Mode: „Uli Richter revisited“ im Kunstgewerbemuseum: Nennen Sie mich Uli Richter
Die Ausstellung „Uli Richter revisited“ im Kunstgewerbemuseum widmet sich der Frage, wie junge Designer mit dem Werk des letzten lebenden Couturiers Berlins umgehen.
Am schönsten ist der Anfang. Durch einen schmalen Gang, der in Magentarot gestrichen und mit bunten Neonröhren beleuchtet ist, geht man direkt auf Uli Richter zu. Er sitzt auf einem Stuhl mit der Lehne nach vorn und grinst dem Besucher entgegen, fotografiert als junger Modeschöpfer, der dabei ist, die Welt zu erobern. So sieht Zukunft aus!
Das Foto ist wie die ersten Exponate der Ausstellung „Uli Richter revisited“ rund 50 Jahre alt. Man kann schon verstehen, warum es nur zehn Jahre nach der letzten Ausstellung über Uli Richter jetzt schon wieder eine Sonderschau gibt. Es macht viel Vergnügen, sich seine Kleider in die heutige Zeit zu denken, in der alte Mode, Vintage genannt, in jeden Stilblog gehört.
Auf einem langen Laufsteg stehen rund 20 Puppen mit Richters Entwürfen. Vom ersten dunkelblauen, noch recht braven Kleid, das er für das Modehaus Horn entwarf, bis zu den ausladenden, wild gemusterten Röcken der siebziger Jahre. Uli Richter hatte ein Händchen für Farben, das merkt man an dem curryfarbenen, scharf geschnittenen Kostüm ebenso wie am tomatenroten Wollkleid mit seitlichen Tascheneingriffen an den geschwungenen Nähten.
Dass im zweiten Teil der Ausstellung der Laufsteg nicht mehr gradlinig in eine Richtung zeigt, sondern in viele Teile zerlegt ist, passt zu den Entwürfen, die hier präsentiert sind. Die Modelle aus den 1990er Jahren stammen nicht mehr von Uli Richter selbst, sondern von den Studierenden, die er an der Hochschule der Künste unterrichtete. Da hatte er sein Modehaus längst dichtgemacht. Mode aus Berlin, das war vor 20 Jahren längst kein Versprechen mehr, sondern eine Rückschau auf glanzvolle Zeiten.
Das Vakuum in der Stadt kann man den sehr bunten Kleidern gut ansehen. So genau weiß der Betrachter nicht, was er mit den recht unterschiedlichen Entwürfen anfangen soll. Kurze Erklärungen würden weiterhelfen und das Interesse erhören. Zum Beispiel darüber, dass die Berliner Mode in dieser Zeit gerade im Dornröschenschlaf lag. Oder, etwas über die damaligen Studierenden wie zum Beispiel Grit Seymour. Sie ist heute Chefdesignerin beim Strumpfhersteller Wolford und Professorin in Berlin. Uli Richter nahm sie nach ihrer Flucht aus der DDR mitten im Semester auf, weil er ihre Begabung erkannte.
Das hat sich inzwischen gründlich geändert. Für den dritten und kleinsten Teil der Ausstellung haben aktuelle Berliner Designer Richters Entwürfe in die Gegenwart geholt. Neun Outfits stehen auf Puppen vor lebensgroßen Modefotografien von damals.
Uli Richter ist der Letzte einer Generation von Berliner Couturiers, der auch international erfolgreich war
Michael Sontag schuf einen grauen Mantel, weit und fließend wie das Original, dennoch vollkommen zeitgemäß, während die lange Jacke mit den großen Knöpfen von Nobi Talai eher wie eine Hommage mit Retro-Touch wirkt. Besonders gelungen ist das Ensemble aus Kleid und Mantel von Steinrohner, für das die Designerinnen ein perlenbesticktes Abendkleid mit Blumenmotiven zum Vorbild nahmen. Das taillierte ärmellose Kleid aus rosa und blau bedrucktem Polyesterstoff, der mit einer Beschichtung mit glitzernden Glaspartikeln versehen wurde, hat dieselbe zartpoetische Anmutung wie das Original und ist dabei modern und lässt die avantgardistische Handschrift von Inna Stein und Caroline Rohner erkennen. Als Richter beim Ausstellungsrundgang das Modell zum ersten Mal sieht, nickt er anerkennend.
Uli Richter ist der Letzte einer Generation von Berliner Couturiers, die nicht nur die deutsche Mode prägte, sondern international erfolgreich war. Der gebürtige Potsdamer, der seine Karriere 1948 im renommierten Modehaus Horn am Kurfürstendamm begann, traf mit seinen klaren Schnitten und ungewöhnlichen Materialien den Nerv der Zeit.
Anlässlich von Richters 90. Geburtstag zeigt das Museum die Ausstellung „Uli Richter revisited – Modedenker, Lehrer, Inspiration“. Der Designer lässt keinen Zweifel daran, dass ihm der Titel missfällt. „Revisited“, schnaubt er, „ich bin doch nicht tot.“ Tatsächlich wirkt er sogar ausgesprochen vital, als er auf die Fragen der Journalisten bei der Vorbesichtigung antwortet. Wobei, antworten kann man das nicht nennen. Er nimmt die Fragen eher als Stichwörter, um aus seinem Anekdotenschatz zu schöpfen.
Den Kuratorinnen ist es gelungen, Richters Arbeiten als Ausgangspunkt für die neue Geschichte der Berliner Mode zu nehmen
Er erzählt, wie er, „weißes Hemd, stahlblaue Augen und Trenchcoat“, 1958 in New York landete, um dort die Berliner Couture zu repräsentieren. Noch heute freut es ihn, dass er damals für einen Manager gehalten wurde. Er erzählt, wie er als Erster in Deutschland dunkelhäutige Models engagierte. Wie er sich in einen Dekostoff mit Rosenmuster verliebte und ihn zu einem Abendkleid verarbeitete. Diesen Stoff, aus dem er sich auch Vorhänge fertigen ließ, wollte er in der Ausstellung zeigen. Aber die Kuratorinnen Christine Waidenschlager und Katrin Lindemann hatten Einwände. „Da habe ich eine Wut gekriegt und gesagt: Jetzt mache ich eine Replik“, sagt er und zeigt grinsend auf ein Kleid aus dem besagten Stoff, das, auf eine Puppe drapiert, neben ihm steht.
Als die Staatlichen Museen 2005 Richters Sammlung mit 600 Couture-Modellen und Tausenden von Fotos und Zeichnungen übernahm, gehörte es zur Abmachung, seine Arbeiten regelmäßig dem Publikum zu präsentieren. Den Kuratorinnen ist es gelungen, Richters Arbeiten als Ausgangspunkt für die neue Geschichte der Berliner Mode zu nehmen.
- Bis zum 5. März 2017 im Kunstgewerbemuseum, Kulturforum, Matthäikirchplatz, Tiergarten