Starkregen und Sturm: Alarmstufe rot wegen Unwettern in Italien
Der Markus-Platz ist schon seit Sonntag überschwemmt. Doch der starke Regen hat Italien weiter im Griff.
„Wir erleben eine ungewöhnliche Welle von Extremwetter, in ganz Venetien herrscht Alarmstufe rot“, erklärte gestern der Präsident der nordöstlichen Region, Luca Zaia. Venedig erlebt in diesen Tagen wieder einmal „Acqua alta“, Hochwasser. Der Markus-Platz und die meisten Straßen der Lagunenstadt sind seit dem Wochenende überflutet. Und es könnte noch schlimmer kommen: „Laut den Wetterexperten entsprechen die Prognosen für den heutigen Abend den Wetterwerten des Hochwassers von 1966, als in unserer Region 135 Gemeinden überflutet wurden“, betonte Zaia. Die höchste Alarmstufe hat der Zivilschutz auch für die autonomen Provinzen Trentino und Südtirol sowie für die Regionen Lombardei, Friaul/Julisch-Venetien, Ligurien und einen Teil der Abruzzen verhängt. In Rom und in zahlreichen anderen Städten blieben die Schulen, Kitas und öffentlichen Parks gestern geschlossen.
Erdrutsche blockieren Straßen im ganzen Land
Extreme Regenfälle haben im ganzen Land zu Erdrutschen geführt. Die Brenner-Autobahn musste in der Nacht auf Montag deswegen geschlossen werden – und kaum war sie am Montag wieder für den Verkehr geöffnet worden, musste sie wegen einer Starkstromleitung, die auf die Fahrbahn zu stürzen drohte, erneut für den Verkehr gesperrt werden. Weil gleichzeitig auch die Staatsstrasse gesperrt war, riet der ADAC zur großräumigen Umfahrung des Brenners. Zahlreiche kleinere Alpenpässe wie der Stelvio, der Umbrail, die Forcola, sowie der Simplon-, Splügen- und der Malojapass sind für den Verkehr ebenfalls geschlossen worden. Angesichts der bereits erfolgten Verwüstungen und der bedrohlichen Prognosen hat die Regierung von Giuseppe Conte den nationalen Zivilschutz am Montagmittag in Alarmbereitschaft versetzt.
Tornado fegt Kirchengiebel hinweg
Starkregen und extreme Windstärken suchten auch die südlicheren Regionen heim. In der apulischen Weinstadt Manduria hat ein Tornado die Giebelfassade (Tympanon) der Kirche San Michele Arcangelo weggefegt. Die herabfallenden Steine mit einer Größe von Umzugskartons haben laut italienischen Medien benachbarte Geschäfte und parkierende Autos beschädigt. Zudem wurden in der Nachbarschaft der Kirche auch Balkone heruntergerissen sowie zahlreiche Bäume entwurzelt. In Reggio Calabria sind in der Nacht auf Montag innerhalb von wenigen Stunden mehr als 100 Liter Wasser pro Quadratmeter niedergegangen; die 200000-Einwohnerstadt im tiefsten Süden stand teilweise unter Wasser; Strom- und Telefonverbindungen wurden unterbrochen.
Bereits am Samstag – also zu Beginn der seit Tagen anhaltenden Unwetter – sind in der Nähe der kalabrischen Stadt Crotone vier Männer getötet worden. Laut italienischen Medien befanden sie sich in einem Graben von fünf Metern Tiefe, um eine vom Unwetter beschädigte Abwasserleitung zu reparieren. Dabei sind sie von einer Schlammlawine überrascht worden, die sie bei lebendigem Leibe begraben hat. Es handelt sich nicht um die erste Unwettertragödie in Kalabrien in diesem Jahr: Bereits im August waren in einer Schlucht des Nationalparks Pollino elf Badende und Wanderer von einem plötzlichen Hochwasser überrascht und getötet worden.
Weltuntergangsstimmung in Rom
Die Wetterlage in Italien war in diesen Tagen gekennzeichnet durch einen äußerst starken Scirocco, also einen warmen und feuchten Wind aus dem Süden. Montagnachmittag traf dieser auf kältere Luftmassen, die ein Tief von Nordwesten her gegen Italien steuerte. Das Aufeinandertreffen des Scirocco mit dem atlantischen Tief führte verbreitet zu regelrechter Weltuntergangsstimmung: Der Himmel färbte sich zuerst orange und dann braun; es wurde derart dunkel, dass die Straßenlaternen angingen. Anschließend entluden sich – bei Windgeschwindigkeiten von bis zu 100 Stundenkilometern heftige Gewitter. Der Scirocco hatte in Rom und in vielen anderen Gemeinden schon zuvor unzählige Bäume entwurzelt.
Die Oberflächentemperatur des Mittelmeers hat in diesem Sommer und Herbst erneut fast rekordhohe Temperaturen erreicht; damit verdunstet mehr Wasser, das sich dann in der Form von Starkregen über dem Festland entleert.
Unwetter auch in Kroatien
Die schweren Unwetter im Mittelmeerraum haben am Montag auch die kroatische Adria-Küste erfasst. Die Autobahnen rund um die nördliche Hafenstadt Rijeka wurden nach Medienberichten wegen Starkregens vorerst für den Verkehr gesperrt. Wegen Sturms mit Orkanböen fielen zwischen Dubrovnik und Rijeka zahlreiche Fährverbindungen vom Festland zu den Inseln aus. (mit dpa)