Interview zur Pressekonzentration: „Eine Katastrophe für die Vielfalt“
Zeitungsforscher Horst Röper über Monopole, Zentralredaktionen und Lokaljournalismus im Netz.
Herr Röper, das Urteil ihrer neuen Studie zum deutschen Zeitungsmarkt ist vernichtend. Sie sprechen von einer „neuen Welle der Pressekonzentration“. 61,6 Prozent der verkauften Gesamtauflage der Tageszeitungen werden inzwischen von den zehn größten Verlagsgruppen verlegt, an der Spitze steht Springer.
In der Vergangenheit hat sich der Konzentrationsgrad im Nachkomma-Bereich entwickelt. Aber in den vergangenen zwei Jahren erlebten wir über 1,8 Prozentpunkte Steigerung. Es gibt einen erheblichen Anteilszuwachs zugunsten der Großverlage. Zeitungen werden in Deutschland traditionell auf der horizontalen Ebene gehandelt, größere Verlage übernehmen kleinere, es kommt kein Fremdkapital rein. Das führt zu solchen sprunghaften Entwicklungen.
Sinkende Werbeeinnahmen und Auflagenverluste führen zu Einsparungen. Was heißt das für die Presselandschaft?
Während früher in fast allen Verbreitungsgebieten zwei oder mehr lokale Zeitungen nebeneinander konkurrierten, ist das heute die Ausnahme, abgesehen vom Berliner Markt. Das ist hinsichtlich der Vielfalt die noch größere Katastrophe. Es gibt kein Zeitungssterben, denn Zeitungen werden kaum komplett eingestellt. Aber viele Lokalredaktionen werden geschlossen, weil die Regionalzeitungen sich aus den Rändern ihrer Regionen zurückziehen und sich auf Ballungsräume fokussieren. In diesen Gegenden hat dann die übrig bleibende Zeitung das Monopol auf die Lokalberichterstattung.
So entsteht Platz für neue Angebote wie lokale Blogs oder Bürgerjournalismus?
Die letzte Tageszeitungsgründung in Deutschland war die „Taz“, und die ist auch schon über 30 Jahre alt. Zu lokalen Onlineangeboten haben wir mehrere Studien gemacht. Vor zweieinhalb Jahren gab es in Nordrhein-Westfalen 68 lokaljournalistische Blogs von neuen Anbietern. Das machen meistens ehemalige Zeitungskollegen. Aber ihre einzige Finanzierungsquelle ist Werbung, die allein nicht ausreicht. Auch Angebote, die sich über Abonnenten oder Einzelstückverkäufe finanzieren, laufen im Netz schleppend. Die Kollegen sagen ganz offen, was sie da betreiben, ist Selbstausbeutung.
Wie sieht es mit der Konzentration bei Onlinemedien aus?
Natürlich sind da die Verleger mit ihren jeweiligen Onlineportalen, in der Regel unter den Namen ihrer Zeitungstitel. Manche machen daneben Boulevardseiten oder Angebote für junge Leute, zum Beispiel derwesten.de vom WAZ-Konzern. Quer durch das Bundesgebiet gibt es eine stattliche Anzahl lokaljournalistischer Onlineangebote, oft stecken dahinter aber nur Ein- oder Zwei-Mann-Redaktionen.
Wenn die Konzentration auf dem Zeitungsmarkt zunimmt, differenziert sich das Onlineangebot nicht zwangsläufig aus?
Die Hoffnung der Kommunikationswissenschaft war, dass das Internet die große „Vielfaltsreserve“ wird. Das hat sich insbesondere wegen der fehlenden Werbeinvestitionen bisher nicht bestätigt.
E-Paper-Auflagen wachsen, im Netz findet Paid Content immer mehr Akzeptanz.
Alle Erlöswege, die Verlage für sich erschließen können, sind hochwillkommen. Aber alle Verlage sagen, dass das eine sehr zähe Entwicklung ist. Bei den verkauften E-Paper-Auflagen der Tageszeitungen haben wir eine sprunghafte Steigerung von 1,07 Millionen im Jahr 2017 auf 1,28 Millionen im Jahr 2018 erlebt, aber das ist nur ein kleiner Anteil der Gesamtauflage.
Nutznießer der Pressekonzentration seien die Verlage, schreiben Sie. Oft werden Redaktionen zusammengelegt, die kostensparend mehrere Titel beliefern. Gibt es aus Lesersicht auch etwas Positives daran?
Zentralredaktionen bündeln journalistische Kompetenz, das muss man ganz klar sagen. Denken Sie an eine kleine Regionalzeitung, bei der fünf oder sechs Redakteure den Mantel basierend auf Agenturmaterial zusammenbasteln. Wenn sie ihre Eigenständigkeit aufgibt, um dieses Material von einer Zentralredaktion zu beziehen, ist ihr Mantel, was den Informationsgehalt anbelangt, meistens besser bestückt als vorher.
Dadurch haben Redakteure mehr Kapazität, um aus der Region zu berichten?
Wenn das so wäre! Früher hofften die Medienökonomen, wenn der Verleger bei der Mantelproduktion sparen kann, weil die Übernahme eines Mantels oft günstiger ist als ihn selbst zu produzieren, dann würden Stellen frei für die Lokalredaktionen. Aber der Sparwille ist überbordend.
Sie kritisieren, die Politik würde bei der Pressekonzentration konsterniert zuschauen. Wie müsste eine geeignete Förderung aus ihrer Sicht aussehen?
Im Koalitionsvertrag steht, dass Verlage von den Sozialabgaben für die Zeitungszusteller entlastet werden sollen. Das ist aus meiner Sicht ein Rückfall auf das alte Gießkannenprinzip: Jeder bekommt ein bisschen. Wenn es eine Förderung geben soll, dann nur für jene, die ihren Bedarf nachweisen. Frankreich gibt dafür jährlich knapp eine Milliarde Euro aus. Aber bei uns hat Presseförderung keine Tradition.
Das Interview führte Sophie Krause.
Horst Röper ist Leiter des Dortmunder Formatt-Instituts und Autor der zweijährlich erscheinenden Studie zur Konzentration der deutschen Tagespresse.
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