Champions League ohne Free TV: Stream me up!
"Die letzte Rosine am Saisonende": Warum es unnütz ist, sich über entgangene Fußball-Dramen im Free-TV zu ärgern, wir es aber trotzdem tun.
Wo warst du, als in Amsterdam das entscheidende Tor für Tottenham in der 96. Minute fiel? Wo, als Jürgen Klopps FC Liverpool den FC Barcelona mit einer absurd schnell ausgeführten Ecke aus der Champions League warf? Es werden diese Woche nicht allzu viele Fußballfans in Deutschland darauf antworten können: Vorm Fernseher oder vorm Computer, bei Sky und dem Streamingdiest Dazn, oder vielleicht auch in der Sportsbar. Es werden jedenfalls nicht die neun, zehn Millionen Zuschauer sein, die das ZDF bis zum Ende der vergangenen Saison einsammelte, als es noch Champions League im Free TV übertrug; was ja gar nicht so „free“ ist, weil es vom verpflichtenden Rundfunkbeitrag gespeist wird.
Das mit dem Beitrag lässt man sich als Fußballfan vielleicht noch gefallen, wenn es denn einen Gegenwert gibt. Hätten es mit Bayern oder Dortmund eine deutsche Mannschaft ins Finale geschafft, wäre der 1. Juni ein ZDF-Tag gewesen, da es die Rechte-Lizenz so vorsieht. Nun steht Trainer Jürgen Klopp als einziger Deutscher im Finale.
Wie Sportchef Thomas Fuhrmann der „Bild“ bestätigte, arbeitete der öffentlich-rechtliche Sender an einer Einigung, Stichwort Sublizenz (wie es ARD und Sky neulich bei einer Bundesliga-Übertragung Dortmund gegen Schalke gemacht haben): „Wir hätten das Finale gerne im ZDF übertragen und haben uns darum auch schon bemüht, sind aber an dem Nein von Dazn gescheitert.“ Dazn-Chef Thomas de Buhr sagte der dpa, dass man sich „bewusst gegen eine Sublizenzierung der Rechte entschieden“ habe. Was angesichts des kostenlosen Probemonats, den der Sport-Streamingdienst anbietet, nachvollziehbar ist.
Es folgt das Prinzip: Schwarzer Peter. Wer ist schuld, dass die meisten Bildschirme beim Finale von Europas größtem Vereinswettbewerb schwarz bleiben, Salah, Kane und Klopp hinter der Bezahlschranke verschwinden? Der Stein, den Fußball-Kolumnist Pit Gottschalk am Donnerstag mit seinem Newsletter „Fever Pit’ch“ ins Wasser warf, wurde in Sozialen Medien heftig diskutiert. „Erstens: ARD und ZDF sind kein Free-TV, sondern werden monatlich mit einer Zwangsgebühr von 17,50 Euro entlohnt. Man nennt das: Paid Content und nicht Free-TV. Zweitens: Wenn man schon diese Zwangsgebühr kassiert und sich dem öffentlichen Informationsbedürfnis verpflichtet fühlt, ist es eine Frechheit, sich allein um die letzte Rosine am Saisonende zu bemühen.“
„Kommerzieller Fußball gehört ins kommerzielle Fernsehen."
Schnelle Antwort auf Facebook: „Kommerzieller Fußball gehört ins kommerzielle Fernsehen. RTL macht das nicht schlechter als die öffentlich-rechtlichen. Gebührengelder für Fußballrechte auszugeben, halte ich für grundfalsch.“
Spitzenfußball im Pay TV und Streamingdiensten – der TV-Ärger um die Champions League deutet an, wohin die Reise geht. Thema auch auf der gerade zuende gegangenen Media Convention in Berlin. Wer sich in dieser Saison alle Bundesligaspiele angucken wollte, brauchte zwei kostenpflichtige Abos (Sky, Eurosport), ebenso in der Champions League (Sky, Dazn). Ex-Nationalstürmer Mario Gomez äußerte jüngst die Hoffnung, dass in Zukunft die Bundesliga wieder aus einer Hand komme. Er wird sich gedulden müssen. Anfang kommenden Jahres startet die Deutsche Fußball Liga (DFL) den Bieterwettbewerb für die Medienrechte 2021 bis 2024. Ob Live-TV, Abo-Angebote, Streaming oder auf Abruf: Die TV-Verantwortlichen, die auf der Media Convention über Sportübertragungen diskutierten, gehen von noch mehr Ausspielformen aus. Mögliche Neuzugänge: Amazon und Disney. Sky-Vizepräsident Roman Steuer bleibt locker: „Wir haben keine Angst. Wir stellen uns jedem Wettbewerber.“
Sky mit seinen 5,3 Millionen Abonnenten sieht sich für den Wettbewerb gut gerüstet, der Anbieter bediene alle Ausspielwege. Stephanie Struppler von Eurosport/Discovery Deutschland geht davon aus, dass Zuschauer weiter mehrere Abos haben müssen, wenn sie die Liga komplett sehen wollen. Nach wie vor verbiete das Kartellamt, Fußballrechte an nur einen Betreiber zu vergeben. Streaming bedeutet für die Möglichkeiten der Sportübertragung allerdings auch einen Umbruch. Vor allem für kleine Sportarten, etwa die zweite Basketball-Bundesliga, der E-Sport oder Amateuren biete das Internet Möglichkeiten, ein eigenes Publikum zu erreichen, sagte Zeljko Karajica, Geschäftsführer des ProSiebenSat 1-Ablegers 7Sports. Treibend bleibt aber das Live-Erlebnis Fußball. Da wird man sich für das Champions-League-Finale am 1. Juni einen Platz vorm Bildschirm suchen müssen.