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Der Fernsehturm versorgt die Berliner nicht nur mit digitalen TV-Programmen, sondern auch mit UKW-Radio und DAB+.
© Kitty Kleist-Heinrich

Digitalradio DAB+: Vier Bewerber für 16 neue Wellen

Schalt das Digitalradio ein! Nach dem UKW-Aus in Norwegen und dem frisch verabschiedeten deutschen Aktionsplan werden nun 16 neue DAB+-Programmplätze vergeben.

Kauft Digitalradios. Mit dieser Forderung überraschte zum Jahresanfang die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen die Besucher ihrer Webseite. Lange Zeit hatten die Verbraucherschützer keinen erkennbaren Zusatznutzen in der digitalen Radiotechnik gesehen, doch das hat sich geändert. „Wer sich ein neues Radio kauft, soll auf jeden Fall ein DAB+-Gerät wählen, weil UKW-Radios auf Dauer nicht zukunftssicher sind“, lautet nun die Empfehlung.

Viele Programme, gute Abdeckung, exzellente Tonqualität, digitale Zusatzinfos und erweiterter Verkehrsfunk, so preist die Verbraucherzentrale die Vorzüge des Digitalradios an. Die Verbraucherschützer aus NRW hätten ferner erwähnen können, dass DAB+ den bundesweiten Empfang von Radiowellen unter einer einzigen Frequenz ermöglicht, so dass man bei einer Autofahrt von Flensburg nach München immer die gleiche Welle hören kann, ohne ständig am Empfangsknopf drehen zu müssen.

46 DAB+-Programme in der Hauptstadtregion

In der Hauptstadtregion können via DAB+ derzeit 46 Programme gehört werden, darunter öffentlich-rechtliche Wellen wie die RBB-Radios und die Sender des Deutschlandradios, aber auch Private wie Energy Digital, Radio Paradiso oder Radio B2. Schade bloß, dass das Digitalradio bislang ein Nischendasein gefristet hat.
Nun jedoch kommt Bewegung in das etwas spröde Thema. Im Januar begann Norwegen als erstes europäisches Land mit der Abschaltung von UKW-Frequenzen. Eine Reihe von lokalen und regionalen Privatsendern werden zwar auch weiterhin die Ultrakurzwelle nutzen, ansonsten jedoch wird nach Ende des Jahres nur noch in DAB+ übertragen. „Norwegen hat Radio-Geschichte geschrieben“, verkündete die norwegische Digitalradio-Initiative entsprechend selbstbewusst. In Dänemark, Großbritannien und der Schweiz ist das Digitalradio ebenfalls schon weit verbreitet.

In Deutschland hat die Bundesregierung in dieser Woche einen Aktionsplan für die Transformation vom analogen auf den digitalen Radioempfang vorgelegt. Er enthält unter anderem einen Passus, nachdem neue Radios künftig mindestens mit einer digitalen Schnittstelle ausgerüstet sein sollen. Ein dritter Impuls für eine stärkere Verbreitung des Digitalradios könnte von der Ausschreibung eines weiteren bundesweiten Frequenzpaketes ausgehen. Zu den bereits vorhandenen 13 bundesweit empfangbaren Wellen kommen dadurch 16 weitere hinzu, die ausschließlich privaten Sendern vorbehalten sein sollen. Die Frist für die Ausschreibung endete an diesem Freitag.

Insgesamt sind vier vier Bewerbungen von Plattformanbietern bei der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM), die als zuständige Landesmedienanstalt bestimmt wurde, eingegangen. Bei den Bewerbern handelt es sich um Digital Audio Broadcasting Plattform DABP GmbH, Absolut Digital GmbH & Co. KG, Media Broadcast und Radi/o digital GmbH. Der zuständige Fachausschuss wird sich am 7. März mit den Bewerbungen befassen und eine erste Bewertung in Bezug auf die Zulässigkeit und Qualität der Anträge vornehmen. Noch in der ersten Jahreshälfte 2017 könnte dann die Zuweisung erfolgen. Der zweite bundesweite DAB+Multiplex umfasst bis zu 16 weitere Programmplätze.

