Brust- und Eierstockkrebs: Angelina Jolie: „Ich neige weiter dazu, Krebs zu bekommen“
Hohes Risiko, keine zuverlässige Früherkennung für Eierstockkrebs, Blutwerte, die ihre Ärzte beunruhigten. Angesichts dieser Fakten entschied sich Angelina Jolie für die Flucht nach vorn: Sie ließ auch ihre Eierstöcke und die Eileiter entfernen.
Wieder war es ein Bluttest, der innerhalb kurzer Zeit alles veränderte. Eine kleine Auffälligkeit. „Sie sollten mit einem Chirurgen sprechen“, sagte der Arzt vor zwei Wochen zu Angelina Jolie. Es könne Eierstockkrebs in einem sehr frühen Stadium sein. Die Nachricht weckte bei der Schauspielerin Erinnerungen. Ihre Mutter war nur zehn Jahre älter, als sie diese Diagnose bekam. Sie starb mit 56 Jahren.
Sie habe ihre Mutter, ihre Großmutter und eine Tante wegen Krebs verloren, schreibt Angelina Jolie in der „New York Times“. Das Gen BRCA 1 – eigentlich dafür zuständig, Erbgutschäden zu reparieren und Krebs zu verhindern – ist bei dem Hollywood-Star so verändert, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit seinen Dienst versagt. Ihr Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, lag bei 87 Prozent. Deshalb ließ sie sich vor zwei Jahren beide Brüste abnehmen. Ihr offener Umgang damit führte dazu, dass viele Frauen mit ähnlicher Familiengeschichte ihr Risiko mithilfe eines Gentests überprüfen ließen. „Jolie-Effekt“ tauften Experten den Ansturm.
Krebsforscher gehen davon aus, dass fünf bis zehn von 100 Brustkrebspatientinnen eine Veranlagung für die Krankheit haben. Höchstens bei der Hälfte von ihnen ist das wiederum auf Veränderungen in den Genen BRCA 1 und BRCA 2 zurückzuführen. Sie erkranken deutlich früher als andere Frauen, auch an Eierstockkrebs. Wie hoch das jeweilige Risiko ist, kommt auch auf die genaue Mutation an.
In Deutschland bieten 15 Zentren für familiären Brustkrebs den Gentest an. Sollte sich der Verdacht bestätigen, wird dort mit der Patientin über das weitere Vorgehen beraten, etwa eine engmaschige Brustkrebsfrüherkennung oder vorsorgliche Operationen. Psychologen und Selbsthilfegruppen wie das BRCA-Netzwerk bieten Unterstützung.
Bei Angelina Jolie war das Eierstockkrebsrisiko auf 50 Prozent erhöht. Von Anfang an überlegte sie, ob sie zusätzlich zu den Brüsten Eierstöcke und Eileiter entfernen lassen sollte. Der Eingriff ist klein, das Ergebnis nicht sichtbar. Doch die Folgen sind weitreichend: Die Operation zwingt eine Frau in die frühe Menopause, mit allen körperlichen Veränderungen, die die Wechseljahre mit sich bringen. Jolie entschied sich zunächst dafür, abzuwarten und sich zu informieren. „Ich habe mich emotional und körperlich darauf vorbereitet“, schreibt sie.
„Anders als bei Brustkrebs gibt es bei Eierstockkrebs keine zuverlässige Früherkennung“, sagt Susanne Weg-Remers vom Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg. Weder eine Blutuntersuchung noch ein Ultraschall hätten einen erwiesenen Nutzen. Viele Ärzte raten deshalb betroffenen Frauen, mit etwa 40 Jahren die Eierstöcke entfernen zu lassen. Angelina Jolies Entscheidung sei medizinisch nachvollziehbar. Die überwältigende Mehrheit handelt ebenso, bestätigt Andrea Hahne, die Vorsitzende des BRCA-Netzwerkes. „Eierstockkrebs wird zu spät erkannt, meist erst in einem fortgeschrittenen Stadium“, sagt sie. Nur 20 bis 30 Prozent der Frauen hätten dann noch die Chance, geheilt zu werden. „Es ist die einzige Vorbeugung.“ Schwieriger sei die Situation für Frauen, bei denen unbekannt ist, welches Gen für die Häufung von Krebsfällen in der Familie verantwortlich ist.
Die Schauspielerin bekam nach einer Kontrolluntersuchung einen Anruf von ihrem Arzt. Die Blutwerte seien ein Alarmsignal, meinte er. Es folgten Ultraschall-Untersuchungen, Aufnahmen im Computertomografen – alles war unauffällig. Ein frühes Stadium von Krebs konnte trotzdem kein Arzt ausschließen. In dieser Situation wählte Jolie die Flucht nach vorn: Vor einer Woche wurden Eierstöcke und Eileiter entfernt. Auf einem Eierstock hatte sich ein kleines, gutartiges Geschwulst gebildet, sagten ihr die Chirurgen später. Kein Krebs.
Eine Mutation im BRCA-1-Gen heiße nicht automatisch, dass man ihren Weg gehen muss, betont die Schauspielerin. „Es gibt andere Optionen. Am wichtigsten ist es, die Alternativen zu kennen und das zu wählen, was für Sie richtig ist.“ Alle Risiken könne man ohnehin nicht beseitigen. „Ich neige weiter dazu, Krebs zu bekommen. Aber ich weiß, dass meine Kinder nie sagen müssen: Mama ist an Eierstockkrebs gestorben.“
Weitere Informationen gibt es unter: www.krebshilfe.de/brustkrebszentren.html und www.brca-netzwerk.de
Jana Schlütter