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Vorbereitung für die Zukunft: im Herbst ist das neue Verlagsgebäude der „taz“ bezugsfertig. Eine Webcam zeigt den Baufortschritt.
© Tsp

„Zeit für Veränderung“: "taz" plant Ende der Druckausgabe

Die „taz“ denkt über das baldige Ende der täglichen gedruckten Ausgabe nach. Dafür soll die Internetausgabe gestärkt werden. Diesen Weg ist bereits eine andere Zeitung gegangen.

Die „taz“ steht vor tiefgreifenden Veränderungen. „Wir sind sicher, dass wir die Existenz der taz sichern, wenn wir uns bereits jetzt gut darauf vorbereiten, dass der tägliche Druck und Vertrieb der Papier-taz bald nicht mehr möglich sein könnte“, schrieb „taz“-Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch unter der Überschrift „Szenario 2022“ in einer Mitteilung an die genossenschaftlichen Eigentümer. Die Nach-Print-Zeit könnte Ruch zufolge so aussehen: „Sie (die Leser) kommen morgens zur Arbeit und haben auf Ihrem Smartphone oder Tablet schon alles erfahren, was Ihnen wichtig ist. Sie haben dieses digitale Angebot vielleicht kombiniert mit der taz am Wochenende auf Papier, die sich noch mehr von der Werktags-taz unterscheiden wird als jetzt schon.“ Ruch schließt mit der Hoffnung: „Wer sich früher verändert, hat auch früher wieder liebgewonnene Gewohnheiten. Deshalb sagen wir: Es ist Zeit für Veränderung“.

Die „taz“ wäre nicht die erste Zeitung, die diesen drastischen Weg geht. Vor einem halben Jahr hat bereits eine andere Zeitung mit ebenfalls überregionaler Ausrichtung und einer sehr zugespitzten Zielgruppe die Erscheinungsweise so geändert, dass nur noch am Wochenende eine gedruckte Zeitung erscheint und unter der Woche auf das Internet gesetzt wird. Die „ Tagespost“ in Würzburg erscheint seit Januar gedruckt nur noch als „Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur“, zugleich wurde der Online-Auftritt für die Berichterstattung unter der Woche verstärkt. Die Auflage betrug zuletzt nur noch 9000 Exemplare.

Auch bei der „taz“ geht die verkaufte Auflage stetig zurück. Seit 2012 sank sie von rund 57.761 Exemplaren (davon 4.767 ePaper) auf zuletzt 49.737 (davon 13.902 E-Paper), dagegen blieb die Auflage der „taz am Wochenende“ nahezu stabil. Die Chefredaktion der „taz“ setzt bei der Transformation in die digitale Zukunft vor allem auf das Smartphone. „Die taz bleibt auf dem Handy Tageszeitung. Aber sie muss sich von ihrem Vorbild auf Papier lösen“, schreiben Chefredakteur Georg Löwisch und seine Vertreterinnen Katrin Gottschalk und Barbara Junge. In der Belegschaft werden die Pläne überwiegend positiv aufgenommen, zumal damit kein Stellenabbau verbunden sein soll. Allerdings besteht die Sorge, dass Leser der 1968er-Generation auf den Wegfall einer gedruckten täglichen linken deutschen Tageszeitung mit Verärgerung reagieren könnten.

Im Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger ist die „taz“ zwar nicht organisiert, gleichwohl beobachtet man die Entwicklung beim Genossenschaftsblatt mit großem Interesse. „Die ,taz‘ ist eine schöne Blume im großen Garten der Zeitungslandschaft, die diverser ist als viele glauben“, sagte BDZV-Sprecherin Anja Pasquay. Die Digitalisierung ist das große Thema für die Zeitungsbranche. In den USA, aber auch in europäischen Ländern wie Großbritannien und eben auch Deutschland mit der „Tagespost“ haben sich bereits Zeitungen für den Weg entschieden, den die „taz“ jetzt gehen will.

Was den Genossen aus Berlin helfen kann, ist das besondere Online-Bezahlmodell. Die „taz“ stellt ihren Online-Lesern frei, für die Artikel zu zahlen. Das funktioniert überraschend gut. Laut Geschäftsbericht 2017 nimmt die Genossenschaft über „taz zahl ich“ eine ordentliche Summe (760 000 Euro) ein. Nach einer Trendstudie des BDZV sind bereits bei einem Drittel der Titel in Deutschland Bezahlmodelle im Einsatz, viele andere arbeiten daran.

Branchengerüchte, dass nicht nur die „taz“ das baldige Ende der gedruckten Wochentagsausgabe plant, sondern dass es vergleichbare Überlegungen auch für „Welt“ und „Welt am Sonntag“ gibt, werden vom Springer-Verlag dementiert. „Wir planen keine Veränderung der Erscheinungsweise. Wie wohl kaum ein anderer Verlag haben wir uns sehr frühzeitig auf den Rücklauf bei den Printauflagen eingestellt und gleichzeitig in den Ausbau des Digitalangebotes investiert. Uns war dabei immer wichtig, dass im Zeitalter des Internet Journalismus auch über die Leser refinanziert werden muss, nicht nur über Anzeigenerlöse“, teilte Springer-Sprecherin Edda Fels auf Anfrage mit.

Dass Zeitungen noch gut in der Gesellschaft verankert sind, zeigt auch die am Dienstag veröffentlichte „Media Analyse 2018 Tageszeitungen“: Demnach liegt die Gesamtreichweite aller Zeitungen bei 39,3 Millionen deutschsprachigen Personen ab 14 Jahren. Das entspricht einer Leserschaft von 55,8 Prozent der Bevölkerung. Die stärkste Verbreitung haben regionale Abozeitungen mit 31,7 Millionen Lesern. Sie werden nahezu von der Hälfte (45 Prozent) der Bevölkerung täglich genutzt (Vorjahr: 46,9 Prozent).

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