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Iranische Demonstrant*innen versammeln sich um ein brennendes Motorrad bei einem Protest gegen die Erhöhung von Benzinpreisen.
© AFP

Amnesty beklagt „brutales und tödliches" Vorgehen: Mehr als 100 Tote bei Protesten in Iran

Kaum eine Information dringt seit Beginn der Proteste gegen erhöhte Benzinpreise aus Iran. Doch laut Amnesty International gehen die Behörden sehr brutal vor.

Der Menschenrechtsorganisation Amnesty International liegen nach eigenen Angaben glaubwürdige Berichte vor, wonach bei den Protesten im Iran mehr als hundert Demonstranten getötet wurden. Die wahre Opferzahl könne sogar noch höher liegen, erklärte Amnesty am Dienstag. Das UN-Menschenrechtskommissariat rief die iranischen Sicherheitskräfte zur Zurückhaltung auf. Die Berichte über den Einsatz scharfer Munition sowie eine "bedeutende Zahl von Toten" seien alarmierend.

Glaubwürdigen Berichten zufolge seien bei den Protesten gegen die Benzinpreiserhöhung in den vergangenen Tagen in 21 iranischen Städten mindestens 106 Demonstranten getötet worden, teilte Amnesty International mit. Die Sicherheitskräfte hätten "grünes Licht erhalten", die am Freitag begonnenen Proteste niederzuschlagen.

Die NGO berief sich auf "überprüfte Videoaufnahmen, Zeugenaussagen von Leuten vor Ort" sowie Informationen von Menschenrechtlern außerhalb des Iran. In einigen Berichte sei sogar von bis zu 200 Todesopfern die Rede, erklärte Amnesty. Die Menschenrechtsorganisation rief die iranischen Behörden auf, das "brutale und und tödliche" Vorgehen gegen Demonstranten sofort zu beenden.

Auch die Uno äußerte sich besorgt. Wegen der Abschaltung des Internets seien die Berichte über Opfer schwer zu überprüfen, sagte Rupert Colville, Sprecher des UN-Menschenrechtskommissariats in Genf. Berichte iranischer Medien und anderer Quellen deuteten aber darauf hin, dass dutzende Menschen getötet und viele weitere verletzt worden seien. Bei den Protesten in mindestens acht Provinzen seien zudem mehr als tausend Demonstranten festgenommen worden.

"Wir rufen die iranischen Behörden und Sicherheitskräfte auf, den Einsatz von Gewalt zur Auflösung friedlicher Versammlungen zu vermeiden", sagte Colville. Zugleich mahnte er die Demonstranten, auf Gewalt und die Zerstörung von Eigentum zu verzichten. Bei den seit Freitag andauernden Protesten gegen die Anhebung der Benzinpreise waren Tankstellen, Bankfilialen und Polizeiwachen beschädigt oder in Brand gesetzt worden.

Nach Angaben von Staatsmedien wurden zudem ein Mitglied der Revolutionsgarden und zwei Angehörige der Bassidsch-Miliz westlich der Hauptstadt Teheran in einem "Hinterhalt" von "Randalierern" mit Messern und Macheten getötet. Damit steigt die offizielle Opferzahl auf mindestens fünf, nachdem zuvor ein Demonstrant und ein Polizist getötet worden waren.

Regierung schaltete das Internet fast komplett ab

Es ist die größte Protestwelle seit dem Winter 2017/18, als 25 Menschen getötet worden waren. Auch damals hatten sich die Proteste an der schwierigen wirtschaftlichen Lage im Iran entzündet, der wegen der US-Sanktionen in eine tiefe Rezession gerutscht ist. Auslöser der jüngsten Proteste war die umstrittene Entscheidung der Regierung von Präsident Hassan Ruhani am Freitag, die Benzinpreise drastisch zu erhöhen.

Um die Koordination der Demonstranten zu erschweren und zu verhindern, dass Bilder der Proteste an die Öffentlichkeit gelangen, schaltete die Regierung das Internet praktisch komplett ab. Ein Regierungssprecher sagte, das Internet werde nach und nach in Provinzen wieder angeschaltet werden, in denen es "nicht missbraucht" werde. Ein Justizsprecher rief die Bevölkerung auf, Unruhestifter den Behörden zu melden.

Protest gegen die Randalierer

In Tabris und Shahr-e Kods demonstrierten zahlreiche Menschen am Dienstag gegen die "Randalierer". "Proteste sind das Recht des Volkes, Randale sind das Werk der Feinde", riefen sie in der nordwestlichen Großstadt Tabris laut der Nachrichtenagentur Fars. In Teheran sahen AFP-Reporter im Zentrum zwei ausgebrannte Tankstellen und eine zerstörte Polizeiwache. Hunderte Polizisten sicherten zentrale Plätze mit Wasserwerfern.

Hintergrund der Krise im Iran ist der Streit um das Atomprogramm des Landes. US-Präsident Donald Trump war im Mai 2018 aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen und hatte im Zuge einer Politik des "maximalen Drucks" neue Finanz- und Handelssanktionen verhängt. Der Iran begann daraufhin im Mai dieses Jahres mit dem schrittweisen Rückzug aus der Vereinbarung und weitete sein Atomprogramm nach und nach aus.

Erst am Sonntag überschritt der Iran die zulässige Menge der Schwerwasserbestände. Vergangene Woche hatte Teheran zudem die Urananreicherung in der unterirdischen Anlage Fordo wiederaufgenommen. Die USA verkündeten daraufhin am Montag, die bisher für Fordo gewährten Ausnahmen von den Sanktionen zu beenden. Damit soll die Arbeit des russischen Energiekonzerns Rosatom dort verhindert werden. (AFP)

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