Nach dem Olympia-Aus: Was nun, ARD und ZDF?
Andere Sportberichte? Größerer Doping-Fokus? ARD und ZDF ringen nach dem Olympia-Aus um Haltung. Discovery muss sich jedenfalls nicht um neues Personal sorgen.
Es ist schon erstaunlich, wenn sich der Rundfunkrat des Rundfunk Berlin-Brandenburg weniger über die große Programmreform der neuen Intendantin Patricia Schlesinger aufregt als über die Medien-Meldung der Woche: Kein Olympia 2018 bis 2024 bei ARD und ZDF! Rechteinhaber Discovery hat die Verhandlungen mit den beiden Sendern abgebrochen, weil man sich nicht über den Preis einigen konnte. Vier Mal nicht Olympia, das ist doch öffentlich-rechtliche Grundversorgung, das geht doch gar nicht, so der Tenor in der RBB-Rundfunkratssitzung an diesem Donnerstag. Viele Fragen stehen im Raum. Wie wird die ARD reagieren in ihrer Sportberichterstattung? Was macht sie mit den 100 Millionen Euro, die für Olympia-Rechte eingeplant waren und jetzt frei werden? Noch mehr Fußballrechte kaufen? Oder kehrt Discovery doch noch an den Verhandlungstisch mit ARD und ZDF zurück, weil das Geld fehlt?
Keine Abstriche in der Berichterstattung
Die ARD sucht nach einer Haltung. „Wir können die Entscheidung von Discovery, die Olympischen Spiele für einen Zeitraum von sechs Jahren ausschließlich alleine zu übertragen, nur zur Kenntnis nehmen“, sagt ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky. Welche Konsequenzen es für die Sportberichterstattung haben wird, sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar. „Wir werden uns zu gegebener Zeit darum bemühen, zu angemessenen Bedingungen wenigstens rein nachrichtlich von den Spielen berichten zu können.“ Vielleicht ändere sich ja auch noch die Haltung von Discovery „und sie bieten uns zu akzeptablen Bedingungen Rechte an, sei es für eine Live-Berichterstattung, sei es in Form von Highlights“.
Große Hoffnungen auf neue Verhandlungen hegt man beim ZDF nicht. „Nach der Ankündigung von Discovery müssen wir davon ausgehen, dass die Gespräche endgültig gescheitert sind. Ob sich in Zusammenhang mit den Winterspielen 2018 oder auch mit den nachfolgenden Spielen eine Gesprächstür öffnen sollte, liegt an Discovery. Sie haben die Verhandlungen beendet. Das ZDF bleibt mit der ARD grundsätzlich gesprächsbereit“, sagte ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz dem Tagesspiegel. Dennoch sei es derzeit noch nicht sinnvoll, die freiwerdenden Gelder umzuwidmen. Der ZDF-Sportchef spricht sich zudem dagegen aus, sofort Konsequenzen für die Sportberichterstattung zu ziehen. Sicher sei, dass der Sender weiter die Vielfalt des Sports in verschiedenen Sendeformaten abdecken werde. „Gerade in den meisten Olympischen Sportarten gibt es dazu die nötigen TV-Verträge. Die konkreten Sendevorhaben für das nächste Jahr belegen eindeutig, dass es nach der Olympia-Entscheidung keine Abstriche in der Berichterstattung geben wird.“
Für Discovery als TV-Rechteinhaber der Olympischen Spiele ist die Zeit der Verhandlungen vorbei. Die Optionen waren klar: Entweder werden Sublizenzen vergeben oder man schultert die Spiele alleine. Nun wurde der Schalter umgelegt, um sich auf die Winterspiele in PyeongChang/Südkorea in 14 Monaten vorzubereiten. Es sei klar, dass dafür zusätzliche Magazine und Talkformate rund um die olympischen Sportarten benötigt würden, heißt es aus München. An Material mangele es nicht, Discovery kann unter anderem auf das Olympische Archiv des IOC zurückgreifen.
