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„Je suis Charlie“: In 300 Bildern haben sich Karikaturisten mit den Anschlägen auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ und dem islamistischen Terror beschäftigt. Anlass war der Preis für die besten politischen Fotografien und Karikaturen des vergangenen Jahres. Die Litfaßsäule mit den nachgereichten Karikaturen steht im Foyer des Bundesverbandes der Zeitungsverleger.
© Thilo Rückeis

Karikaturisten nach "Charlie Hebdo": Schere im Kopf? Stecken lassen!

"Wenn ich da einknicke, muss ich ganze Teile der Weltpolitik ausklammern", sagt Klaus Stuttmann. Wie deutsche Karikaturisten nach dem „Charlie Hebdo“-Anschlag ihrer Arbeit nachgehen.

Die Haltung der hessischen Stadt Hanau zu kritischen Karikaturen lässt sich in einem Wort beschreiben: schwankend. Geplant war eine Ausstellung von Zeichnungen der Karikaturisten Achim Greser und Heribert Lenz, Lesern der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ besser bekannt als „Greser & Lenz“. Von der Schau, die bereits andernorts gezeigt wurde, versprach sich Hanau ein kostengünstiges, gewinnbringendes Kulturstatement. Eigentlich. Aber nach dem „Charlie Hebdo“-Anschlag in Paris? Da war man sich in Hanau nicht mehr so sicher.

Die Ausstellung wurde abgesagt, nicht zwingend aus grundsätzlicher Angst vor weiteren Attentaten, sondern aus finanziellen Erwägungen: Die Sicherheitsmaßnahmen würden zu viel Geld kosten, hieß es. Greser & Lenz waren nicht begeistert, meckerten aber nicht allzu laut. Das übernahm die Presse, allen voran die arbeitgebende „FAZ“. Jetzt soll die Ausstellung doch gezeigt werden: Der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky erteilte der Absage eine Absage. Einer der Gründe war der öffentliche Druck. Außerdem stellte sich heraus, dass insbesondere islamkritische Karikaturen nur einen Bruchteil der Schau ausmachen. Greser selbst sagte, die Ausstellung sei keinesfalls als „Jetzt erst recht“-Aktion gedacht gewesen. Folge: Oberbürgermeister Kaminsky stellte fest, dass die Schau bis vor kurzem sträflicherweise nicht als „Chefsache“ behandelt worden und Hanau „bunt, weltoffen und mutig“ sei. Deshalb werden die Zeichnungen nun doch ab 14. März gezeigt.

Vor neun Jahren hatte Tagesspiegel-Karikaturist Klaus Stuttmann nach Drohungen untertauchen müssen: Wegen einer Karikatur, in der vier iranische Fußballspieler mit Sprengstoffgürteln zu sehen waren. Damals habe die Bedrohung abstrakt gewirkt, nach „Charlie Hebdo“ sei sie im Nachhinein viel realer, sagt er. An seinen Arbeiten habe sich dennoch nichts geändert. „Wenn ich da einknicke, muss ich einen ganzen Teil der Weltpolitik ausklammern. Das kann nicht sein.“ Stuttmann wurde am Montag vom Bundesverband der Zeitungsverleger mit dem Karikaturenpreis 2014 ausgezeichnet. „Satire in Wort und Bild genießt in Deutschland eine ungeheure Freiheit und hervorragenden Schutz – und das muss so bleiben“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Dietmar Wolff, anlässlich der Preisverleihung in Berlin.

„Wie kann ich mich einschränken lassen, wenn zur gleichen Zeit viele Karikaturisten in der islamischen Welt wegen ihrer Arbeit ganz andere Konsequenzen fürchten müssen?“, fragt Stuttmann. Zugleich macht er deutlich, dass seine Zeichnungen – zuletzt hatte er den neuen saudischen Herrscher mit Peitsche und blutigem Schwert dargestellt – nicht die Religion Islam zum Thema hätten. „Mit Mohammed habe ich nur dann etwas zu tun, wenn seine Religion missbraucht wird.“ Reiner Schwalme, ebenfalls Karikaturist des Tagesspiegel, sah sich ebenfalls schon einmal in der Situation, dass eine komplett durchorganisierte Ausstellung nicht zustande kam. Im Hauptgebäude der Vattenfall-Zentrale in Cottbus sollten Karikaturen von ihm ausgestellt werden. Das Unternehmen legte ihm jedoch nahe, auf zwei Zeichnungen zu verzichten. Der Anlass sei lächerlich gewesen, so Schwalme. In einer der Karikaturen war zu sehen, wie drei Vögel nach dem Flug über mehrere Schornsteine nicht mehr bunt, sondern schwarz waren. In der anderen wiederum demonstrierte Gevatter Tod vor Schornsteinen mit einem Plakat „Rettet CO2“. Schwalme gab nicht nach, die Ausstellung platzte.

„Ich habe keine Schere im Kopf nach den Anschläge von Paris“, sagt Schwalme und verweist darauf, dass er als „Ossi“ jahrelang mit Verboten zu kämpfen hatte. Durch die Anschläge auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ habe sich seine Arbeit nicht geändert, auch wenn er gut verstehen könne, wenn andere Karikaturisten nach den Morden an den Kollegen der Zeichenfinger juckt. Er aber will an seinen Grundsätzen festhalten. Dazu gehört, sich in den Zeichnungen mit realen politischen und gesellschaftlichen Problemen zu beschäftigen. „Auf Provokationen verzichte ich, das wäre l’art pour l’art“, sagt Schwalme.

Dieter Hanitzsch, Karikaturist der „Süddeutschen Zeitung“, sieht das ähnlich. „Jeder Karikaturist, der sagt, er denke nicht über den Anschlag von Paris nach, lügt oder hat sie nicht alle beieinander.“ Aber: „Ich bin da unerbittlich und war noch nie anders: Was erlauben sich diese Leute, uns ihre Vorstellungen aufzwingen zu wollen?“ Für Hanitzsch, selbst nicht religiös, bedeutet das: Es muss weiterhin möglich sein, auch den Propheten Mohammed zu karikieren – ohne Wenn und Aber. Mit Wut seitens streng religiöser Muslime kann er umgehen: „Sollen sie halt beleidigt sein. Nur erschießen sollen sie mich bitte nicht.“ Die Bedenken bezüglich einer Ausstellung wie der seiner Kollegen Greser & Lenz in Hanau versteht er trotzdem: „Da muss man im Sinne des Veranstalters überlegen. Nur man selbst als Karikaturist darf das nicht. Die viel zitierte Schere im Kopf: Ich sage immer, man darf sie nicht schneiden lassen. Besser, sie bleibt einfach im Kopf stecken. Satire darf alles, solange sie gut ist“.

Auch Karikaturist Jürgen Tomicek, der seine Zeichnungen unter anderem im „Münchner Merkur“ und der „Kölnischen Rundschau“ veröffentlicht, sagt, er arbeite seit den Anschlägen nicht anders. Stattdessen zeichne er weiter nach seinem bisherigen Grundsatz: Dass die Karikatur wichtig für die Pressefreiheit sei; dass dies den Zeichner aber nicht dazu berechtige „wild um sich zu schlagen“. Das Recht zu veröffentlichen bringe auch Pflichten mit sich.

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