Superhelden auf Sky: Unter Beobachtung: „Watchmen“ als Serie
Unsere rätselhafte Liebe zu Superhelden: „Lost“-Erfinder Damon Lindelof hat sich an den Kult-Comic „Watchmen“ gewagt - als Serie.
Wer wünscht sich das nicht: eine Geheimidentität? Ein Ort, wo du dich zurückziehen kannst, keine Beobachtung. Wenn es irgendwo kracht, ziehst du dein Heldenkostüm an und rettest die Welt. Clark Kent alias Superman hat damit jahrzehntelang gute Erfahrungen gemacht. Spätestens mit der Comicserie „Watchmen“, in der Alan Moore und Dave Gibbons eine Welt zerrissener und soziopathischer Superhelden schufen, verlagerten sich in den 1980ern die Gewichte – in Richtung Antiheld.
Getriebene Wahnsinnige, traumatisiert durch Misshandlung oder gar Ermordung der eigenen Eltern vor ihren Augen, oszillierend zwischen Hybris und Selbstzweifel, zwischen Gut und Böse – diesen offenbar sehr zeitgeistigen Helden-Stoff hat sich nun HBO gegriffen, um mit einer Fortsetzung der „Watchmen“ die Serien-Lücke nach dem Ende von „Game of Thrones“ zu schließen [„Watchmen“, neun Folgen, ab 4. November immer montags auf Sky].
Bei allen übermenschlichen Kräften: So surreal wie die Fantasy-Götter kommen die „Watchmen“ nicht daher. Der Reiz der Vorlage aus 1986 bestand darin, dass mittels Eingriff von Superhelden Geschichte umgeschrieben, der Vietnamkrieg von den USA gewonnen und Präsident Nixon wieder gewählt wurde. Kenner des kultisch verehrten Comics müssen sich mit der Serie allerdings umstellen, was in den USA nach Ausstrahlung der ersten Folgen durchaus kritisch angemerkt wurde.
Was ist da los? Mitten am Tag regnet es Tintenfische, auf Bäumen wachsen Tomaten, in der Schule geben Kinder Hasssprüche von sich, in einem Schloss veranstaltet ein irrer Hausherr Theaterinszenierungen, bei denen die Protagonisten sterben. „Lost“–Erfinder Damon Lindelof hat für seine „Watchmen“ Personal und Themen der Quelle kräftig geschüttelt.
Von den Superhelden mit seltsamen Gestalten und Namen (Ozymandias, Nite Owl, The Comedian, Silk Spectre, Rorschach, Easter Egg), die Verbrecher gejagt oder Atomkriege verhindert haben, sind nicht viel übrig geblieben, 30 Jahre nach den Buchgeschehnissen.
Einer der interessantesten Charaktere im Superhelden-Universum
Auch die „Watchmen“-Verfilmung von Zack Snyder (2009) ist nur schemenhaft erkennbar. Die meisten der bekannten Charaktere sind tot oder verstecken sich, wie der berüchtigte Dr. Manhattan, der auf dem Mars weilen soll.
Was schade ist, stellt dieses – nach einem Unglück im Forschungszentrum – gleichsam übermenschliche, zutiefst menschliche Wesen in seiner moralisch-erhabenen Unbeteiligtheit einen der interessantesten Charaktere im Superhelden-Universum dar, außerhalb von Zeit und Raum.
Im Mittelpunkt der neunteiligen Serie stehen die kühle FBI-Agentin Laurie Blake (Jean Smart) und Angela Abar (Regina King), Ex-Polizistin, die ihr Alltagsgewand mit einem ledernen Umhang und einer Maske tauscht, um nach einem rassistischen Massaker in Oklahoma sowie einem verheerenden Anschlag auf Polizisten und deren Familien Amerika zusammen zu halten.
Eine Art weiblicher Super-Zorro gegen die rassistische Terrororganisation „Siebente Kavallerie“, die sich auf „Watchmen“ Rorschach beruft. Dieser wird zum Symbol für weißen Suprematismus, was sich durchaus als Kommentar zu aktuellen politischen Bestrebungen lesen lässt, nicht nur in den USA.
Zum Schutz ihrer Identität verhüllen Polizisten im Dienst mit Schals ihr Gesicht. Die Regierung hat Internet und Handys verbieten lassen. In Schulklassen hängt das Bild von Präsident Nixon. Das Land befindet sich in instabilem Zustand, als ein Video auftaucht: „Wir sind niemand, wir sind jeder, wir sind unsichtbar.“ Die Terroristen tragen Baumwollmasken mit Totenschädeloptik.
Nur: Wo sind jetzt die „Watchmen“? Wer bewacht oder beobachtet wen? Liebhaber von Rätsel-Serien wie „Lost“ oder „The Leftovers“ werden auf ihre Kosten kommen. Dazu ein fulminanter Soundtrack (Devo, Trent Reznor) und Cast: Jeremy Irons als durchgeknallter Schlossherr und Don Johnson als Polizeichef, der die Siebte Kavallerie in Schach zu halten versucht.
Superhelden gehen immer, in allen Variationen, siehe auch „The Boys“, eine der meistgeschauten Serien auf Amazon Prime Video. „Watchmen“ ist mehr. Das „Time Magazine“ hatte die Vorlage in die Liste der 100 besten englischsprachigen Romane zwischen 1923 und 2005 aufgenommen – als einzigen Comic. Ein bisschen was davon ist in der Serie übrig geblieben, mit viel Blut und Gewalt und Verschwörung und unübersichtlichen Lager gegen Nazi-Schurken. Am Ende ertappt man sich kurz bei der Sehnsucht nach eindeutigen Helden. Superman, hilf!
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