussehen. Es gibt keinen direkten Körperkontakt mit Menschen, die nur panisch zusehen können, wie sie selbst immer schwächer werden. Mit viel Glück können Ebola-Infizierte selbst Antikörper gegen das Virus bilden. Aber die Zahl der Todesfälle ist deutlich höher als die Zahl der Überlebenden.
Das Pflegepersonal hat Angst vor Ansteckung
Dazu kommen praktische Probleme. Die Menschen in allen drei Ländern sind in ihrer Mehrzahl sehr arm. Sie können sich den Transport in ein Krankenhaus nicht leisten. Wenn es eine Gesundheitsstation in ihrer Nähe gibt, diagnostizieren die meisten Pfleger dort die gängigen Krankheiten wie Malaria, Typhus oder eine andere Durchfallerkrankung. In allen drei Ländern waren mit die ersten Opfer Krankenschwestern und Ärzte. Ihre Kollegen haben entsprechend große Angst, weiterzuarbeiten – und viele tun es auch nicht mehr. Deshalb hat die liberianische Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf vor wenigen Tagen ein Krankenhaus besucht, in dem gerade eine Pflegerin an Ebola gestorben war. Die Zeitung „The New Dawn“ zitiert die Präsidentin mit der Aufforderung, die Krankheit „nicht zu politisieren“. Doch genau das passiert. Da viele Menschen den Verdacht haben, dass die westlichen Helfer das Virus selbst einschleppen, um dann an Afrikanern Experimente zu machen – ein Vorwurf, der auch im Zusammenhang mit Aids immer wieder erhoben wurde – ist diese Unsicherheit für jede Opposition ein gefundenes Fressen.
Dagmar Dehmer