Beliebter ORF-Journalist Armin Wolf: „Vielleicht sollte ich mal mit Rücktritt drohen“
Der ORF-Moderator Armin Wolf ist so hartnäckig wie beliebt – zumindest bei Zuschauern. Ein Interview über umstrittene Arbeitsanweisungen und Kritik von Rechtspopulisten.
Herr Wolf, Sie sind dafür bekannt, sehr kritisch zu fragen und ihren Gast zu unterbrechen, wenn eine Frage nicht direkt beantwortet wird. Was wollen Sie damit erreichen.
Ich bemühe mich sehr, zu meinen Gästen höflich zu sein. Aber ich mache Interviews zu komplexen Themen mit professionellen Politikern, die nicht unbedingt jede Frage beantworten wollen, während eine Uhr mitläuft. Und die Zuseher sollen das Thema und den Politikern am Ende besser verstehen als vorher.
Gibt es deswegen Absagen?
Der frühere Bundeskanzler Werner Faymann ist mal gut zwei Jahre nicht ins Studio gekommen, nach einem Interview im Jahr 2012.
Sie polarisieren stark.
Ich lege es nicht auf Polarisierung an, aber man kann vor 600.000 Zuschauern nichts machen, ohne dass es irgendjemanden stört. Und ich möchte das Publikum auch nicht langweilen, sondern hätte gerne, dass es zuschaut, möglichst bis zum Schluss.
Ist es nicht problematisch, wenn Sie als Journalist so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen?
Ich bin Journalist geworden, um Menschen zu informieren. Idealerweise möglichst viele Menschen. Wenn da welche meinetwegen einschalten sollten, ist mir das auch recht. Hauptsache, sie schalten ein.
Haben Sie Einfluss auf die öffentliche Meinung, Herr Wolf?
Ich hoffe doch. Es steht sogar ausdrücklich im Rundfunk-Gesetz, dass die Information im ORF zur „Meinungsbildung im Dienste des mündigen Bürgers und damit zum demokratischen Diskurs der Allgemeinheit beitragen“ soll.
Vor allem von der FPÖ werden Sie hart kritisiert. Der ORF-Stiftungsrat und FPÖ-Politiker Norbert Steger meinte, Sie würden “unbotmäßige” Fragen stellen Erst vor kurzem haben Sie Vizekanzler Heinz-Christian Strache verklagt, wegen Ehrenbeleidigung und übler Nachrede. Warum haben die Rechtspopulisten so ein Problem mit Ihnen?
Das müssen Sie Herrn Strache oder andere Freiheitliche fragen. Ich glaube allerdings nicht, dass sie für das Publikum insgesamt sprechen. Die „ZiB 2“ hat die höchsten Einschaltquoten seit 15 Jahren und ich bekomme sehr viel mehr positive Reaktionen als negative.
Nun ist die FPÖ auch in der österreichischen Regierung, Haben Sie Angst um Ihren Job?
Ich bin grundsätzlich nicht sehr ängstlich.
Wer sind Ihre Unterstützer im ORF?
Brauche ich Unterstützer? Wenn Herr Steger sagt, ich hätte „unbotmäßige“ Fragen gestellt, soll er das gerne tun. Wir sind nicht in Russland oder der Türkei, es warten keine Schlägertrupps auf mich vor der Tür des ORF.
Sie reagieren auf Kritik sehr abgeklärt. Machen Sie nie Fehler?
Natürlich mache ich Fehler. Ständig. Leider. Ich würde kein Interview, das ich je gemacht habe, und das waren mehr als 2000, genauso wiederholen. Ich würde jedes anders machen, manche zu 5 Prozent, manche zu 50 Prozent. In einem Live-Interview müssen Sie sehr schnell sehr viele Entscheidungen treffen. Manchmal sind sie richtig, manchmal nicht.
Sind Sie der Meinung, dass das Interview die Königsdisziplin des Journalismus ist?
Mit Königsdisziplinen tue ich mich schwer. Aber ich halte Live-Interviews im Fernsehen für eine enorm faire Form des Journalismus. Wer live befragt wird, kann unmittelbar und ungekürzt darauf reagieren. Er kann meine Frage beantworten, er kann mich beschimpfen, er kann das Interview abbrechen. Wenn ich einen Leitartikel schreibe und einem Politiker etwas vorwerfe, steht das unwidersprochen da.
In der „ZiB 2“ nehmen die Interviews viel Platz ein, acht bis zehn Minuten. In den „Tagesthemen“ oder dem „Heute-Journal“ sind diese Segmente halb so lang. Vermissen Sie ausführliche Interviews bei den deutschen Kollegen?
