zum Hauptinhalt

Kritik am ZDF-Verwaltungsrat: Triumph des Klischees

Nach der Causa Brender war die Kritik groß: Der ZDF-Verwaltungsrat als gruseliges Politikergremium, so lautete die vorherrschende Darstellung. Eine Gegenrede.

Das von den Medien vermittelte Bild der Realität kann zwangsläufig mit dieser Realität nicht völlig übereinstimmen, darf es vielleicht nicht einmal. Wo bliebe sonst die Freiheit der Darstellung, der Deutung, der Einfärbung aufseiten der Medienproduzenten und wo die Freiheit der Medienkonsumenten, ein Medium zu mögen oder nicht so sehr zu mögen? Nur: Allzu groß sollte der Unterschied zwischen der Beschreibung und dem Beschriebenen nicht werden. Nach meiner unmaßgeblichen – nach eigener Einschätzung allerdings richtigen – Meinung passiert das seit Monaten, wenn nicht schon viel länger, in der Berichterstattung über den ZDF-Verwaltungsrat. Als Mitglied dieses Gremiums muss ich mir ein gewisses Maß an Befangenheit nachsagen lassen, ganz klar. Andererseits kann es aber auch kein Nachteil sein, wenn man einen Sachverhalt genau kennt.

Der ZDF-Verwaltungsrat ein gruseliges, von der Politik dominiertes, nach Parteienproporz in zwei Lager geteiltes Gremium, in dem permanent schwer gegen die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gesündigt und der Intendant herumkommandiert wird – dieses Klischee ist längst omnipräsent. Ich räume ein: Die Entscheidung der Mehrheit des damaligen Verwaltungsrats in der Causa Brender hat kräftig zur Entstehung dieses Klischees beigetragen. Aber schon diese damalige Entscheidung wird ständig verzerrt dargestellt: „Die“ Konservativen im Verwaltungsrat hätten damals das Brender-Debakel verursacht; in Wirklichkeit war es „nur“ die Mehrheit derselben. Das mag ein marginaler Unterschied sein, ist aber nicht unwesentlich. Ich war damals noch nicht im Verwaltungsrat, sondern im nicht zuständigen Fernsehrat, weiß aber wie jeder, der nahe dran war, dass es auf der „konservativen“ Seite im Verwaltungsrat neben dem Votum der Mehrheit gegen Brender/Schächter ein Minderheitsvotum für den Schächter-Vorschlag gab (für das ich damals, ebenso unzuständig wie letztlich vergeblich, auf allen mir zugänglichen Wegen geworben habe).

Noch ein Klischee: Die Lagerbildung

Also: nicht einmal in dieser Ausnahmesituation eine eindeutige „Lagerbildung“. Und weiter von wegen „Lagerbildung“: Bei der Berufung des Nachfolgers für den „eher linken“ Nikolaus Brender votierte der Verwaltungsrat einstimmig für den bereits damals allgemein wohlgelittenen und inzwischen allseits geschätzten „eher linken“ Peter Frey.

In der alltäglichen Arbeit des Verwaltungsrats Politisierung oder Polarisierung zu vermuten, ist geradezu skurril. Dass in der 16-Länder-Anstalt ZDF dem 14-köpfigen Verwaltungsrat Ministerpräsidenten angehören, kann wohl nicht falsch sein. Genauso nachvollziehbar ist, dass entsprechend der jetzigen Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts die Zahl der politisch benannten Mitglieder von insgesamt sechs auf vier reduziert werden soll. Entscheidend ist aber, was gern unterschlagen wird: Acht Mitglieder, also die Mehrheit des Gremiums, werden vom Fernsehrat gewählt, und zwar mit Drei-Fünftel-Mehrheit. Das setzt also eine breite Zustimmung voraus, über die Grenzen der politischen, gesellschaftlichen und sonstigen „Lager“ hinweg.

Entsprechend sachbezogen, in keiner Weise entlang irgendwelcher politischer „Fronten“ läuft die Arbeit. Die Plenarsitzungen werden ebenso sach- wie konsensorientiert vom ehemaligen Ministerpräsident Kurt Beck (Rheinland-Pfalz, SPD) und von Sachens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) geleitet. Nebenbemerkung in eigener Sache: Ich wurde in den Verwaltungsrat gewählt, ohne dass ich je ein politisches Amt oder Mandat gehabt hätte, sondern weil ich davor, möglicherweise einigermaßen ordentlich, im Ausschuss „Partnerprogramme“ (3sat, arte, Phoenix etc.) des Fernsehrats den Vorsitz geführt habe.

Es ist für mich ein Rätsel, weshalb das ZDF wegen seiner angeblich so grauslich politisierten Gremien am Pranger steht, dem Publikum aber konsequent vorenthalten wird, wie es bei anderen öffentlich-rechtlichen Sendern aussieht. Beispiel SWR: In dieser Zweiländeranstalt ist der Verwaltungsrat nicht nur größer (15 Mitglieder) als in der 16-Länder-Anstalt ZDF (14), sondern ungleich politischer und parteipolitisch einseitiger. Unter den 15 SWR-Verwaltungsräten sind acht (also die Mehrheit) aktive, amtierende Politiker (beim ZDF sind es drei, die drei anderen Politiker sind a. D.); von diesen acht politischen SWR-Verwaltungsräten gehören sieben der SPD und den Grünen an, vier aus Baden-Württemberg (darunter beide Minister aus der Staatskanzlei) und drei aus Rheinland-Pfalz. Im Vergleich dazu ist das ZDF ein Muster an Staatsferne und parteipolitischer Ausgewogenheit und hat deshalb Anspruch auf Ehrenrettung. Das musste mal gesagt werden.

Hans Georg Koch, Ministerialdirigent a. D., war bis Dezember 2012 Leiter der Kunstabteilung im baden-württembergischen Wissenschaftsministerium, seit Juli 2012 Mitglied im ZDF-Verwaltungsrat.

Zur Startseite