Die Tour im TV: Über den Berg
Die Tour de France verlief für die TV-Sender so gut wie seit Jahren nicht mehr. Eurosport hat den Tour-Vertrag bis 2023 verlängert. Wie entscheidet sich die ARD?
„Das ist die spannendste Tour de France seit zwanzig Jahren.“ So euphorisch waren die Ankündigungen der ARD für die Live-Berichte von der Frankreichrundfahrt seit dem Sieg von Jan Ulrich im Jahr 1997 tatsächlich nicht mehr. Für die ARD waren die über 3500 Kilometer, die die in Düsseldorf gestarteten Fahrer in den drei Wochen zurückgelegt haben, ein sportliches Premium-Produkt. Vor allem, nachdem andere attraktive Sportrechte wie die Olympischen Spiele an die Konkurrenz des Eurosport-Mutterkonzerns Discovery gegangen sind.
Auch in diesem Jahr konnten die Zuschauer die Tour bei der ARD wieder in vollen Zügen genießen und dabei wie an diesem Donnerstag am Rande der Strecke Sehenswürdigkeiten wie das Fort des Tournoux auf der letzten Alpen-Etappe entdecken. „Die Tour de France 2017 hat sich hinsichtlich der Zuschauerzahlen im Vergleich zum Vorjahr deutlich gesteigert. Das Interesse war groß, insbesondere vor Ort an der Strecke an den beiden ersten Tour-Tagen in Deutschland“, fasst ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky die Frankreichrundfahrt zusammen. „Sehr gut war aus unserer Sicht auch das Zusammenspiel von One (dem ehemaligen EinsFestival) und Das Erste. Alle Etappen konnten live von Beginn an in unseren Programmen verfolgt werden.“ Am Mikrofon teilten sich Florian Kurz und Florian Naß die Arbeit, Michael Antwerpes berichtete von den Zielorten.
Ähnlich spannend wie die Entscheidung über das Gelbe Trikot
Für die Sportchefs der Sender mindestens ebenso spannend wie der Kampf um das Gelbe Trikot ist zudem der Wettbewerb zwischen der ARD und Eurosport. Während sich der öffentlich-rechtliche Sender bei Live-Berichten von Radrennen auf die Tour konzentriert, begleitet Eurosport diese Sportart das ganze Jahr über. „Wir behaupten mit großem Stolz, das ‚Home of Cycling‘ zu sein, und mit dem neuen Tour-de-France-Vertrag können wir diese Aussage eindrucksvoll bekräftigen. Bis 2023 können wir den Fans nun jede Rennminute der Tour de France live zeigen“, sagte Eurosport-Chef Peter Hutton dem Tagesspiegel. Eurosport hat am Freitag den Abschluss eines neuen Vertrages mit der Europäischen Rundfunkunion EBU und dem Tour-Veranstalter ASO bekannt gegeben. Danach wird Eurosport die Tour von 2020 bis 2023 in insgesamt 38 Ländern sogar exklusiv zeigen. Deutschland gehört zwar nicht dazu, jedenfalls nicht komplett. Hier zeigt Eurosport in diesen vier Jahren nur die ersten 30 Minuten jeder Tour-Etappe exklusiv. Wo das Spektakel sonst noch läuft, steht noch nicht fest. „Unser Vertrag mit der ASO geht noch bis einschließlich 2018“, sagte Balkausky dem Tagesspiegel. Die Frage nach der weiteren Zukunft ließ er – vorerst – unbeantwortet.
Die frühzeitige Vertragsverlängerung von Eurosport hängt sicherlich auch mit den guten TV- Quoten zusammen. „Wir berichten von Kilometer Null in voller Länge“, hat Eurosport die Live-Berichterstattung von der Tour beworben. Das hat sich offensichtlich ausgezahlt: Bei den durchschnittlichen Zuschauerzahlen – 0,34 Millionen – legte Eurosport um 33 Prozent zu, beim Marktanteil sogar um 45 Prozent. Die Etappe am französischen Nationalfeiertag, an dem die Tour in den Pyrenäen fuhr, sahen in der Spitze sogar 750 000 Zuschauer bei Eurosport.
HD-Vorteil für die ARD
Doch offenbar liegt Eurosport auf den meisten Fernbedienungen weit hinter der ARD, wo an den Wochenenden sogar über 2,3 Millionen Zuschauer die Tour-Etappen verfolgten. Im direkten Wettbewerb profitieren die ARD-Sender One und das Erste zudem davon, dass bei ihnen die Live-Berichte komplett in HD und mit weniger Werbung ausgestrahlt werden. Für HD muss beim werbefinanzierten Eurosport extra gezahlt werden, ansonsten bleibt nur die Übertragung in der schlechteren Standard-Auflösung – was insbesondere den Genuss der herrlichen französischen Landschaftsaufnahmen trübt.
Die Bildqualität ist nicht der einzige Unterschied. Die Kommentierung bei Eurosport durch Karsten Migels und Jean-Claude Leclerq ist stärker als in der ARD auf die sportlichen Aspekte ausgerichtet. Der ehemalige französische Straßenmeister und mehrfache Tour-Teilnehmer Leclerq ist nicht nur ein wandelndes Radsport- Lexikon, er kann zudem aus eigener Erfahrung über die Besonderheiten der Sportart aufklären. Selbst das Doping-Thema, lange Zeit eher in Euphemismen umschrieben als direkt angesprochen, wird nun offensiv angegangen. Als ein Zuschauer die Moderatoren via Facebook aufforderte, doch weniger darüber zu reden, erklärten Migels und Leclerq, dies gehöre zur journalistischen Aufklärungspflicht dazu. Aktuell spielte dieses Thema jedoch auch gar keine Rolle mehr.