Mehr Sendezeit für RBB-Magazin "Täter Opfer Polizei": „Wir haben selbst im Gefängnis eine gute Quote“
Die Fahndungssendung „Täter Opfer Polizei“ mit Uwe Madel erhält durch die RBB-Programmreform einen zusätzlichen Sendeplatz. Der wird vor allem für die Verbrechensprävention genutzt.
Die Sendung „Täter Opfer Polizei“ gibt es im RBB-Fernsehen ab jetzt an gleich zweimal. Zum bekannten Sendeplatz am Sonntagabend bekommt die Fahndungssendung des Rundfunk Berlin-Brandenburg nun einen zweiten Platz am Mittwoch hinzu. Moderator Uwe Madel wird für die neue Sendung sogar zum Außenreporter. Für die erste Sendung am neuen Platz hat er sich mit versteckter Kamera in eine Fußgängerzone in Potsdam begeben und beobachtet, wie sich Menschen verhalten, die gerade Zeuge eines Fahrraddiebstahls werden. Das Thema ist jahreszeitbedingt hochaktuell. Die Diebstahlzahlen steigen, die Aufklärungsquote bleibt minimal. „Liegt das vielleicht auch daran, dass wir einfach wegschauen?“, fragt Madel. Auf die meisten Menschen trifft das zwar zu. „Aber es haben viel mehr Leute reagiert, als wir vorher dachten“, erzählt Madel.
„Mit Hilfe eines Präventionsexperten wollen wir in der Sendung aber auch zeigen, wie man sich in einer solchen Situation richtig verhält. Schließlich ist das nicht ganz ungefährlich“, schlägt Madel den Bogen. Prävention, das erfahren wir, ist das zentrale Element der Mittwochssendung. Das zweite ist das neue Studio auf dem RBB-Gelände in Potsdam-Babelsberg mit seiner nagelneuen Einrichtung und modernster Technik.
Das erste Studio überhaupt
Für „Täter Opfer Polizei“ ist es das erste Studio überhaupt, bislang stand Madel für seine Moderationen vor einer grünen Wand, auf die nachträglich die Hintergründe elektronisch projiziert wurden. Nun haben drei Kameras die Szenerie unter Beobachtung. Unter der Decke hängt mehr Lichttechnik als früher im Republikpalast, um unter anderem die Sitzecke richtig auszuleuchten, in der Madel nun Polizeiermittler, Staatsanwälte, Rechtsmediziner oder Sicherheitsexperten, aber auch Betroffene und Opfer von Verbrechen zum Gespräch treffen kann.
Der neue Sendeplatz und das neue Studio gehören zur Programmreform des RBB-Fernsehens. Kern der von Intendantin Patricia Schlesinger angestoßenen Neuerungen ist es, das Hauptabendprogramm des Fernsehens aus dem Quotenkeller zu führen. Während bei „Super.Markt“ mit Moderatorin Janna Falkenstein als Nachfolger von „Wirtschaft Arbeit Soziales“ eine komplett neue Sendung entwickelt wurde, sind bei „Täter- Opfer-Polizei“ Titel und Moderator geblieben. „Top“, wie die Sendung auch kurz heißt, gibt es inzwischen seit 25 Jahren. Madel war von Anfang an dabei. Bei einem Marktanteil von durchschnittlich elf Prozent – im RBB-Fernsehen laufen ansonsten nur noch die beiden Nachrichtensendungen „Abendschau“ und „Brandenburg aktuell“ besser – gab es wenig Änderungsbedarf.
Der gelernte Sendeplatz von „Top“ am Sonntagabend um 19 Uhr wird beibehalten. An diesem Tag wird künftig auch über Fälle außerhalb Berlins und Brandenburgs berichtet. Der neue Mittwochsplatz um 21 Uhr ist kein einfacher Sendetermin, weiß Uwe Madel: „Wir konkurrieren nicht nur mit ,Aktenzeichen XY ... ungelöst‘, sondern auch mit Champions und Europa League. Aber wir nehmen die Herausforderung sportlich“, sagt der 51-jährige Moderator.
Ein Thema der ersten 45-Minuten-Sendung am Mittwoch: Wie sicher ist die sogenannte P4-Verglasung? Kann man mit einem großen Vorschlaghammer eine so geschützte Terrassentür einschlagen? Neben solchen klassischen Themen aus dem Bereich Einbruch- und Diebstahlschutz sollen künftig auch Themen behandelt werden, die komplexer sind. So wie die Cyberkriminalität. Zur besseren Anschaulichkeit sind Live-Demonstrationen mit den Multimedia-Experten des RBB geplant. Das neue Studio mit seinen halbtransparenten Videowänden und dem Platz, um Tatwerkzeuge und Beweismittel zu zeigen, bietet die nötigen Möglichkeiten.
Eine weitere neue Rubrik am Mittwoch werden große Kriminalfälle sein. Anders als die historischen Fälle, die der RBB in einer kleinen Reihe vorgestellt hat, wird es sich um Cold Cases aus der Nachwendezeit handeln, die sich in Berlin und Brandenburg ereignet haben. Aus kriminalistischer Sicht stellen die beiden Bundesländer ohnehin eine Einheit dar. „Den Vieh- und Landmaschinendiebstahl gibt es zwar in Berlin nicht, aber viele Banden aus Berlin verüben ihre Einbrüche im Speckgürtel, während andere Verbrecher Brandenburg als Rückzugsraum nutzen“, so Madel.
