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Stereotypen.  „Jud Süß“ von Veit Harlan aus dem Jahre 1940.
© RBB/Blueprint Film

Arte-Doku über Propagandafilme: Verstecken oder zeigen? Das Erbe des Nazi-Kinos

Eine Arte-Doku fragt nach der Gefahr verbotener Propagandafilme. 300 solcher Nazi-Filme wurden nach den Krieg verboten. Das müsse nicht mehr sein, man solle diese Filme sehen, meinen Historiker.

Schwarz-weiße Bilder, ein Bauernhof in Polen, Kinder werfen mit Steinen auf eine weinende deutsche Frau, die „Hilfe, Hilfe!“ ruft, zu fliehen versucht und am Ende zusammenbricht. Dazu dramatisch orchestrierte Musik. „Heimkehr“, ein Nazi-Propagandafilm von 1941, der den Überfall auf Polen und die brutale Politik der Besatzungsmacht rechtfertigen sollte. Zwischen 1933 und 1945 wurden in Deutschland 1200 solcherlei Propagandastreifen hergestellt. 300 Filme wurden nach dem Krieg von den Alliierten verboten. Sie lagern im Bundesfilmarchiv in Hoppegarten bei Berlin. Über 40 NS-Filme sind bis heute nur unter Auflagen zugänglich – sie werden als „Vorbehaltsfilme“ bezeichnet. Der Umgang mit diesen Streifen ist schwierig: Bewahren oder entsorgen, freigeben oder verbieten? Was sind das für Filme, die noch so gefährlich zu sein scheinen, dass man sie unter Verschluss hält? Steigert das faktische Verbot die Neugier und fördert die Mythenbildung? Brisante Fragen, die die Arte-Doku „Verbotene Filme“ von Felix Moeller am Mittwochabend aufwirft.

Die meisten dieser Filme sehen heute lächerlich aus

„Der ewige Jude“, „Hitlerjunge Quex“, „Stukas, „Die Rothschilds“, „Der Stammbaum des Dr. Praetorius“, „Heimkehr“, "Jud Süß", all die kurzen Szenen und Bilder aus dem Auftragshause des Propagandaministers Joseph Goebbels sind auch in dieser Doku, eingebettet in die Bewertungen von Wissenschaftlern und Filmschaffenden, schwer zu ertragen. Manche der Filme kursieren im Internet und als Raubkopien. Die wenigen öffentlichen Aufführungen sind stark nachgefragt. Auch von Sonja M. Schultz. Die Filmwissenschaftlerin muss auf Kinovorführungen warten, bei Youtube herunterladen oder zu rechten Händlern gehen, wenn sie Filme aus der Zeit für ihre wissenschaftliche Arbeit auswerten will. Regisseur Oskar Roehler beklagt, man solle doch diese Filme niemandem vorenthalten: „Wer diese Sachen nicht kennt, der weiß wenig über unser Land.“ Die meisten dieser Filme sehen heute lächerlich aus, findet der Historiker Moshe Zimmermann – aber sie schreiben eben doch Stereotype fort.

Goebbels schrieb im August 1944 in sein Tagebuch, die Kerkerszene mit Paula Wessely in „Heimkehr“ sei „das Beste, was je im Film gedreht worden ist“. Das sieht das Kuratorium der Murnau-Stiftung mit fünf Vertretern der privaten Filmwirtschaft sowie drei Vertretern der öffentlichen Hand natürlich anders. Das Gremium trifft sich regelmäßig, auch um über die verbotenen, nicht zugelassenen Filme zu diskutieren. Man bewegt sich auf schwierigem Feld, ähnlich wie beim Umgang mit Hitlers Buch „Mein Kampf“. Das Grundgesetz erlaubt keine Zensur. Verboten sind die Filme aus Gründen des Jugendschutzes und des Urheberrechts.

Neben grölenden Neonazis im Kino

Natürlich könne man fragen, was an den Filmen, 70 Jahre nach Ende der Nazi-Herrschaft, noch gefährlich sein solle, sagt Ernst Szebedits, Vorstand der Murnau-Stiftung, die sich für den Erhalt und die Pflege eines Großteils des deutschen Filmerbes einsetzt. Andererseits finde er die Vorstellung unangenehm, in einer nicht kontrollierten öffentlichen Vorführung von „Jud Süß“ grölende Neonazis sitzen zu haben, während vielleicht auch noch Überlebende des Nazi-Terrors anwesend sind.

Der Historiker Moeller hat seinen Film recht komplex angelegt, zeigt auch Aussteiger aus der rechten Szene, die von Rekrutierungspraktiken und der Verführungskraft der Bilder auf junge Menschen erzählen, sowie überraschende Reaktionen auf Nazifilm-Vorführungen in Paris und Jerusalem. Am Ende steht keine einfache Lösung. Aber der Wunsch des Historikers Götz Aly: „Man sollte all diese Filme frei zugänglich machen.“ Damit man über sie diskutieren könne, das sei besser, als sie unter der Bettdecke zu halten.
„Verbotene Filme“, Arte, Mittwoch, 22 Uhr 20

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