Kritik an ARD und ZDF: Warum es keinen Brennpunkt zu Paris gab
Über Notre-Dame berichteten in Deutschland lange Zeit nur n-tv und Welt live. Erst später übernahm Phoenix den öffentlich-rechtlichen Informationsauftrag.
Worauf hat man bei der ARD am Montagabend eigentlich gewartet, warum wurde das Programm für den Brand der Kathedrale Notre-Dame nicht geändert? Das wollte unter anderem Ulrich Deppendorf wissen (siehe dazu auch: "Das war eine Enttäuschung"). Via Twitter fragte der ehemalige Leiter des ARD-Hauptstudios um 20 Uhr 38: „Warum gab es keinen ARD-Brennpunkt zum Brand von Notre Dame, neben dem Eiffelturm das Symbol Frankreichs? Schwer nachzuvollziehen.“
Noch schwerer nachvollziehen war nur noch die Antwort der ARD: „Sobald weitere gesicherte Informationen vorliegen, werden wir darüber berichten. In den Tagesthemen wird es eine vertiefte Berichterstattung geben. Alle derzeit bekannten Informationen wurden in der Tagesschau an die Zuschauer weitergegeben“, teilte man dem ehemaligen Kollegen und allen anderen verwunderten Twitter-Nutzern mit. „Warum muss ich so lange bei CNN oder BBC einschalten?“ Tagesschau24 ist doch genau dafür geeignet?“, hatte sich zu der Zeit auch Sonia Seymour Seymour Mikich, die frühere Fernseh-Chefredakteurin des WDR, geärgert.
Notre-Dame brennt, das Fernsehen pennt?
Notre-Dame brennt, die ARD – und genauso das ZDF – pennt, diesen Eindruck vermittelten die beiden öffentlich-rechtlichen Sender. Während weltweit mit Schrecken auf die Brandkatastrophe von Paris geschaut wurde, strahlte die ARD die letzte Folge der BBC-Doku „Wilde Dynastien“ aus, im ZDF lief der Montagsfilm „So weit das Meer“ mit Uwe Kockisch und Suzanne von Borsody. Den ZDF-Krimi sahen 6,2 Millionen Zuschauer, die Doku-Folge über das „Duell der Tiger“ 3,4 Millionen.
Heftige Kritik daran gab es auch seitens der Politik. „Russia Today und Al Jazeera berichten, rechte Hetzer verbreiten erste Verschwörungstheorien und der öffentlich-rechtlich Rundfunk schläft“, schrieb dernordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) auf Twitter. Tatsächlich mussten die deutschen Fernsehzuschauer für Live-Bilder von Île de la Cité lange Zeit entweder zu CNN und BBC oder zu deren deutschen Nachrichten-Pendants schalten. Die beiden privaten Stationen n-tv und Welt demonstrierten hierzulande, wie man professionell mit einem solchen Thema umging, das die Menschen weltweit emotional berührte.
Der Nachrichtensender Welt hatte sein Programm frühzeitig umgestellt und berichtete von 19 Uhr 45 bis Mitternacht über die Brandkatastrophe von Paris, inklusive ergänzender Expertengespräche. Der zur RTL-Gruppe Nachrichtenkanal n-tv hatte sein Regelprogramm am Montagabend ebenfalls komplett über Bord geworfen. Ab 19 Uhr 30 bis nach Mitternacht war der Brand das bestimmende Thema. Mit dem Breaking-News-Einsatz erzielte n-tv einen Marktanteil von 3,1 Prozent. Im Schnitt verfolgten 740 000 Zuschauer die Berichterstattung zu Notre-Dame. Über den ganzen Tag gerechnet, informierten sich 7,9 Millionen Zuschauer über n-tv. Der Tagesmarktanteil betrug 2,3 Prozent, der Konkurrenzsender Welt kam auf 1,1 Prozent.
"Weltspiegel extra" am Dienstag um 21 Uhr 45
Später am Abend übernahm Phoenix, der gemeinsame Informations- und Ereigniskanal von ARD und ZDF, die Informationsaufgabe, informierte die Zuschauer über den Verlauf der Löscharbeiten und erklärte, mit welchen Problemen die Feuerwehr am Katastrophenort zu kämpfen hatte. Von 22 Uhr 15 - nach dem "heute-journal" - bis nach Mitternacht wurde eine Sonder-Ausgabe „Phoenix der Tag“ zu Paris gesendet. Neben Live-Schalten zu ZDF-Korrespondentin Daniela Bach gab es unter anderem ein Telefon-Interview mit dem für die Sicherheit des Kölner Doms zuständigen Feuerwehrmann, Andreas Reifferscheidt. Zudem griff Phoenix auf Material vom französischen Partnersender France24 zu.
Regelmäßig kommt angesichts von Terroranschlägen, Naturkatastrophen oder Ereignissen wie jetzt in Paris die Forderung nach einem öffentlich-rechtlichem Nachrichtenkanal auf. Geeignete Plattformen dafür wären mit tagesschau24, ZDFinfo oder Phoenix vorhanden. Was fehlt, sei die Beauftragung durch die Politik einschließlich der nötigen finanziellen Ausstattung für einen 24-Stunden-Nachrichtenkanal, wird dann wiederkehrend argumentiert. Bis dahin würde eine raschere Koordination zwischen ARD, ZDF und Phoenix allerdings schon weiterhelfen, inklusive Laufbändern, die darüber unterrichten, wo aktuell berichtet wird.
Dass es am Montag keinen "Brennpunkt" im Ersten gab, erklärte ARD-Chefredakteur Rainald Becker am Dienstag mit logistischen Gründen. Zu diesem Zeitpunkt sei der ARD-Reporter unterwegs zum Ort des Geschehens gewesen, um als erster deutscher Korrespondent direkt vor Ort zu berichten. Am heutigen Dienstag werde es 21 Uhr 45 Uhr im Ersten einen "Weltspiegel extra" mit einer ersten Bilanz nach dem Brand geben. Kurt Sagatz