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Im besten Sinne normal. „Der Fremde am See“ aus der Film-Reihe „rbb Queer“ (großes Foto mit Christophe Paou, l., und Pierre Deladonchamps, läuft am 16. 8. im RBB),
© dpa

LGBTI-Check: Wie divers ist das deutsche Fernsehen?

„Die Lebensrealität von Lesben, Schwulen und Trans kommt so gut wie gar nicht vor“, sagt der Lobbyverband über das TV-Programm. Wir machen den LGBTI-Check.

In einem Schrebergarten nahe dem Tempelhofer Feld wird eine stark verbrannte Leiche gefunden. Bei dem Toten handelt es sich um einen Lehrer, der in einer Gesamtschule im Rollbergkiez unterrichtet hat. Der Mann war offen schwul, er kämpfte als Lehrer für mehr Akzeptanz für Homosexualität.

Das ist keine neue „Tatort“-Geschichte (die Krimi-Reihe ist in der Sommerpause), sondern die Folge „Amour fou“ aus 2017 – eines der besten Beispiele der jüngeren Vergangenheit, wie klug in der deutschen Fernseh-Fiktion mit dem Thema Homosexualität umgegangen werden kann. Auch daran ist zu erinnern, wenn man sich die Frage stellt: Ist das deutsche Fernsehen zu hetero?

Anlass ist eine Kritik des Lesben- und Schwulenverbands Deutschland zur Darstellung Nicht-Heterosexueller im deutschen Fernsehen. „Die Lebensrealität von Lesben, Schwulen und Trans kommt so gut wie gar nicht vor“, sagte Verbandssprecher Markus Ulrich in dieser Woche. Neben der Frage nach der allgemeinen Sichtbarkeit gehe es um die Fragen, wann und wie Themen und Personen gezeigt würden. Oft würden entsprechende Formate spätabends gesendet.

Eine Kritik, die Christoph Darnstädt, der Autor jenes „Tatort – Amour fou“, nur teilweise nachvollziehen kann. Die Lebensrealität von Schwulen komme in der Primetime durchaus vor. Darnstädt verweist neben dem RBB-Krimi, der die Lebenssituation eines schwulen Ehepaars erzählt, auf den „Kroatien-Krimi – Tod einer Legende“ über einen schwulen Fußballer.

 Lars Steinhöfel als Easy Winter in der RTL-Soap „Unter uns“
Lars Steinhöfel als Easy Winter in der RTL-Soap „Unter uns“
© dpa

Die Kritik des Verbands lasse einen wichtigen Punkt außen vor. „Homosexualität wird fast ausschließlich als Problem erzählt, gesellschaftliche Diskriminierung, Inakzeptanz und so weiter. Protagonisten, die schwul sind, in Geschichten, in denen es nicht thematisch um Homosexualität geht, dazu fällt mir im deutschen Fernsehen nichts ein. Haben Schwule nicht dieselben Lebensrealitätsthemen, Plots wie Heteros? Oder umgekehrt: Kann ich auch mal ein schwules Arschloch erzählen, ohne homophob zu sein? Wir sind weit von Normalität weg.“

Ähnlich sieht es Heike-Melba Fendel von der Schauspieleragentur Barbarella. „Ein Film, eine Serie ist ja deswegen gut, wenn und weil sie Stereotype jedweder Art vermeidet, also etwa einen Dialog so ernst nimmt wie einen Darkroom, im Sinne und Dienste von Handlung und Figuren.“

Wer sorgfältig und kunstfertig zu erzählen in der Lage sei, der nehme die Lebenswelt seiner Protagonisten immer ernst. Was zu kritisieren wäre, sei Bewusstlosigkeit und fehlendes Handwerk. „Darunter leidet dann aber alles, nicht nur die angemessene Bespielung der Ausgehkultur der LGBTI-Community.

Fakt ist, da scheint die Kritik des Lesben- und Schwulenverbands berechtigt: Selbst bei TV-Soaps (Formate wie „Verbotene Liebe“, „GZSZ“, „Lindenstraße“ oder auch „Unter uns“ mit Lars Steinhöfel als Easy Winter hatten und haben in dieser Hinsicht Vorreiterfunktion) entspricht die Darstellung oft nicht dem Leben von Homosexuellen. „Da gibt es dann einen Schwulen, der vielleicht noch einen Partner hat, aber mitten in der Großstadt ansonsten keine schwulen Freunde.“ Wichtig sei darüber hinaus, ganz verschiedene Typen abzubilden, so der Verbandssprecher.

