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Stefan Raab ist Ehrenpreisträger des Deutschen Comedypreises 2015. Der Preis wird von einer Tochtergesellschaft von Brainpool ausgerichtet, einer Firma, an der Raab selbst beteiligt ist.
© RTL / Stefan Gregorowius

Deutsche Comedypreis: Warum der Deutsche Comedypreis eine Werbemaschine ist, die sich als Preisverleihung tarnt

Ein paar Gedanken zur Verleihung eines Preises, der von der deutschen Humorbranche erfunden wurde, damit man ihn an sich selbst verleiht, auch an Stefan Raab.

Der „Deutsche Comedypreis“ ist eigentlich gar kein Preis. Der Comedypreis ist eine Fernsehsendung. Die deutsche Humorbranche macht mit ihm genau das, was die Landwirtschaftsindustrie mit ihren goldenen Preissiegeln auf Wurst und Brot macht: einen Preis erfinden, den man anschließend an sich selbst verleiht. Dieser Mechanismus offenbart sich schon in der eigenen Pressemitteilung: „Eine unabhängige Fachjury unter dem Vorsitz von Comedian Dieter Nuhr entscheidet am Tag der Verleihung über die Preisträger. Die Jury besteht aus Geschäftsführer Köln Comedy GmbH Ralf Günther, Executive Producer Josef Ballerstaller, DWDL-Chefreporter Torsten Zarges, Regisseur Jan Markus Linhof, Creative Director Warner Bros. International Television Production Bernd von Fehrn und Christiane Ruff, Geschäftsführerin ITV Germany.“

Wenn das eine unabhängige Jury ist, wie sähe dann eine abhängige aus? Es geht gar nicht um die Personen an sich, allesamt respektierte Mitglieder der Fernsehbranche. Der Punkt ist der, dass mit Ausnahme von Torsten Zarges niemand in dieser Jury ein unabhängiger Beobachter der deutschen Comedy-Szene ist: Ralf Günther ist nicht nur Geschäftsführer der Köln Comedy Festival GmbH, sondern auch Gesellschafter und Mitgründer der Produktionsfirma Brainpool – die wiederum einziger Gesellschafter der Köln Comedy Festival GmbH ist, die zusammen mit RTL und Brainpool Ausrichter des Comedypreises ist.

Das komplette Gegenteil von unabhängig

Josef Ballerstaller ist nicht einfach freier Executive Producer, sondern seit den 90ern für Sat 1 tätig und selbst 17-facher Preisträger. Auch alle anderen Jurymitglieder sind Marktteilnehmer und als solche das komplette Gegenteil von unabhängig.

Das ist kein Skandal, denn die meisten in der Branche wissen das alles. Der Comedypreis ist auch nicht der erste deutsche Preis, der nach diesem Muster funktioniert – „Bambi“ und „Goldene Kamera“ sind naheliegende Vorbilder. Wie gut die Tarnung der Werbemaschine als „renommierte Preisverleihung“ (Selbstbeschreibung im Pressetext) aber doch funktioniert, zeigt sich, wenn selbst sonst gut informierte Medien die Nachricht, dass Stefan Raab dieses Jahr mit dem „Ehrenpreis“ des Comedypreises ausgezeichnet wird, als normale Meldung präsentieren. Aber wie wird der „Ehrenpreis“ überhaupt ausgesucht? Auch das verrät die Pressemitteilung: „Ohne vorherige Nominierung“, und zwar „vom Veranstalter, der Köln Comedy Festival GmbH“.

Man muss sich das mal bewusst machen: Die Köln Comedy Festival GmbH – eine 100-prozentige Tochterfirma von Brainpool, die seit 1999 jede einzelne Sendung von Raab produziert hat, und an der Raab selbst mit 12,5 Prozent beteiligt ist – verleiht dem eigenen Gesellschafter Raab den Ehrenpreis. Und Medien berichten darüber, als sei das eine Nachricht, und nicht etwa Werbung.

