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Kritik am WDR: Können Neunjährige begreifen, was Satire ist?
© Oliver Berg/dpa

Martenstein über das WDR-Video: 2020 wird ein schwieriges Jahr, nicht nur für Omas

Unser Kolumnist fühlt sich vom Kinderchor, der für den WDR „Meine Oma ist 'ne alte Umweltsau“ sang, an die DDR erinnert. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Harald Martenstein

Der WDR 2 besitzt einen Kinderchor, in Dortmund. Ruhrpottmenschen zwischen 9 und 13 Jahren geben sich dort dem Liedgut hin. Nun hat der Sender einen Film gepostet, in dem die Kinder den Klassiker „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ mit neuem Text vortragen: „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad. Das sind tausend Liter Super jeden Monat. Meine Oma ist ‘ne alte Umweltsau“.

An anderer Stelle singen die Kinder: „Meine Oma brät sich jeden Tag ein Kotelett. Weil Discounter-Fleisch so gut wie gar nix kostet. Meine Oma ist ‘ne alte Umweltsau“. Zum Finale hört man die Stimme von Greta Thunberg, die auf englisch sagt: „Wir werden euch nicht damit davonkommen lassen.“ Die Kinder bewegen dazu synchron die Lippen.

Inzwischen, nach zahlreichen heftigen Reaktionen, hat der Sender den Film gelöscht. Es habe sich um Satire gehandelt. Den Vorwurf, Kinder zu instrumentalisieren, weist man zurück, ohne zu erläutern, was das denn anderes sein könnte. Nach meiner Erfahrung tun sich Neunjährige schwer damit, zu begreifen, was „Satire“ überhaupt ist.

Das neue Feindbild „Oma und Opa“ hatte vorher schon „Fridays for Future“ bedient, mit dem Tweet „Warum reden uns die Großeltern eigentlich immer noch jedes Jahr rein? Die sind doch eh bald nicht mehr dabei“. Später folgte eine Entschuldigung.

Wie lebt die deutsche Standardoma? Falls sie eine Durchschnittsrente hat, liegen ihre Umweltsünden deutlich unter dem Pegel eines durchschnittlichen Rundfunkredakteurs. Fernreisen und teure Anschaffungen kann sie sich nicht leisten, wohl auch kein Auto. Essen wirft sie nicht gern weg, Geschenkpapier hebt sie für nächstes Jahr auf. Womöglich benutzt die „alte Sau“ sogar eine Nähmaschine. Omas aller Länder, vereinigt euch!

[Mehr zum Thema: Nicht das Lied des WDR-Kinderchors ist daneben, sondern die Debatte darüber]

Die Sache erinnert mich, wegen ihrer Bigotterie, mal wieder an die DDR. Dort hat man den kleinen Leuten das Reisen und Westmedien verboten, während die politische Elite sich beides gestattete und Erich Honecker in Wandlitz Pornos schaute. In der Schule wurden die Kinder gefragt, ob zu Hause die „Tagesschau“ läuft.

Die Indoktrination und die politische Indienstname von Kindern gilt als Kennzeichen von autoritären Regimen. Die Familie ist der natürliche Feind jeder Politik, die „den ganzen Menschen“ will. Kinderchöre, die der Regierungspolitik huldigen und deren Gegner schmähen, gab es jeder Diktatur. 

Die Ziele können ja ehrenwert sein, „Sozialismus“ ist ein legitimes Ziel, Klimaschutz erst recht. Bei uns galt bisher das Tabu, dass kein Zweck jedes Mittel heiligt und man Kinder in Ruhe lässt. Das Tabu wirkt noch, dies zeigen die Entschuldigungen, aber es wackelt. 2020 wird ein schwieriges Jahr, nicht nur für Omas. Dieser Kolumnist macht jetzt einige Wochen Urlaub.

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