"Das lässt Sie nicht mehr los"
Für den Brandenburger ist „Täter Opfer Polizei“ mehr als eine x-beliebige journalistische Arbeit. „Wenn Sie einmal erlebt haben, wie Sie durch einen Beitrag helfen konnten, dass ein Verbrechen aufgeklärt werden konnte, dass eine Familie endlich Gewissheit über das Schicksal eines Opfers bekam, wenn ein Vermisster wieder aufgetaucht ist, das lässt Sie nicht mehr los“, beschreibt er die Besonderheit seiner Arbeit. Neben der TV-Tätigkeit moderiert Madel Fachveranstaltungen wie zuletzt eine Konferenz in Brandenburg an der Havel zum Thema Reichsbürger. Die Polizei weiß, was sie an ihm hat, entsprechend fallen die Würdigungen aus: 2011 erhielt er die Goldene Kripomarke des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, 2012 ernannte ihn die Brandenburger Polizei zum Ehrenkommissar.
Der Dialog funktioniert in beide Richtungen, Madel benötigt für seine Sendung die Kooperationsbereitschaft der Polizei, die wiederum um die Bedeutung des erfolgreichen TV-Formats für ihre Ermittlungstätigkeit weiß. „Die Polizei ist zunehmend bereit, schneller mit Fahndungsbildern in die Öffentlichkeit zu gehen“, sagt Madel. In Berlin gab es dadurch zuletzt einige Fahndungserfolge wie bei dem sogenannten U-Bahn-Treter. Wie erfolgreich „Top“ tatsächlich ist, lässt sich schwer sagen. Eine genaue Statistik gibt es nicht – nach Madels Schätzung werden zwanzig Prozent der Fälle, die in der Sendung behandelt wurden, aufgeklärt. Darunter auch solche, die schon länger zurückliegen, wie bei dem Touristen, der 2015 am U-Bahnhof Schlesisches Tor brutal zusammengeschlagen wurde. Die Veröffentlichung von Bildern – obwohl sehr unscharf – führte dazu, dass die Täter zwei Jahre später erkannt wurden. „Und sich dann gestellt haben“, erzählt Madel. „Wir haben selbst in den Haftanstalten eine relativ hohe Einschaltquote“, weiß der TV-Moderator. Auch Täter, die noch nicht hinter Gitter gelandet sind, sehen offenbar das Format. Die Mitglieder der sogenannten Headset-Bande, die ihre Raubzüge mit solchen Kopfhörern organisiert hatten, fühlten sich nach einem Bericht erkannt und wechselten zu Handys. „Das war ihr Fehler, denn diese Geräte konnten geortet werden.“
Die Mutter aller TV-Fahndungssendungen ist auch für Madel „Aktenzeichen XY ... ungelöst“. Madel hat seinen Moderatorenkollegen Rudi Cerne öfter getroffen, „da ist großer Respekt vorhanden“. Während sich „Aktenzeichen“ um die großen Fälle mit bundesweiter Beachtung kümmert, will „Täter Opfer Polizei“ die Lebenswirklichkeit in der Region abbilden. Die Sendung entstand 1992 vor dem Hintergrund einer großen Angst. Nach der Wende gab es in Ost-Berlin und Brandenburg plötzlich ganz neue Verbrechensformen. Und neue Formen, darüber zu berichten. Aber auch heute noch wollen sich die Zuschauer in ihren Sorgen wahrgenommen fühlen. „Wir docken dort an, wo die Menschen betroffen sind, in der Alltagskriminalität. Die Zuschauer haben eher mit Wohnungseinbruch, EC-Kartendiebstahl oder Tricktätern vor der Tür zu tun als mit Raubmord.“ Vergleichbare Regionalsendungen gibt es im öffentlich-rechtlichen Fernsehen aktuell nur noch mit „Kripo live“ vom MDR.
Doch wie weit reicht der Programmauftrag? Was ist, wenn die Polizei in Verdacht gerät? Im Fall des Terror-Attentäters vom Breitscheidplatz wird von „Strafvereitelung im Amt“ gesprochen. Ist auch dies ein Thema für „Täter Opfer Polizei“? „Es ist nicht unser primärer Anspruch, investigativ Missstände bei der Polizei aufzudecken. Aber wir verschließen die Augen nicht davor“, sagt dazu Uwe Madel. „Wir sind keineswegs Polizei-unkritisch.“
Wie über Straftäter mit Migrationshintergrund berichtet wird, dazu hat die zwölfköpfige Redaktion ebenfalls eine klare Haltung. „Wir haben immer Wert darauf gelegt, dass wir Ross und Reiter nennen. Wenn der Täter Ali heißt, heißt er bei uns Ali. Und wenn er Fritz heißt, heißt er Fritz.“ Madel betont, dass sich „Täter Opfer Polizei“ an der Realität orientiert. „Als nach der Öffnung der Schengen-Grenzen die Einbruchszahlen in den grenznahen Regionen stiegen, wurden die höheren Fallzahlen nicht bekannt gegeben“, ruft Madel das Jahr 2007 in Erinnerung. „Wenn die Lage nicht so geschildert wird, wie die Menschen das wahrnehmen, dann werden damit die Rechten stark gemacht. Die AfD ist ja nicht stark geworden, weil es mehr Einbrüche gab, sondern weil sich die Leute nicht ernst genommen fühlten.“ Die Politik habe dies erst nach Köln begriffen. Fest steht: Für „Täter Opfer Polizei“ gibt es genügend Aufklärungsbedarf.
„Täter Opfer Polizei“, RBB, Mittwoch um 21 Uhr und Sonntag um 19 Uhr