Mediennutzung: Wie informieren sich die Berliner über Berlin?
Online first in der Hauptstadt: Das Netz ist den Berlinern das wichtigste Medium für Lokales. Anders sieht es in Brandenburg aus, wie eine MABB-Studie zeigt.
Berlin streitet über Enteignungen, Kreuzberg über den Markthallen-Aldi und in Werder/Havel ist bald wieder Baumblütenfest. Aber wen interessiert’s? Offenbar einen bedeutenden Teil der Berliner und Brandenburger, wie eine neue Studie der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) zeigt. Die hat nachgefragt, wie sich die Menschen beider Länder über regionale und lokale Themen informieren – und erhebliche Unterschiede festgestellt.
Gleich eine Zahl vorweg: Rund drei Viertel der Berliner informieren sich regelmäßig über Lokales und Regionales in den Medien, fast ebenso viele Brandenburger. Bei den über 60-jährigen Hauptstädtern sind es sogar knapp über 80 Prozent, bei den jüngeren, den unter 40-Jährigen, knapp über 70 Prozent. Was von Zehlendorf bis Pankow geschieht, scheint für viele interessant zu sein.
Über das übrige Viertel der Berliner, das sich nicht lokal und regional informiert, wissen die Macher wenig. Möglich ist, dass diese Menschen auch andere Informationsquellen nutzen, nach denen nicht gefragt wurde. Das sei nicht auszuschließen, sagt Kristian Kunow, stellvertretender MABB-Direktor und Projektleiter: „Tatsächlich nehmen wir wahr, dass Anzeigenblätter mittlerweile eine gewisse Bedeutung bei regionalen und lokalen Themen und Ereignissen haben. Da werden wir künftig auch im Rahmen der Fortsetzung der Studie genauer hinsehen.“
Zum ersten Mal hat die MABB das Informationsverhalten der Berliner und Brandenburger mit Blick auf Lokales und Regionales untersucht. Vorbild ist eine bundesweite Studie der Medienanstalten, die damit erstmals auf Landesebene stattfand.
Das Internet ist das wichtigste Medium für Lokales
Berlin macht’s also vor und tanzt aus der Reihe, zumindest statistisch. Für rund 38 Prozent der Hauptstädter ist das Internet das wichtigste Informationsmedium für Berlin-Themen, das ist beachtlich. Im Ranking folgt das Fernsehen mit rund 22 Prozent, die Tageszeitung nannten etwa 18 Prozent, das Radio bloß 13 Prozent. Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt liegt die Zeitung mit knapp 40 Prozent beim Regionalen vorne. In Brandenburg findet sie fast jeder Zweite am wichtigsten, um sich zu informieren, was von Uckermark bis Elbe-Elster passiert. Knapp jeder Fünfte in der Mark nannte das Internet.
Die Unterschiede hätten sicherlich auch demografische Gründe, sagt Kristian Kunow. Insbesondere für ältere Menschen habe die Tageszeitung eine höhere Bedeutung und größere Reichweite. „In manchen Gegenden in Brandenburg können auch fehlende Breitbandanbindung und Mobilfunkversorgung dazu führen, dass Menschen ihr Abo nicht aufgeben“, meint er. „Vielleicht ist aber auch grundsätzlich die Online-Affinität in Berlin im Schnitt noch etwas stärker ausgeprägt als in Brandenburg. Das heißt aber nicht, dass die Berliner sich weniger den Verlagsprodukten widmen – bei den Informationsquellen im Netz sind die bei den Befragten ganz klar Nummer eins.“ Auch der „Checkpoint“ des Tagesspiegels spielt hier eine bedeutende Rolle.
Die Hälfte informiert sich im Radio
Die Berliner sind dem klassischen Rundfunk weiterhin treu. An einem Durchschnittstag informiert sich fast die Hälfte im Radio über Regionales und Lokales, 42 Prozent im TV, außerdem 37 Prozent im Netz. Wieder nannte nur knapp jeder Fünfte die Tageszeitung. Während die älteren Berliner hier am häufigsten den Fernseher anschalten, gehen die jüngeren überwiegend online.
Aber warum ist ausgerechnet das Radio bei den Berlinern so stark? „Die Radionutzung ist allgemein ungebrochen hoch“, erläutert Kunow. „Die hohe Reichweite erklärt sich auch dadurch, dass nach wie vor viele Berliner täglich ins Auto steigen – da bleibt es nicht aus, dass sie im Radio Nachrichten hören. Aufgrund der Struktur des Radiomarkts sind viele lokale und regionale Informationen dabei.“ Deshalb sei das Radio auch eine wichtige Informationsquelle, so Kunow, „aber nicht zwingend die wichtigste“.
Viele Berliner informieren sich zwar im Radio über ihre Stadt, finden das Internet für Lokales aber am wichtigsten. Kunow: „Wenn etwas von außerordentlicher Bedeutung in Berlin passiert, das einen regionalen und lokalen Bezug hat, wo gucke ich zuerst nach? Viele Menschen würden womöglich zuerst im Netz schauen.“ Dabei spiele eine Rolle, wie viel Aktualität, Informationsgehalt und Vertrauenswürdigkeit sie dem Medium beimessen. „Aber auch, dass das Internet durch das Smartphone in fast jeder Hosentasche steckt.“
Tageszeitungen im Netz stark
Das schwache Abschneiden der Tageszeitungen relativiert eine Zusatzfrage: Fast die Hälfte der Befragten, die sich am Vortag im Netz Lokalinfos holten, nutzte das Online-Angebot einer Zeitung oder Zeitschrift, fast ein Viertel das eines TV-Senders. Überraschend: Jeder fünfte Befragte konnte nicht sagen, wo er sich zuletzt im Netz informiert hatte. „Wir erklären uns das unter anderem so, dass viele im Netz über Google Search und Facebook gehen, aber nicht nachvollziehen oder sich nicht erinnern können, woher die Informationen tatsächlich stammen, die sie da wahrgenommen haben“, erläutert Kunow.
Nächster Schritt: Bezirke und Ortsteile
Während die vorliegende Studie nicht zwischen regional und lokal unterscheidet, läuft inzwischen eine Fortsetzung, die auf den unmittelbaren Wohnort abzielt: „Dabei betrachten wir das Lokale noch genauer, das ist auch in Berlin spannend“, erläutert Kunow. „Bundesweite und regionale Medien berichten zwar über Berlin-Themen. Aber auf Bezirksebene, wo wir teilweise über 300 000 Einwohner haben, und auf Ebene der Ortsteile wird es auch hier sehr dünn.“ Allein im Bezirk Neukölln leben fast so viele Menschen wie in Bonn.
Die Medien, die kontinuierlich und dezidiert über Lokales berichten, seien auch in Berlin überschaubar, so Kunow. „Da landet man schnell bei Anzeigenblättern wie der ,Berliner Woche‘, Online-Zeitungen wie den ,Prenzlauer Berg Nachrichten‘ oder den E-Mail-Newsletters wie denen des Tagesspiegels.“
Mit den Daten im Gepäck will die Medienanstalt sich auch verstärkt Brandenburg widmen und etwa jene Regionen identifizieren, wo die Versorgung mit lokalen Medien besonders prekär ist. Schließlich ist die MABB auch fürs Fördern und Regulieren zuständig.
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