Das wäre im deutschen Comedy-Milieu kaum vorstellbar

Es geht in diesem Fall überhaupt nicht darum, ob Stefan Raab oder andere Preisträger ihre Auszeichnungen verdient haben. Es geht schlicht und ergreifend darum, dass der Deutsche Comedypreis viel weniger wert ist, als er wert sein sollte. Das ist schade. Denn der deutschen Comedy-Branche mangelt es nicht an Erfolg – wohl aber an Vielseitigkeit. Jemand wie der amerikanische Intellektuellen-Liebling Louis C.K. etwa, der durchaus auch im Mainstream populär ist, wäre im deutschen Comedy-Milieu kaum vorstellbar.

Diese mangelnde Vielseitigkeit ist kein Problem des Comedypreises, aber ein Problem, das der Comedypreis lösen könnte. Ein guter Preis ist nicht nur ein Echo dessen, was ohnehin schon alle kennen, sondern lenkt Aufmerksamkeit auch auf neue Dinge. Man muss nur zum Grimme-Preis schauen, wo Jahr für Jahr eine viel originellere Auswahl getroffen wird – zugegeben, nach anderen Kriterien. Aber vor allem nach neutraleren. Eine solche Verbreiterung des eigenen Angebots wäre auf lange Sicht wahrscheinlich sogar kommerziell im Sinne der Branche. Langfristiges Planen aber – da ist die Fernseh- wie die Autoindustrie – gehört einfach nicht zum Repertoire. Und so ist der Comedypreis kein unabhängiger Preis mit nachvollziehbaren Vergabekriterien, sondern:

– ein Preis, der es drei Jahre hintereinander schafft, drei Sendungen als „Beste Late Night“ zu nominieren, obwohl es genau genommen nicht mal drei deutsche Late-Night-Shows gibt;

– ein Preis, der Harald Schmidt nicht ein einziges Mal nominiert hat – auch nicht dessen Sendung als „Beste Late Night“;

– ein Preis, der Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf so lange ignoriert, bis sie zu einem Sender wechseln, auf dem man sie nicht mehr ignorieren kann;

– ein Preis, der Jan Böhmermann so lange ignoriert, bis er trotz Sendung im Spartensender so präsent wird, dass man ihn nicht mehr ignorieren kann;

– ein Preis, der alles ignoriert, was abseits der großen Sender im Netz passiert;

– ein Preis, der, sobald es drei Sendungen im Genre „Versteckte Kamera“ oder „Impro-Comedy“ gibt, sofort entsprechende Rubriken einführt;

– ein Preis, der regelmäßig seine eigenen Jurymitglieder auszeichnet;

– ein Preis, bei dem an der Jury vorbei jedes Jahr zwei Firmen – RTL und Brainpool – den „Besten Newcomer“ prämieren. Nach welchen Kriterien wohl?

Anspruch auf Allgemeingültigkeit?

Niemand kann dem Comedypreis vorschreiben, was er tun oder lassen soll – er ist eine private Veranstaltung. Aber wenn ein Preis im Gegensatz zum „Bambi“ oder zur „Goldenen Kamera“ so selbstbewusst ist, sich das Attribut „Deutscher“ anzuheften, dann wird hier ein Anspruch auf Allgemeingültigkeit formuliert, den der Preis in seiner jetzigen Form nicht mal ansatzweise einlöst.

Überhaupt stellt sich die Frage, ob die deutsche Comedy im Jahr 2015 so vielseitig ist, dass jedes Jahr 13 Preise verliehen werden müssen. Gäbe es in jedem Jahr nur eine Trophäe, für einen Künstler oder eine Sendung – in den meisten Jahren wäre trotzdem relativ schnell klar, wer diese verdient hätte. Diesen – plötzlich viel wertvolleren – Comedypreis könnte man mit einem Nachwuchspreis kombinieren und hätte dann zwar keine abendfüllende Sendung mehr, aber genau das Renommee, das man sich schon jetzt auf die Fahnen schreibt.

„Der Deutsche Comedypreis“, RTL, Samstag, 22 Uhr 15

Stefan Stuckmann ist Comedy-Autor, unter anderem schreibt er für die „heute show“ und „Eichwald, MdB“

Stefan Stuckmann

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