Brennpunkt Teheran: Wie es den Korrespondenten von ARD und ZDF im Iran ergeht
Drehgenehmigungen, rote Linien und Fingerspitzengefühl: Die Arbeit der Korrespondenten im Iran ist schwierig. Eine BR-Journalistin reist besser gar nicht ein.
ZDF-Korrespondent Jörg Brase ist gerade mal wieder in Istanbul angekommen. Zeit zum Durchatmen nach stressigen Arbeitstagen in Teheran: der tödliche Anschlag der USA auf den iranischen Offizier Soleimani, das Chaos bei der Trauerfeier, der Abschuss der Passagiermaschine. Brases Kollege Luc Walpot hat in Irans Hauptstadt übernommen.
Es gibt leichtere Jobs im weitverzweigten Korrespondentennetz von ZDF und ARD als diese. Das weiß auch Natalie Amiri, seit 2015 Leiterin des ARD-Auslandsbüros in Teheran, die ihre Expertise – für viele Zuschauer überraschend – zurzeit nicht vom Brennpunkt Teheran, sondern aus einem Münchner Studio einfließen lässt.
Zwei Reporter, zwei Geschichten, die belegen, wie schwierig die Situation für Journalisten im Iran ist – in der Gemengelage zwischen amtlicher Propaganda und vermeintlichen Wahrheiten auf Plätzen und Social-Media-Kanälen.
Brases Hauptbüro befindet sich in Istanbul. In Teheran hat das ZDF ein kleineres Büro, dass mit drei Leuten besetzt ist, Producer, Kamera, Cutter/Studiotechnik. „Alle drei sind Iraner und sehr erfahrene Kollegen“, sagt Brase. „Geschichten und Drehvorhaben besprechen wir vorher immer sorgfältig im Team und entscheiden gemeinsam, was machbar ist und was nicht.“
Der ZDF-Mann hat für Iran ein Jahresvisum und eine Akkreditierung, die ein Jahr gültig ist. Alle vier aus dem Team haben Pressekarten. Damit, sagt Brase, zähle das ZDF zu den ganz wenigen deutschen Medien, die über die für die Arbeit im Iran nötigen Papiere verfügen. Diese Papiere werden vom Ministerium für Kultur und Islamische Führung namens „Ershad“ erteilt.
Eine nicht ganz einfache und immer transparente Behörde, mit der sich auch der Bayerische Rundfunk (BR), stellvertretend für die ARD, herumzuschlagen hat. Es sei geplant, in wenigen Tagen wieder vor Ort mit einer Korrespondentin vertreten zu sein, sagt BR-Chefredakteur Christian Nitsche.
Die Sache mit der Iran-Korrespondentin, die aus München berichtet, ist erklärungsbedürftig. Gerade im Falle einer Natalie Amiri, einer der wenigen Journalistinnen weltweit, die regelmäßig aus dem Iran berichten können. Viele Sender warten auf Akkreditierungen, RTL zum Beispiel auf Visafreigabe für mehrere Reporter, unter anderem für Antonia Rados.
Als Amiri vor ein paar Wochen mit einem Kopftuch im Iran vor die Kamera trat, brodelte es im Netz. Jetzt, wo der Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine, die Eingeständnisse der Regierung und die Reaktionen im Volk einen Wendepunkt für den Iran darstellen könnten, ist Amiri nicht vor Ort. Wo es gilt, die roten Linien zu beachten, die staatliche Ministerien setzen, und trotzdem noch über Wahrheit und Realität des Landes zu recherchieren und zu berichten. Es gibt viel zu erzählen. Geht das überhaupt von Deutschland aus?
„Zu berücksichtigen ist dabei, dass Natalie Amiri einen Doppelpass hat“
In besonderen Lagen, erklärt Nitsche, sehe der BR aus Sicherheitsgründen davon ab, einen Korrespondenten zu entsenden. „Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere, dass Natalie Amiri einen Doppelpass hat.“ Das bedeute, dass ihr Status im Iran ausschließlich der einer Iranerin ist. Damit seien Unterstützungsmaßnahmen aus Deutschland, wenn sie sich im Iran aufhält, bei besonderen Entwicklungen dort äußerst limitiert.
Amiri könne, so Nitsche, aufgrund ihrer Expertise und eines weitverzweigten Netzwerkes im Iran die Situation vor Ort auch bestens aus Deutschland einschätzen und greift dabei auf die Unterstützung der lokalen Mitarbeiter des ARD-Büros in Teheran zurück.
„Sie bewerten mit Natalie Amiri zusammen unablässig die Sicherheitslage. In den vergangenen Tagen war es teilweise nicht möglich, dass Kamerateams internationaler Medien Proteste in Teheran abbilden konnten.“ Die ARD habe intensiv Social-Media-Videos ausgewertet, die einen guten Eindruck von der Lage vor Ort vermittelt haben. „Natalie Amiri hat dies von Deutschland aus in bestmöglicher Weise geleistet.“
Nur hier seien so gute technische Möglichkeiten vorhanden, um Videos zu recherchieren, zu verifizieren und für die TV-Ausstrahlung schnell zu rendern. „Ein so hoher Berichterstattungs-Output mit neuesten Videos von den Straßen Teherans wäre in Teheran nicht möglich gewesen.“
Brase und Walpot sind dort fürs ZDF unterwegs. Für Teheran und Umgebung haben sie eine generelle polizeiliche Dreherlaubnis. „Dreharbeiten außerhalb Teherans müssen wir einzeln beantragen“, sagt Brase. „Wir haben bisher noch nie bei unseren Drehs sogenannte ,Minder‘, offizielle Begleiter, dabeihaben müssen. Ershad lässt uns also – noch – weitgehend ungehindert im Iran arbeiten.“
Ein aktuelles Beispiel: der „heute-journal“-Beitrag am Mittwochabend – ein ZDF-Team zu Besuch bei der Witwe eines der beim Abschuss der Passagiermaschine durch den Iran umgekommenen Iraners. Viel Wut auf den Staat, die trauernde Familie nimmt kein Blatt vor dem Mund.
Auch eine Frage der Verantwortlichkeit der Reporter. „Grundsätzlich fühlen wir uns sicher“, sagt Brase, „können problemlos mit Leuten auf der Straße reden. Wir besuchen Menschen zu Hause oder an ihrem Arbeitsplatz und versuchen dabei stets zu verhindern, dass sich unsere Gesprächspartner oder mein Team in Gefahr begeben.“ Meist wüssten die Iraner selbst am besten, was sie sagen, zeigen und tun können, ohne Schwierigkeiten zu bekommen. „Im Zweifel diskutieren wir nachher im Team, welche Aussagen wir verwenden können, ohne Protagonisten zu gefährden.“
Fingerspitzengefühl der Journalisten – es dürfte in den nächsten Wochen noch wichtiger werden, sollte sich der Unmut der iranischen Bevölkerung weiter steigern. Ob das dann immer in „Tagesthemen“ oder „heute-journal“ zu sehen und zu hören sein wird, ist wohl auch Glückssache. „Manchmal hängt es“, sagt Jörg Brase, „vom einzelnen Beamten ab, ob wir mit unseren Papieren durchgelassen werden und drehen dürfen oder nicht.“
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