Nach Hass-Kommentaren auf Facebook-Seite: Til Schweiger gibt TV Mitschuld an Hetze im Netz
Realityshows sind nach Ansicht von Til Schweiger mitverantwortlich dafür, dass Menschen im Netz hasserfüllte Kommentare posten. Der Schauspieler ist kürzlich selbst Opfer einer solchen Hetze geworden.
Eigentlich ist Til Schweiger im Ersten immer dann zu sehen, wenn eine neue "Tatort"-Folge mit ihm läuft oder einer seiner Filme gezeigt wird. Am Montagabend aber hatte der Schauspieler einen ungewöhnlichen Auftritt: Per Skype ließ er sich von seinen Dreharbeiten in Istanbul ins ARD-"Nachtmagazin" schalten, der Grund: Schweiger ist wütend. Und zwar richtig.
"Habe nicht mit dieser Vehemenz gerechnet"
Hunderte von hasserfüllten und ausländerfeindlichen Kommentaren hatte er auf Facebook bekommen, nachdem er einen Spendenaufruf des "Hamburger Abendblatts" für Flüchtlinge geteilt hatte. "Ich habe damit zwar gerechnet, aber nicht mit dieser Vehemenz", sagte er im Interview mit dem "Nachtmagazin". Es gebe offensichtlich "mehr Menschen mit rechtem Gedankengut als uns lieb ist", mutmaßte er.
Seine Begründung dafür, woher der Hass im Netz kommt, mutet allerdings abenteuerlich an.
TV trage dazu bei, dass Menschen "abstumpfen"
Es gebe eine Menge Leute, "die nicht nachdenken, weil sie keine Phantasie haben und den ganzen Tag vorm Fernseher sitzen und in irgendwelchen Realityshows sehen, wie sich irgendwelche stumpfen Leute beleidigen, runtermachen, dissen", sagte der 51-Jährige. "Und das prallt an einem nicht ab". Deshalb trage "das deutsche Fernsehen seinen Teil dazu bei, dass Leute so abgestumpft sind."
Schweiger ist allerdings selbst Teil dieses "deutschen Fernsehens" - und dort nicht allein für sein Kuschelkino bekannt. Als "Tatort"-Kommissar Nick Tschiller hat er mit "Kopfgeld" sogar eine der Folgen gedreht, die zu den brutalsten in der Geschichte der ARD-Krimireihe gehört. 19 Tote gab es in der Folge zu sehen, die im März 2014 ausgestrahlt wurde.
19 Tote gab es in seiner "Tatort"-Folge "Kopfgeld"
Schweiger aber setzt bei seiner Erklärung über den Hass im Netz offenbar nicht nur voraus, dass Zuschauer sehr wohl zwischen der Fiktion eines "Tatorts" und einer Realityshow unterscheiden können. Sondern auch, dass sich beide Zuschauergruppen insofern unterscheiden, dass sich die einen von 19 "Tatort"-Toten nicht "abstumpfen" lassen, während die anderen nach einer Folge "Berlin - Tag & Nacht" das Netz zumüllen. Andernfalls wäre er ja schließlich als Teil des TV-Systems mitverantwortlich für eine Verrohung im Internet.
Schweigers Erklärungsversuch für den teilweise scharfen Ton im Netz geht deshalb zwar nicht auf, immerhin gelingt es dem Schauspieler damit, auf dieses wichtige Thema aufmerksam zu machen.
Bereut habe er seinen Spendenaufruf nicht, sagte er im "Nachtmagazin". Ein zwölfjähriges Mädchen habe ihn um Mithilfe gebeten, damit bei der Aktion mehr Geld generiert werden könne. Dieser Bitte habe er gerne entsprochen. Er werde so etwas auch weiterhin tun. "Denn in dem Moment, in dem ich damit aufhöre, lebe ich nicht mehr in einer Demokratie", sagte er. Denn das sei ja genau das, was solche Hetzer im Netz wollen würden. "Die wollen ja, dass man mundtot gemacht wird und die Schnauze hält", meinte Schweiger und versicherte: "Aber ich denk' nicht dran." Sonja Álvarez
Sonja Álvarez