Für die Vermarktung ist Discovery zuversichtlich. 1,3 Milliarden Euro hat das Unternehmen für die Olympia-Rechte gezahlt, 300 Millionen Euro sollten durch Sublizenzen an ARD und ZDF wieder hereinkommen. Nun müssen andere Refinanzierungsquellen erschlossen werden. Dabei setzen die Amerikaner darauf, dass einige Beschränkungen, mit denen ARD/ZDF zu kämpfen haben, für Discovery nicht gelten, zum Beispiel für die Vermarktung der digitalen Flächen, Stichwort Eurosport Player. Um das Thema Mitarbeiter muss man sich wohl keine Sorgen machen. Obwohl Discovery und Eurosport noch keine Olympia-Stellen ausgeschrieben haben, gebe es reichlich Anfragen von ARD- und ZDF-Mitarbeitern. „Das läuft schon fast von allein.“
Man muss das noch mal festhalten: Olympia – ohne ARD und ZDF. Es wird jetzt auch über den Einfluss von IOC-Präsident Thomas Bach auf den Rechteinhaber Discovery diskutiert, in Bezug auf die Rechteverhandlungen. Bach könnte über die jahrelange kritische Berichterstattung der ARD verärgert sein. Für diese Berichterstattung steht nicht zuletzt ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt, der gerade für seine Arbeit den Hanns-Joachim-Friedrich-Preis erhielt. Er kann sich gut vorstellen, dass Bach verärgert ist. „Er betrachtet Olympia ja offenkundig in erster Linie als ein reines Produkt für eine optimale Vermarktung. Mit der tiefgehenden Doping-Berichterstattung vor allem über Russland und den Berichten über die Rolle des IOC haben wir sein Produkt infrage gestellt, auch den Präsidenten persönlich harsch kritisiert“, sagt Seppelt. Es sei denkbar, dass Bach zumindest auf die ARD nicht gut zu sprechen ist und dass ihm das Ende der Verhandlungen von ARD und ZDF mit Discovery keine schlaflosen Nächte bereite.
Bliebe es beim Olympia-Aus, werden allein bei der ARD rund 100 Millionen Euro frei. Viele wünschen sich, dass da Journalismus auf noch breiterer Ebene praktiziert wird, Stichwort Doping und Korruption. „In der ganzen Situation liegt ja auch eine gewisse Dialektik“, sagt Seppelt. „Das war lange auch ein Problem, einerseits Vertragspartner eines Sportverbandes wie des IOC zu sein, der gezwungen war, zum Beispiel IOC-Werbespots zu senden, andererseits kritisch und investigativ über Fehlentwicklungen berichten wollte.“
Hajo Seppelt sieht Chancen
Der ARD-Doping-Reporter sieht die neue Lage als Chance. „Dass man sich noch stärker auf seine kernjournalistischen Kompetenzen konzentrieren kann, auf eine mehr hintergründige und kritische Begleitung des Sports.“ Das Themenfeld sei riesig. „Wir reden von 28 internationalen Sommersportverbänden, sieben Wintersportverbänden, von Sportlern, Trainern, Ärzten in rund 200 Ländern auf der Welt, nationalen Verbänden und Anti-Doping-Organisationen. Wir reden von Doping, von Vertuschung, Korruption, Spielmanipulation, Wettbetrug, Hooliganismus, sexuellem Missbrauch bei Sportlern und noch vielen anderen drängenden Problemfeldern im Sport. Ich glaube, dass irgendwann einmal eine eigenständige sportpolitische Redaktion in der ARD nach dem Vorbild der Rechts-Redaktion in Karlsruhe das Gebot der Stunde wäre.“
Ein hehrer Wunsch. Zunächst einmal stellt sich die Frage, ob Discovery und ARD/ZDF nicht doch noch an den Verhandlungstisch zurückkehren, ob nicht doch viel öffentlich-rechtliches Geld für Olympia-Rechte ausgegeben wird.
Markus Ehrenberg, Kurt Sagatz