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ARD startet "Quizduell": Suchthilfe für den TV-Vorabend

Deutschland im Rätselfieber: Mit dem "Quizduell" sollen mobile Netznutzung und Fernseh-Mattscheibe miteinander verschmelzen. Wenn das mal gut geht.

Hoppla, so möchte keine Fernsehshow beginnen. „Störung bei der Verbindung zum Server. Versuch’s noch mal! Sieh unter Hilfe im Menü nach, falls das Problem bestehen bleibt.“ So ist das schon mal, als einer von 16 Millionen Nutzern der Smartphone-App „Quizduell“. Viel Internet-Verkehr. Im Grunde kein gutes Omen: Am Montag sollen ja mobiles Internet und Mattscheibe verschmelzen, wenn die App „Quizduell“ mit der gleichnamigen von Jörg Pilawa moderierten Live-Quizshow ins ARD-Vorabendprogramm kommt. Da sollte das mobile Internet schon auch mobil sein.

Zunächst einmal, „Quizduell“ macht süchtig. Kostenfrei heruntergeladen wird es zur permanenten Versuchung, sein Wissen via Smartphone mit Freunden, Bekannten oder Fremden zu messen. Das Spiel umfasst 27 000 Fragen aus 19 Fragenkategorien zu Allgemeinwissen und Alltagskultur. Zwei gegnerischen Spielern werden in sechs Runden jeweils drei zufällig ausgewählte Fragen vorgelegt, auf die immer eine von vier Antwortmöglichkeiten richtig ist. Wie heißt der bürgerliche Name des brasilianischen Fußballspielers Neymar? Wer war die Tochter von Mary Woolstonecraft? Welches Land gewährte Edward Snowden Asyl? Fragen über Fragen, die innerhalb von 20 Sekunden beantwortet werden müssen. Wer die meisten richtigen Antworten hat, gewinnt.

Das macht Spaß. Vielleicht auch via Fernsehen. Als eine Art „Wer wird Millionär?“ der Netzgemeinde. Mit einer für TV-Zwecke erweiterten App sollen sich Frage-Freaks live in die Sendung einwählen und gegen ein Vierer-Rateteam im Studio antreten. Für das Kandidaten-Quartett geht’s um bares Geld, auch für die Mitspieler am Smartphone in der Badewanne oder im Biergarten. Die Antwort, auf die die meisten Kandidaten außerhalb des Studios setzen, gilt. Erstmals in Deutschland bildet damit eine Spiele-App die Grundlage für eine Show. Interessant ist, sagt der Moderator, dass die Zahl der App-Mitspieler keinen Rückschluss auf die Einschaltquote zulässt. „Die Leute können in der S-Bahn sitzen und mitspielen, ohne zuzugucken.“ Theoretisch braucht die Show überhaupt keine Zuschauer. Was schlecht für die Quote wäre. „Quizduell“ ist im Grunde die erste TV-Show, die mangels Zuschauern an ihrer Absetzung mitarbeitet.

Das sieht die ARD natürlich anders. Als Anstalt für „Quizduell“-Süchtige. Eine App soll das Vorabendprogramm rocken. Wenn’s mit Soaps und Regional-Krimis nicht läuft, richtet es „Quizduell“, ein Phänomen, wie es einst das Moorhuhn war. Als der Schwede Henrik Willstedt, 26, während einer Diskussion mit seinem Bruder Robert auf die Spielidee kam, konnte er nicht ahnen, dass die App solch einen Siegeszug antreten würde, der im Heimatland und in Deutschland deutliche Spuren hinterlassen hat. Die Firma ITV hat die Show für den Norddeutschen Rundfunk zu einem TV-Konzept weiterentwickelt. Die ARD trommelt. Medienkritiker Bernd Gäbler sieht das Bemühen der klassischen Programmanbieter um die digitale Generation mit Skepsis. „Ich wage die Prognose: Das Publikum der ARD am Vorabend wird zur überwiegenden Mehrheit beim passiven ,lean back‘ bleiben“. Wer im Ersten Ratespiele konsumieren wolle, gehört nicht zu denen, die sich aktiv auf einem anderen Bildschirm, genannt „second screen“, am TV beteiligen würden, sondern er will nur gucken.

Der große Traum von der Interaktion von Zuschauern und Sender

Seit Giga TV in den 1990er Jahren wurde im Fernsehen öfter versucht, die Heerschar der Gamer, Surfer, Chatter und Cyber-Freunde abzugreifen. Der große Traum der Programmmacher von der Interaktion zwischen Zuschauern und Moderatoren übers Internet. Demnächst will RTL eine Show präsentieren, die nur mit Knopfdruck auf dem Minicomputer funktioniert. In der „interaktiven Live-Talent-Showreihe“ mit dem Titel „Rising Star“, einem Gesangswettbewerb, stimmen Zuschauer nicht telefonisch ab, sondern mit einer App. Wenn’s nicht klappt, sehen wir unter Hilfe im Menü nach. Oder gehen auf Entzug.

„Quizduell“, ARD, montags bis freitags, 18 Uhr

Markus Ehrenberg

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