Minderheiten in den Medien: Stoff für Weiße
Minderheiten in den Medien haben es schwer: Sie stellen viel zu wenige Journalisten. Dafür haben sie oft mit Vorurteilen und Klischees zu kämpfen.
Tuberkulose war Anfang des 20. Jahrhunderts eine der häufigsten Todesursachen von Afroamerikanern und jüdischen Einwanderern in den USA. „Schmale Brustkörbe, schwache Lungen“ attestierten medizinische Fachblätter den beiden Gruppen. Über die Presse wurde diese Behauptung rasch zu scheinbar gesichertem Wissen – obwohl in Wirklichkeit Armut und schlechte Arbeitsbedingungen schuld an den vielen Todesfällen waren.
Sally Lehrman, die diese Geschichte jetzt in Berlin erzählte, ist selbst Enkelin eines jener Einwanderer. Außerdem ist sie Medizinjournalistin und lehrt Journalismus an der kalifornischen Santa Clara University. Die Realitätsverzerrung, die sie beschreibt, funktioniert bis heute. Das Verhältnis von „Medien und Minderheiten“, so der Titel der Konferenz in der Akademie des Jüdischen Museums, ist weit gespannt: Angehörige von Minderheiten sind in den Medien selten, Berichterstattung über sie ist tendenziell negativ und von Vorurteilen geprägt. Auch in Politik, Wirtschaft und Behörden seien Minderheiten nicht gut vertreten, sagt Lehrmans kanadischer Kollege, der Soziologe Augie Fleras: „Aber Medien sind es nun einmal, die Themen setzen.“ Und die würden weiterhin „weiß gerahmt“.
Migranten sind vor allem "Deko"
Es war ein deprimierender Befund aus klassischen Einwanderungsländern, den die beiden Amerikaner und ihr britischer Kollege Anamik Saha von der University of London mit nach Berlin brachten: Obwohl Minderheiten laut Lehrman 39 Prozent der US-Bevölkerung ausmachen, stagniere ihr Anteil in den Redaktionen seit zehn Jahren zwischen 12 und 14 Prozent. In Deutschland sind es nach Schätzungen zwei bis drei Prozent – bei einem Bevölkerungsanteil von 20 Prozent Migranten. Im Journalismus des Multikulti-Musterlands Kanada wiederum seien Migranten Deko oder würden „weißgewaschen“, sagt Fleras.
Auch sei deprimierend, dass Journalisten aus Minderheiten selbst Klischees reproduzierten, sagt Saha. Das ergebe sich aber aus den Produktionsbedingungen. Diese müsse man sich gründlicher ansehen als Statistiken darüber, wie viele Inder oder Schwarze es in den Journalismus schafften. Die Erfolgsformel „Wenn es auf ein T-Shirt passt, ist es wahrscheinlich eine gute Idee“ werde eben auch dem multikulturellen Nachwuchs im britischen Fernsehen eingepaukt. Und auf T-Shirts passten Storys mit einer anderen Sicht der Realität in der Regel nicht.
Auswege aus dem Dilemma? Saha glaubt nicht, dass sich diese Produktionsbedingungen schnell verändern lassen. Allerdings könne man wenigstens öffentliche Sender wie die BBC vor Quotendruck schützen und dort Platz schaffen für vielfältigeren Journalismus. Der Kanadier Fleras schlägt vor, auch die Mainstream-Medien als „ethnisch“ zu sehen: Stoff für eine weiße Zielgruppe. Das Publikum müsse „wenigstens wissen, dass es ein weißes Medium nutzt und auch zwischen den Zeilen lesen“. Lehrman verweist auf US-Mainstream-Medien, von rechts bis links, die inzwischen mit ethnischen Medien zusammenarbeiteten „und dadurch eine viel bessere Berichterstattung bekommen“.
Abhilfe könnte das Internet schaffen
Abhilfe naht auch im Netz. Die Wächter im medialen Mainstream, die entscheiden, was relevant ist und was nicht, geben zusehends Macht an soziale Netzwerke ab. Der Hashtag #schauhin stand im letzten Jahr drei Tage lang auf Platz eins der deutschen Twittergemeinde. Alltagsrassismus wurde so auch zu einem Thema für klassische Medien, wie zwei der Initiatorinnen, Bloggerin Kübra Gümüsay und Jamie C. Schearer von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland erzählen. Charlton McIlwain, Professor für Kommunikation an der New York University, lenkte den Blick auf die jüngere Geschichte schwarzer Opfer von Polizeigewalt. Rodney King, der 1991 – also in internetlosen Zeiten – in Los Angeles brutal verprügelt wurde, war für die Medien „einfach ein weiterer schwarzer Krimineller“. Der Tod von Trayvon Martin 2012 sei lange sogar unbeachtet geblieben. Im jüngsten Fall, dem Tod von Michael Brown in Ferguson, seien aber die Schlagzeilen rasch und offensichtlich dem Twitter-Spin gefolgt: „Schwarzer, unbewaffneter Teenager getötet“. Und das. so McIlwain, über die politischen Lager hinweg.
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