Schwieriger Neuanfang bei "Charlie Hebdo": Zurückhaltung bei neuen Mohammed-Karikaturen
Der neue "Hebdo"-Chef Laurent Sourisseau muss neue Zeichner finden. Das finanzielle Überleben ist fürs Erste gesichert
Für "Charlie Hebdo" wird der 7. Januar 2015 für immer eine blutige Zäsur bleiben. Jener Tag, an dem zwei schwerbewaffnete Islamisten beim
Angriff auf die französische Satirezeitung zwölf Menschen erschossen, die bekanntesten Zeichner des Blattes kaltblütig hinrichteten. Doch zum Schweigen bringen konnten
die Angreifer die Wochenzeitung nicht, im Gegenteil: "Charlie Hebdo" ist so bekannt wie nie zuvor, eine Ausgabe "der Überlebenden" fand reißenden Absatz. Die
Satirezeitung steht jetzt vor einem schwierigen Neuanfang, der noch von vielen Fragezeichen begleitet wird.
Dass es weitergehen soll, daran haben die Verantwortlichen der Zeitung nie einen Zweifel gelassen, auch wenn viele der Überlebenden sich zunächst nicht vorstellen konnten, nach dem Blutbad jemals wieder einen Zeichenstift in die Hand zu nehmen. Doch schon eine Woche nach dem Attentat erschien - getragen von einer weltweiten Welle der Solidarität - eine neue "Charlie Hebdo"-Ausgabe, die millionenfach verkauft wurde.
Der Zeichner Riss, dem die Attentäter in die Schulter schossen, hatte noch im Krankenhaus Karikaturen für die Ausgabe der Überlebenden angefertigt. "Weitermachen
ist die beste Antwort", sagte der 48-Jährige, der nach dem Mord an seinem Kollegen Charb die Leitung der Satirezeitung übernahm. "Wir werden das machen, was wir
können. Wir werden nicht etwas anderes erfinden. Wir sind eine satirische und humoristische Zeitung, wir machen weiter." Wann die nächste "Charlie Hebdo"-Ausgabe
erscheinen wird, steht noch nicht fest - "in den kommenden Wochen" heißt es immer wieder. Die Mitarbeiter der Satirezeitung brauchen Zeit, um sich vom Schock der
Anschläge zu erholen, die meisten stehen zudem unter Personenschutz.
Für "Charlie Hebdo" geht es vor allem darum, den Verlust berühmter, ja legendärer Karikaturisten wie Charb, Cabu, Tignous und Wolinski zu ersetzen, die im Kugelhagel der Islamisten starben. "Es sind Schwergewichte gestorben, und wir werden nicht von heute auf morgen wieder so außergewöhnliche Leute finden", meint Riss. Es müsse quasi "eine neue Generation von Zeichnern" rekrutiert werden.
13 Millionen Euro helfen die Zukunft sichern
Das finanzielle Überleben der Wochenzeitung, die stets an der Pleite entlanggeschrammt war, ist jedenfalls fürs Erste gesichert. Der Verkauf von mehr als sieben Millionen Exemplaren der nach dem Anschlag veröffentlichten "Charlie Hebdo"-Ausgabe dürfte mehr als zehn Millionen Euro in die Kassen der Satirezeitung spülen. Zusammen mit Spenden und einer Finanzzusage des französischen Kulturministeriums dürften es mehr als 13 Millionen Euro werden.
Doch bei "Charlie Hebdo" dürfte allen klar sein, dass die Zahl der Leser rasch wieder schrumpfen wird, wenn in Frankreich der Alltag zurückkehrt, die Erinnerung an die Anschläge verblasst. "Was die nächste Ausgabe für eine Auflage haben wird, ist die große Frage", sagt ein Kenner der französischen Pressewelt. "Man wird sie natürlich nicht mit den sieben Millionen vergleichen können, aber auch nicht mit der 60.000-Auflage vor dem Anschlag, denn die Zahl der Abonnenten ist explodiert." Als sicher gelten darf: Es wird bei "Charlie Hebdo" weiter bissige Karikaturen, derben Humor und bitterbösen Spott geben, auch gegen Religionen. Für Kontinuität sorgt schon der neue Chef Riss, mit richtigem Namen Laurent Sourisseau, der das Blatt bereits in den vergangenen Jahren zusammen mit Charb geleitet hatte. "'Charlie Hebdo' war immer dem Kampf für die Laizität verbunden", betont Riss. "Daran wird sich nichts ändern." Zumindest bei den besonders umstrittenen Mohammed-Karikaturen, die immer wieder den Zorn von Muslimen provoziert hatten, will "Charlie Hebdo" aber offenbar eine Pause einlegen. Auf die Frage eines Radiomoderators, ob in der nächsten Ausgabe wieder eine Karikatur des Propheten abgedruckt werde, antwortete Riss kürzlich: "Wahrscheinlich nicht." AFP