Seit "Hinter Gittern" kam nichts mehr

So divers ist das deutsche Fernsehen dann also doch noch nicht, zumindest mal rein zahlenmäßig. Fünf bis zehn Prozent der Menschen gelten als LGBTI (sind also lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, intersexuell). Das deckt sich nicht mit dem Anteil von Geschichten und Protagonisten im deutschen Fernsehen. Formate wie die Amazon-Prime-Serie „Transparent“ um einen transsexuellen Vater scheinen hierzulande geschrieben und produziert undenkbar.

Andererseits, um wiederum auf den RBB-„Tatort“ zu verweisen: Wenn ein TV-Kommissar wie Robert Karow (Mark Waschke) in der Primetime mit einem Mann schläft, dann hat sich etwas im öffentlichen Umgang mit Homosexualität getan.

der Schwulenkuss mit Georg Uecker (re.) in der „Lindenstraße“
der Schwulenkuss mit Georg Uecker (re.) in der „Lindenstraße“
© picture alliance / dpa

In diese Richtung gehen auch die Degeto-Filme in der Primetime. „Wir arbeiten seit einiger Zeit intensiv daran, dass in unseren Filmen divers und modern erzählt wird“, sagt Degeto-Chefin Christine Strobl. Es gehe darum, verschiedene Lebensrealitäten gleichberechtigt mit anderen zu zeigen. Ein aktuelles Projekt: „Väter allein zu Hause“, das von der Lebenssituation von vier Vätern erzählt, einer davon homosexuell, die hauptverantwortlich für Kindererziehung und Haushalt sind.

In den Reihen „Tödliche Geheimnisse“ und „Barcelona-Krimi“ gibt es schwul-lesbische Hauptfiguren. Der Film „Mein Sohn Helen“ erzählt von der Auseinandersetzung eines Vaters mit seinem Transsohn. „In Filmen divers zu erzählen“, so Strobl, „ist ein laufender Prozess, den wir stetig vorantreiben, zum Beispiel durch Schulungen und Workshops für unsere Redaktion, auch durch Diskussionen mit Autoren, um dafür zu sorgen, dass bereits bei der Stoffauswahl und Drehbuchentwicklung auf Diversität geachtet wird.“

Die intensivere Beschäftigung mit LGBTI-Themen in Dramaturgien, Erzählmustern und Persönlichkeitsprofilen im deutschen Fernsehen sei längst überfällig, sagt auch Ufa-CEO Nico Hofmann („Ku’damm 56“, „Charité“). „Im Grunde genommen sehe ich eine Erweiterung der Diskussionen, die die MeToo-Debatte und Maria Furtwänglers Malisa-Studie zutiefst konstruktiv angeregt haben.“ Es gehe in Zukunft nicht nur um die weibliche Gleichberechtigung, sondern um die Gleichberechtigung in der Diversität.

Katy Karrenbauer als Knast-Lesbe Walter in „Hinter Gittern“,
Katy Karrenbauer als Knast-Lesbe Walter in „Hinter Gittern“,
© picture alliance / dpa

Gleichberechtigung dann aber auch in Sachen Lesbengeschichten. Ein deutsches „Orange Is the New Black“ (die erfolgreiche US-Serie über einen Frauenknast bei Netflix) muss es ja nicht gleich sein, aber es ist schon erstaunlich, dass man bis zur RTL-Serie „Hinter Gittern“ mit Katy Karrenbauer ins Jahr 2007 zurückgehen muss, um serienmäßig Vergleichbares im deutschen Fernsehen zu finden. Danach kam nichts mehr.

Immerhin, das RBB-Fernsehen brachte 2018 die erste queere Filmreihe. Ab Donnerstag, 27. Juni, läuft die zweite Staffel, darunter mit Monika Treuts’ „Von Mädchen und Pferden“ und Daniel Manns’ „Zwischen Sommer und Herbst“ zwei lesbische Coming-of-Age-Filme aus Deutschland. Das Ganze am späten Abend. Warum nicht auch hier mal in der Primetime?

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