Der neue "Tatort" aus Wien: Tod im Steinbruch
Ein bisschen wie in der Alien-Trilogie: Der "Tatort"-Neustart am Sonntag mit einer Wiener Ausgabe. Und viel Angst.
Die neue „Tatort“-Saison beginnt mit einem Paukenschlag: Afrika kommt zu uns nach Europa - mit seiner Armut, seiner Seuche, seiner Flüchtlingskrise und mit einigen seiner Menschen. Ganz plötzlich haben wir alle Afrikas Sorgen. So wird der Tatort erneut seiner hidden agenda gerecht: die politischen Großkonflikte unserer Zeit zu packen und in einen Krimi zu verwandeln.
„Virus“ von Rupert Henning (Buch) und Barbara Eder (Regie) spielt in Österreich, Chefinspektor Moritz Eisner und seine Kollegin Bibi Fellner werden nach Pöllau in der Steiermark gerufen. Dort liegt ein toter Mann auf dem Grund eines Steinbruchs, ein Schwarzer ohne Papiere. Die Bewohner des nahen Fluchthofs behaupten, ihn noch nie gesehen zu haben.
Nun meldet sich ein Sprengmeister. Er sollte am Morgen nach der Nacht, in der das Opfer mutmaßlich auf den felsigen Talgrund abgelegt und mit Steinen bedeckt worden war, eine Sprengung durchführen, und zwar stante pede, da gab es „massiven Druck“ von Seiten des Steinbruch-Besitzers. Er hat es aber nicht getan, die Vorbereitungen waren nicht sachgemäß bewerkstelligt worden. Majorin Fellner (Adele Neuhauser) und Oberstleutnant Eisner (Harald Krassnitzer) schauen einander an. Die Sprengung hätte den Toten für alle Ewigkeit im Berg geborgen. Da wollte jemand eine Leiche verschwinden lassen. Auf zum Betreiber des Steinbruchs, Thomas Reuss (Martin Niedermair). Der weiß von nichts.
Bald wird klar, dass Reuss einen Bruder hat, Albert (Andreas Kiendl), ein Arzt, der den Fluchthof ins Leben rief. Albert wirkt verstört. Inzwischen hat der Pathologe seinen Dienst getan. Der Tote trug ein Virus in sich: Ebola. Jetzt übernimmt die örtliche Polizei, und der Film beginnt noch mal von vorn. Ein Seuchenkommando rückt ein in Pöllau, das Dorf wird unter Quarantäne gestellt, jede Kontaktperson aus dem Umkreis des Infizierten verfolgt und nach Möglichkeit interniert und der Rest mit Atemschutzmasken versehen. Gefragt, ob er nicht zu viel tue, sagt der Leiter der Aktion (Markus Schleinzer): Nach dem ersten Ebola-Opfer hier in Österreich wird man sagen, er habe zu wenig getan.
Was geht's uns an?
Die Rede ist ferner davon, dass die Virus-Erkrankung seit Jahren bekannt sei, man wisse alles über den Erreger, aber niemand entwickle einen Impfstoff. Denn die Opfer – viele Tausende – seien ja eben Afrikaner. Was geht's uns an?
Oh ja, es geht uns eine Menge an, sagt dieser Film, das Virus schert sich nicht um Grenzen und Zäune, schon morgen kann es unter uns sein. „Was ist, wenn Ebola nicht in Afrika bleibt?“, fragt ein Kollege des Dr. Reuss in einer Rückblende. Eisner und Fellner ermitteln unter erschwerten Bedingungen, und der Schnupfen, den Bibi bei ihrem ersten Auftritt hatte, vor jeder Inaugenscheinnahme des Toten im Steinbruch, schürt eine neue Angst: Hat sie sich womöglich angesteckt? Bevor die Kommissarin noch das Für und Wider abwägen kann, wird sie auch schon in einen transparenten Käfig gesteckt und in einen Krankenwagen geschoben. Eisner kann gerade noch ein paar teilnahmsvolle Worte an ihrer Pritsche murmeln.
„Virus“ versucht, ein Klima der Bedrückung und der Hysterie zu erzeugen, das in etwa so infektiös ist wie der gefürchtete Erreger, das aber wohl auch auf die Panik verweisen soll, die in Ländern ausbrechen kann, die mit Flüchtlingselend konfrontiert sind. Eisner und Fellner bleibt nicht viel mehr übrig als kühles Blut zu bewahren und bei der Aufklärung der komplizierten Zusammenhänge unkonventionelle Wege zu beschreiten.
Am Ende kommt es dann doch zu der anfangs ausgebliebenen gewaltigen Explosion, die für’s Erste die Gefahr in einer Rauchwolke auflöst. Aber wie lange wird das gutgehen? Werden wir nicht die Rückkehr des Virus befürchten müssen? Und was wird aus unserem Wiener „Tatort“-Gespann, das uns doch ans Herz gewachsen ist? Kaum ist Bibi im Krankenwagen verschwunden, als auch Moritz husten muss und von einem aufmerksamen Seuchenschutzkollegen sistiert wird... Es ist ein bisschen wie in der Alien-Trilogie. Der Keim des Bösen - hier der böse Keim - reist immer mit.
„Tatort: Virus“, Sonntag, ARD, 20 Uhr 15