TV-Serie "Der Anschlag": Zurück nach Dallas
In der Fox-Serie „Der Anschlag“ will Stephen King US-Präsident John F. Kennedy retten. Ein Highschoollehrer wird dazu zurück in die Vergangenheit geschickt.
Der Schnellimbiss von Al Templeton scheint irgendwie aus der Zeit gefallen. Die Resopaltische im Innern des Diners im klassischen Winnebago-Stil und die weinroten Plastikbezüge der schlichten Bänke passen eher in die zweite Hälte des vergangenen Jahrhunderts als in die USA von heute. Einer der treuesten Gäste von Templeton ist der Highschoollehrer Jake Epping (Golden-Globe-Gewinner James Franco). Eines Tages, Al Templeton hat offenbar von jetzt auf gleich Krebs im Endstadium bekommen, erzählt der Dinerbesitzer seinem Gast und Freund, dass es mit seiner Kammer eine ganz besondere Bewandtnis hat.
Templeton nennt den Raum Kaninchenbau. Auf unerklärliche Weise verbindet er die Gegenwart mit der Vergangenheit des Jahr 1960. Als er dies begriffen habe, sei er mehrfach dorthin gereist, immer mit dem einen Ziel: das Attentat auf John F. Kennedy im Jahr 1963 zu verhindern, erzählt der Imbissbudenbesitzer. Doch der Krebs sei ihm dazwischengekommen, Jake Epping soll nun an seiner Stelle den Lauf der Geschichte verändern. So beginnt die achtteilige US-TV-Serie „11.22.63 – Der Anschlag“, die beim Pay-TV-Sender Sky in Deutschland im Fox-Kanal angekommen ist.
Hinter der Serie steht niemand anderes als Stephen King, der unermüdliche amerikanische Autor, der seit über 40 Jahren einen Roman nach dem anderen veröffentlicht und es dabei wie wohl kein anderer schafft, ganz tief in die Welt seiner Figuren einzutauchen. Auch mit „Der Anschlag“ von 2012 gelingt es King, eine an sich absurde Story so plausibel wie möglich zu beschreiben, dass sich der Leser bereits auf den ersten Seiten voll und ganz darauf einlassen kann.
Genau das gelingt auch der TV-Serie. Für Jake Epping ist es beinahe wie mit der Mondlandung: ein kleiner Schritt für einen Menschen und ein großer ..., aber das ist bekannt. Sein Schritt im Kaninchenbau befördert ihn mitten ins Leben des Jahres 1960, auf eine belebte staubige Straße. Die Autos sind groß und modelliert wie Kunstwerke, erwachsene Männer tragen kurze Haare und Anzüge, das Essen schmeckt viel besser als in der Gegenwart und irgendwie kostet alles nur ein paar Cent. So viele Bedenken Epping anfangs auch gehabt haben mag, sich auf dieses Abenteuer einzulassen, so schnell lebt er sich ein in dieser neuen alten Welt, arbeitet zwischenzeitlich sogar in seinem alten Beruf und lernt dabei mit Sadie (Sarah Gadon) die Liebe seines Lebens kennen. So dauert es nicht lange, bis er für sich erkennt, dass dies möglicherweise das bessere Amerika ist, ein Land, in dem nicht alles reguliert ist und das noch keine flächendeckende Überwachung kennt. Die TV-Serie „Der Anschlag“ ist somit zugleich eine Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, wie es sie nicht mehr gibt. Produziert wurde sie unter anderem von J. J. Abrams („Star Wars: Das Erwachen der Macht“), das Drehbuch stammt von Bridget Carpenter.
Für Epping ist es das bessere Amerika
King geht es nicht allein darum, mit einer alternativen Vergangenheit zu spielen, in der das Attentat auf JFK hätte verhindert werden können. In diesem Fall hätte es gereicht, seinen Zeitreisenden kurz vor dem 22. November 1963 nach Dallas zu schicken, um Lee Harvey Oswald (Daniel Webber) kurz vor den Schüssen auf den Präsidenten im Schulbuchlager zu stellen und ihm das Gewehr aus der Hand zu schlagen – vorausgesetzt, es hat sich bei ihm wirklich um einen Einzeltäter gehandelt, woran es nicht erst seit Oliver Stones Film „JFK“ bekanntermaßen große Zweifel gibt.
Nein, Stephen King schickt Jake Epping ins Jahr 1960. Kennedy tourte noch von Wahlkampfauftritt zu Wahlkampfauftritt. Lee Harvey Oswald war ebenfalls noch nicht einmal auf der Bildfläche erschienen, er weilte in diesem Jahr in der Sowjetunion. Dabei hat Epping doch einige wichtige Fragen zu klären: Handelte Oswald allein, war er überhaupt der Todesschütze oder ein ganz und gar unschuldiger Sündenbock?
Jake Epping bleibt also nichts anderes übrig, als drei Jahre lang in die Rolle eines US-Amerikaners der 1960er Jahre zu schlüpfen, der allerdings deutlich mehr erlebt als der Durchschnittsbürger. Eines der Erfolgsgeheimnisse von Stephen King ist sicherlich, dass selbst in den abstrusesten Umgebungen die Logik nicht außer Kraft gesetzt wird. Egal wie irre das Konstrukt, in sich ist alles schlüssig und in Roman und TV-Serie überdies hochspannend erzählt.
„11.22.63 – Der Anschlag“, Fox über Pay-TV-Sender Sky