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Empörung programmiert: Kinder singen über die Oma als "Umweltsau" (Symbolbild)
© Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa

Rechtspopulistisch korrekt: Nicht das Lied des WDR-Kinderchors ist daneben, sondern die Debatte darüber

Der WDR lässt einen Kinderchor über die Oma als „Umweltsau“ singen. Daraufhin entwickelt sich eine hitzige Diskussion. Leider die falsche. Ein Zwischenruf.

Ein Zwischenruf von Benjamin Reuter

Von nachweihnachtlichem Frieden keine Spur im Netz. Stattdessen sollen Köpfe rollen, der öffentlich-rechtliche Rundfunk eingestellt und Deutschland vor einer linksgrünen Diktatur verteidigt werden. 

So jedenfalls konnte man es zigfach bei Twitter und Facebook in den vergangenen Stunden lesen. 

Und alles nur, weil ein Kinderchor im Auftrag des WDR mit Inbrust und sichtlicher Freude ein satirisches Lied über die Umweltfrevel der Großelterngeneration schmettert: "Meine Oma brät sich jeden Tag ein Kotelett, ein Kotelett, ein Kotelett, weil Discounterfleisch so gut wie gar nix kostet. Meine Oma ist ne alte Umweltsau."

Seit das Video im Web auftauchte, schwappt durch die sozialen Netzwerke eine Welle der Empörung, die offensichtlich auch große Teile einer konstruktiven Debattenkultur mit sich gerissen hat. 

Schade eigentlich. Denn die Aktion des WDR hätte tatsächlich ein guter Ausgangspunkt für eine wichtige Diskussion sein können.

“Fridays for Future” gegen die Großelterngeneration

Denn seit längerem hat mit dem Klimawandel ein Großthema das Zeug zum Generationenkonflikt: Alt gegen Jung, diese Auseinandersetzung war vielleicht zum letzten Mal bei der 68ern so virulent.

Vor allem diese 68er und ihre Altersgenossen sind es, die in den vergangenen Monaten die geballte Kritik der jungen Generation in Form von “Fridays for Future” getroffen hat und die Thema des umgedichteten Kinderliedes des WDR sind. Auch Greta Thunbergs anklagendes "How dare you" richtete sich an diese Generation.

Denn die Omas und Opas der Kinder, die dort singen, gehören keineswegs zur Aufbaugeneration und waren schon gar keine Nazis - außer vielleicht ein paar ewiggestrigen NPD-Wählern -, sondern Nachkriegskinder. 

Besonders klimafreundlich lebten und wirtschafteten die allermeisten von ihnen nicht (wie im übrigen auch ihre Kinder, also die Eltern der Chorkinder), wie man an der Entwicklung des CO2-Ausstoßes in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten sehen kann.

Und auch heute entsprechen die besungenen Omas eher nicht dem Klischee der gebrechlichen Rentnerin, die sich am Stock durchs Altenheim schleppt. Sondern viele von ihnen steigen rüstig in ihren SUV und machen es sich Abends am klimaschädlichen Kamin bequem.

Aber nicht alles war schlecht...

Auf der anderen Seite könnte man auch sagen: Ja, die Älteren überlassen den Jungen eine geschundene Welt; aber auch eine, die an vielen Stellen sehr viel umweltfreundlicher ist als noch Mitte des vergangenen Jahrhunderts – trotz des stark vermehrten Wohlstands, von dem auch die Jungen profitieren, die jetzt auf die Straße gehen.

[Mehr zum Thema: Martenstein über das WDR-Video - 2020 wird ein schwieriges Jahr, nicht nur für Omas]

Über dieses Erbe der 68er und die Folgen, die Pflichten der Jungen und die Verantwortung der Älteren ließe sich trefflich diskutieren.

Und wenn schon nicht darüber, dann könnte man auch - wenn auch zum hundertsten Mal - darüber sprechen, was Satire darf und kann und was nicht. Ziegenficker ja, Umweltsau nein?

Stattdessen toben sich User auf Twitter und Facebook mit Diktatur-Vergleichen aus, kuscht ein öffentlich-rechtlicher Sender vor der Wut im Netz und sogar der Ministerpräsident von NRW, Armin Laschet, schaltet sich ein und rügt die Sendeanstalt (darf und soll er das eigentlich?). Und schwupps hat Deutschland eine rechtspopulistisch korrekte Großdebatte, die völlig an den wirklich drängenden Zukunftsfragen vorbeigeht. Der Klimawandel ist eine deutlich größere Gefahr als die Entwicklung Deutschlands hin zu einer Diktatur á la Nordkorea.

"Es war ein Fehler, ich entschuldige mich ohne Wenn und Aber dafür", sagte WDR-Intendant Tom Buhrow in einer Sondersendung über das Kinderchor-Video. In der Klimapolitik sind solche Worte bisher nicht gefallen.

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