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Ulrich Deppendorf, ehemaliger Chefredakteur der ARD.
© Kai-Uwe Heinrich

Deppendorf über Notre-Dame im TV: „Das war eine Enttäuschung”

Notre-Dame brennt und die Öffentlichen reagieren nicht. Der frühere ARD-Chefredakteur Ulrich Deppendorf findet das nur schwer nachvollziehbar. Ein Interview.

Ulrich Deppendorf ist Journalist und Fernsehmoderator. Er war von Mai 2007 bis April 2015 Studioleiter und Chefredakteur Fernsehen im ARD-Hauptstadtstudio.

Herr Deppendorf, Ihr Urteil zur Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zum Brand in Notre-Dame?
Ich beurteile nur die ARD. Das war eine Enttäuschung. Ein Symbol Frankreichs, ein Symbol auch Europas brennt, Millionen in aller Welt sind erschüttert– CNN, BBC France24, Al Jazeera berichten live, mit guten Interviewpartnern und Reportern – nur die ARD bringt nach der „Tagesschau“ keine Sondersendung, sondern einen Tierfilm. Das ist für mich schwer nachvollziehbar.

Aus Ihrer langjährigen Erfahrung mit der Live-Fähigkeit des Ersten Deutschen Fernsehens: Warum wirkt die ARD im Moment eines derartigen Ereignisses überfordert?

Zu viele Köpfe, die mitentscheiden. Zu viele Senderinteressen. Warum hat die Plasberg-Talkshow „Hart aber fair“ nicht zwischendurch einmal nach Paris geschaltet, wenn das Erste schon keine eigene Sondersendung hinbekommen hat? In solchen Fällen müssten der ARD-Chefredakteur und der ARD-Aktuell-Chef das alleinige Sagen haben und die Sender müssen liefern.

Es gibt ARD und ZDF, es gibt Phoenix, ZDFinfo und tagesschau24. Die Kanäle sind da – fehlt trotzdem ein Nachrichtenkanal?

Die ARD-Intendanten müssen entscheiden, was sie wirklich wollen. Sie müssen entscheiden, dass bei solchen Ereignissen die Information absoluten Vorrang hat. Das ist der wichtigste Auftrag der ARD. Dann müssen sie im Ersten dazu aber auch die Möglichkeiten schaffen, das Erste ist die Hauptinformationsquelle der ARD-Zuschauer. Tagesschau24 ist kaum bekannt.

Auch hier ist die ARD gefordert, diesen Nachrichtenkanal richtig zu etablieren. Der Nachrichtenkanal ist also in Ansätzen schon da, es bedarf nur der adäquaten finanziellen und personellen Unterstützung. Und weniger Eifersüchteleien der Sender untereinander. Und vor allen Dingen eine Entscheidung, wo das Erste und wo die ARD in Zukunft ihre Schwerpunkte setzen. Eine Bestandsaufnahme ist gefordert.

 Feuerwehrleute spritzen nach dem Brand Wasser auf das Dach der Kathedrale Notre-Dame.
Feuerwehrleute spritzen nach dem Brand Wasser auf das Dach der Kathedrale Notre-Dame.
© dpa/ Kamil Zihnioglu

Die Forderungen nach einem solchen Programm existieren ja nicht erst seit heute. Was verhindert die Umsetzung?

Da fragen sie die Intendanten/innen von ARD und ZDF. Alle sollten das Kästchendenken aufgeben!

Wann wird es einen öffentlich-rechtlichen Nachrichtenkanal geben? Morgen, übermorgen, niemals?

Ich hoffe bald, am besten morgen.

Kann das öffentlich-rechtliche Fernsehen wirklich darauf verzichten? Information ist schließlich das, was unbedingt zum beitragsfinanzierten Programmauftrag gehören muss.

Nein. Information ist der wichtigste Grundpfeiler des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, besonders der ARD. Es müssen endlich dafür konkurrenzfähige Angebote und Strukturen geschaffen werden. Das wirtschaftlich stärkste Land Europas benötigt einen eigenen öffentlich-rechtlichen Nachrichtenkanal.

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