Ich vermisse ein Format, wie es Sandra Maischberger früher auf „n-tv“ hatte. Ein tagesaktuelles Interview mit einem relevanten Gast von einer halben Stunde. Das ist eine super Länge, da kann man wirklich nachfragen.
Finden Sie die Interviews von Marietta Slomka oder Caren Miosga lahm?
Ich finde die Interviews von Marietta Slomka und Caren Miosga hervorragend. Das sind zwei großartige Kolleginnen, mit denen ich mich sehr gerne austausche.
Nicht nur Sie, sondern der gesamte ORF wird scharf attackiert. Wie steht es um die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks?
Ich bin besorgt, denn die Situation ist doch anders als früher. Parteien und Regierungen haben den ORF immer kritisiert. Aber jetzt wird er erstmals als Institution in Frage gestellt. Die FPÖ möchte die Rundfunkgebühren abschaffen und den ORF zukünftig aus Steuergeldern finanzieren. Das wäre de facto eine Verstaatlichung. Die ORF-Führung müsste jedes Jahr zur Regierung gehen und um Geld betteln. Zu einer Regierung, die ein sehr hohes Interesse daran hat, wie der ORF über sie berichtet. Das heißt, der ORF wäre extrem erpressbar. Dass so eine Idee von einer Regierungspartei kommt, ist neu. Wenn das käme, wäre es eine Katastrophe.
Auch mit dem Entwurf für eine neue Social-Media-Richtlinie war der ORF in den Schlagzeilen. Mitarbeiter sollten sich auch auf ihren privaten Accounts nicht mehr politisch äußern dürfen.
Das war ein Entwurf. Der wurde zurückgezogen, jetzt wird an einem neuen gearbeitet. Ich glaube generell, eine Social-Media-Richtlinie zu haben, ist kein Fehler. Die Regelung, die beim ORF bereits gilt, ist aber völlig ausreichend. Die Redakteursvertretung hat sie erarbeitet und ihr erster Satz sagt schon alles was man beachten muss. Wir haben ihn von der BBC übernommen: „Tue nichts Dummes.“
Sie sind sehr aktiv auf Twitter.
Twitter ist inzwischen die wichtigste und schnellste Informationsquelle für meinen Beruf. Ich komme dadurch an Informationen, die ich sonst nicht kriegen würde, aus sehr speziellen Fachzeitungen und von Experten. Vor allem ist es eine gute Diskussionsplattform. Jedem, der mich mit einem nicht-anonymen Profil anschreibt, antworte ich auch.
Sie antworten ja nicht nur auf Twitter, sondern Sie schreiben selbst sehr viel.
Ja, aber damit verbringe ich höchstens 15 Minuten am Tag. Die meiste Zeit lese ich dort. Aber natürlich teile ich auch Dinge. Ich bin Journalist geworden, weil ich etwas lernen und es dann weitererzählen möchte. Ich wollte mal Lehrer werden, das ist so ähnlich.
Von Facebook haben Sie sich vor einigen Monaten zurückgezogen.
Früher war der Deal ja: Ich schenke Facebook meine Texte und Facebook schenkt mir Reichweite. Aber vor einigen Monaten hat Facebook seinen Algorithmus verändert und meine Texte haben viel weniger Menschen als früher erreicht. Facebook will Menschen mit Fanpages wie meiner dazu zwingen, ihre Posts zu sponsern, also zu bezahlen, um ihre Reichweite wieder zu erhöhen. Da wollte ich nicht mitmachen. Ich schreibe die Texte jetzt in meinem Blog und verlinke sie dann nur über Facebook.
Sie veröffentlichen auch regelmäßig negative Zuschriften, die Sie bekommen. Warum?
Weil sie mich amüsieren und weil ich fasziniert bin davon, was Leute so schreiben. Es gibt netterweise deutlich mehr positive, aber die zu veröffentlichen, wäre mir dann doch zu eitel.
Die meisten Spitzenpolitiker aus Österreich saßen schon bei Ihnen im Studio. Wann interviewen Sie Angela Merkel?
Sobald uns Angela Merkel ein Interview gibt. Wir haben schon mehrmals angefragt. Bisher leider erfolglos. Vielleicht sollte ich mal mit Rücktritt drohen…
Zur Person: Seit 16 Jahren moderiert Armin Wolf, 51, die Nachrichtensendung "Zeit im Bild 2" (ZiB 2) im österreichischen Fernsehen (ORF). Besonders bekannt ist er für seine Hartnäckigkeit in Interviews. 2016 bekam Wolf den Hanns-Joachim-Friedrichs-Sonderpreis verliehen. Die ZiB 2 läuft werktags um 22 Uhr auf dem Sender 3sat.