Willi Steul, scheidender Intendant des Deutschlandradio, gehört als Vorsitzender des Vereins Digitalradio Deutschland zu den bekanntesten DAB+-Befürwortern. Der Aktionsplan der Bundesregierung ist für ihn „ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein großer Schritt für DAB+“. Steul rechnet damit, dass die zentrale Forderung nach Multinormgeräten für den digitalen Empfang in die Novellierung des Telekommunikationsgesetzes Eingang findet.

Um einen UKW-Abschalttermin hat sich die Politik allerdings wieder einmal gedrückt. So heißt es im Aktionsplan überaus vage: „Abschließende Entscheidungen über die digitale Zukunft des Hörfunks können nach heutiger Einschätzung erst in einigen Jahren verlässlich und auf der Grundlage noch zu gewinnender Erkenntnisse über die Entwicklung des digitalen Hörfunkmarktes getroffen werden.“ Mehr war jetzt nicht zu erreichen. „Zu einem festen Abschaltdatum ist vor allem auch die Politik aus vielerlei Gründen heute noch nicht bereit. Es wird aber kommen, da bin ich mir sicher“, bleibt Steul optimistisch. Er setzt nun auf eine bessere Information der Verbraucher, damit diese künftig nur noch Kombiradios kaufen. ARD, Deutschlandradio, aber auch einige private Radios starten 2017 zudem drei große Marketingkampagnen. „Das gab es bis dato noch nie“, sagte Steul dem Tagesspiegel.

Neue Probleme durch VPRT-Ausstieg

Doch gerade jetzt, wo der DAB+-Zug langsam Fahrt aufnimmt, treten neue Probleme auf. Der mächtige Privatsenderverband VPRT ist aus dem Digitalradio-Board ausgetreten. Der Aktionsplan mit seiner einseitigen Ausrichtung auf DAB+ sei „nicht markttauglich“, erklärte der VPRT-Radiovorsitzende Klaus Schunk den Schritt. Zwar trägt der Verband Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk (APR) mit seinen rund 120 Radiowellen weiterhin den Aktionsplan, doch die Stimme des VPRT hat großes Gewicht. Und dort setzt man auf ein duales System, in dem UKW auch weiterhin ein Zukunft hat.

Nach Ansicht des VPRT sollten die Rahmenbedingungen für einen Migrationsprozess hin zu DAB+ erst diskutiert werden, wenn diese Technik ein signifikantes Nutzungsniveau erreicht hat, teilte der Verband auf Nachfrage mit. Mit dem Ende des analogen Antennenfernsehens im Jahr 2003 - Ende März steht der Wechsel zu DVB-T2 an - sei die Situation wegen „der weiterhin hohen und stabilen Nutzung von UKW mit mehreren Geräten pro Haushalt“ zudem nicht vergleichbar. Zudem kritisiert der Verband, dass im Aktionsplan der Radio-Empfang auf Smartphones via Internet nicht ausreichend berücksichtigt wird. Allerdings bedeutet der Auszug des VPRT aus dem Digitalradio-Board nicht, dass die Mitglieder DAB+ grundsätzlich ablehnen. Einige sind bereits im Digitalradio aktiv oder planen das für die Zukunft.

Betriebswirtschaftlich tragfähig

Oliver Dunk, der mit seiner Dunk Media Group mehrere Radiosender wie unter anderem Radio B2 betreibt und mit dem Jugendsender Maxx FM gerade eine weitere Welle auf DAB+ gestartet hat, teilt die Vorbehalte des VPRT nicht. „Nicht markttauglich ist nun wirklich Quatsch. DAB+ ist in fünf Jahren zu einer Erfolgsgeschichte geworden“, sagt er. „Die VPRT-Argumente sind auch nicht alle von der Hand zu weisen, besonders wenn es um die Frage der Nachnutzung von UKW-Kapazitäten der ARD-Anstalten geht. Andererseits wird der VPRT aus unserer Sicht von großen Radiokonzernen dominiert, die aus verschiedenen – vor allem aber wirtschaftlichen – Gründen kein Interesse an weiteren Wettbewerbern im Markt haben, schon gar nicht aus dem Mittelstand“, vermutet der Radiomacher. Er sieht sein DAB+ Engagement als eine Investition in die Zukunft an. „In Kombination und bei Nutzung aller Synergien mit unseren UKW-Sendern sind für uns auch die DAB+ Programme betriebswirtschaftlich tragfähig.“

Kurt Sagatz

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