Gesetz ist da, jetzt muss die Gesellschaft debattieren: Vereinte Hass-Löscher
Bundesjustizminister Heiko Maas, Verlegerinnen und Journalisten diskutieren über Grenzen für Plattformen wie Facebook.
Das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ ist nach Überzeugung von Gruner + Jahr-Chefin Julia Jäkel „eine erste kleine Antwort“ auf die schwierigen Fragen im Zusammenhang mit Hate Speech und Fake News in sozialen Medien. „Wir müssen um die großen Plattformen, besonders Facebook, eine gesellschaftlich-politische Debatte führen“, sagte die Vorsitzende der G&J-Geschäftsführung am Dienstag in Berlin. „Und wir finden, dass sich das nicht erschöpfen darf in einer Diskussion um ein einziges Gesetz.“ Sie dürfe auch nicht mit der Bundestagswahl enden.
Strafbare Handlungen, Beleidigungen, Verleumdungen im Netz seien nur ein Teil des Problems. Es gebe noch andere Herausforderungen, neuartige Einflussnahmen auf die demokratische Öffentlichkeit. „Der amerikanische Wahlkampf habe gezeigt, was alles passieren kann und mit welcher Kraft Plattformen wie Twitter und Facebook instrumentalisiert und missbraucht werden können“, sagte Jäkel beim ersten „Journalismusdialog“ zum Thema „Die Rolle von Journalismus in Zeiten von Fake News und alternativen Fakten“, zu dem Gruner + Jahr, Spiegel Verlag, Zeit Verlag und Media Group Medweth nach Berlin eingeladen hatten.
Justizminister verteidigt Gesetz
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) verteidigte das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“, mit dem die Bundesregierung Plattformen wie Facebook und Twitter zwingen will, strafbare Hasskommentare konsequenter zu entfernen. Dass Facebook in vorauseilendem Gehorsam nun sehr viel mehr Beiträge löschen könnte als nötig, um jeden rechtlichen Ärger zu vermeiden, hält Maas für unrealistisch. Im Moment entscheide Facebook nach der Devise „Wir löschen im Zweifel nicht“, so der Minister. „Wenn wir uns jetzt hinstellen und sagen, wir machen lieber gar nichts, dann überlassen wir es Facebook, die Grenzen der Meinungsfreiheit zu diktieren.“
Auch Verleger hatten Maas zu Beginn der Debatte über das Gesetz scharf kritisiert. Bei der Veranstaltung am Dienstag gaben sie nun Rückendeckung für die Gesetzespläne. Die stellvertretende „Spiegel“-Chefredakteurin Susanne Beyer sagte, trotz aller Schwächen und Kritik „war der Impuls, Facebook Grenzen aufzuzeigen, vollkommen richtig“.
"Reporter ohne Grenzen" attackiert Gesetz
Nach Ansicht von „Reporter ohne Grenzen“ aber sollte das geplante Gesetz noch einmal in Ruhe beraten und in dieser Legislaturperiode nicht mehr behandelt werden. Auch nach einigen Änderungen am Entwurf des NetzDG bleibe das Grundproblem ungelöst, erklärte die Journalistenorganisation. Durch die kurzen Löschfristen bestehe weiterhin die Gefahr, dass Betreiber sozialer Netzwerke künftig im Zweifel Inhalte lieber zu oft als zu selten entfernten.
Unklar sei auch, welche Fälle an die neue Stelle zur Selbstregulierung weitergeleitet werden und nach welchen Kriterien dort über eine Löschung entschieden wird, sagte Geschäftsführer Christian Mihr. „Das Verfahren bleibt letztlich so intransparent wie die bisherige Löschpraxis von Facebook.“ (mit dpa und epd)
Joachim Huber