zum Hauptinhalt
Julian Reichelt.
© Bernd von Jutrczenka/dpa
Update

Nach neuen Vorwürfen: Springer entbindet „Bild“-Chef Julian Reichelt von Aufgaben

Wegen neuer belastender Medienberichte trennt sich der Konzern von Julian Reichelt. Nachfolger wird „WamS“-Chefredakteur Johannes Boie.

Der Medienkonzern Axel Springer hat mit sofortiger Wirkung „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt von seinen Aufgaben entbunden. Das teilte das Unternehmen am Montag in Berlin mit. Als Grund nannte es neue Recherchen, durch die man „neue Erkenntnisse über das aktuelle Verhalten von Julian Reichelt gewonnen“ habe.

Reichelt habe „auch nach Abschluss des Compliance-Verfahrens im Frühjahr 2021 Privates und Berufliches nicht klar getrennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt“, heißt es in der Mitteilung weiter.

Im Frühjahr hatte Springer das interne Verfahren angestoßen. Medien hatten über Vorwürfe zu Machtmissbrauch und Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen berichtet. Der Konzern prüfte dann in einem internen Verfahren Vorwürfe und kam zu dem Ergebnis, dass Reichelt seinen Posten behalten sollte. Nach einer befristeten Freistellung kehrte Reichelt zunächst wieder zu Deutschlands größter Boulevardzeitung zurück.

Die „New York Times“ hatte nun am Wochenende einen langen Bericht über den Medienkonzern Axel Springer auch mit Blick auf die Pläne zur Übernahme der US-Mediengruppe Politico veröffentlicht. In dem Artikel ging es auch um „Bild“-Chefredakteur Reichelt und die im Frühjahr erstmals öffentlich bekanntgewordenen Vorwürfe gegen ihn.

Die Zeitung verwies auch auf bislang nicht veröffentlichte monatelange Recherchen eines Investigativ-Teams der Ippen-Mediengruppe..Die Spitze der Verlagsgruppe Ippen hatte die Berichterstattung gestoppt. Das Ippen-Investigativteam protestierte dagegen.

Ein Verlagssprecher erklärte dazu, das Unternehmen müsse als Mediengruppe im direkten Wettbewerb mit der „Bild“ „sehr genau darauf achten, dass nicht der Eindruck entsteht, wir wollten einem Wettbewerber wirtschaftlich schaden“. Die Entscheidung sei weder leicht noch schnell gefallen. „Am Ende ist es aber klar das Recht eines Verlegers, Richtlinien für seine Medien vorzugeben“, sagte er. Eine Beeinflussung durch Springer habe es nicht gegeben.

Statt Ippen veröffentlichte am Montagabend der "Spiegel" neue Recherchen über den Fall Reichelt - auch Teile der Ippen-Recherche sollen darin eingeflossen sein. Demnach soll es eine weitere sexuelle Beziehung zwischen Reichelt und einer Mitarbeiterin gegeben haben. Er habe die Beziehung auch während des Verfahrens gegen ihn nicht beendet, heißt es.

Neuer Vorsitzender der dreiköpfigen "Bild"-Chefredaktion wird Johannes Boie, derzeit als Chefredakteur bei der "Welt am Sonntag" beschäftigt.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Die Wahl von Boie zeigt, was Springer ins Haus, seinem 40-prozentigen Anteilseigner, dem Hedgefonds KKR, und aller Welt präsentieren will: einen untadeligen Chefredakteur von Deutschlands größter Boulevardzeitung mit angeschlossenem Online-Portal und eigenem Fernsehsender.

Johannes Boie wird Nachfolger von Julian Reichelt

Der 37-jährige Boie kam 2017 zu Axel Springer, vorher hatte Boie bei der „Süddeutschen Zeitung“ als Reporter und Redakteur gearbeitet und das Paid-Content-Angebot der Zeitung entwickelt und geleitet. Nach Springer-Angaben bleibt Alexandra Würzbach Chefredakteurin der „Bild am Sonntag“ und verantwortlich für Personal- und Redaktionsmanagement. Claus Strunz ist als Chefredakteur für das Bewegtbildangebot verantwortlich.

Der Vorstandsvorsitzende von Axel Springer SE, Mathias Döpfner lässt sich dergestalt zitieren: „Julian Reichelt hat Bild journalistisch hervorragend entwickelt und mit Bild live die Marke zukunftsfähig gemacht. Wir hätten den mit der Redaktion und dem Verlag eingeschlagenen Weg der kulturellen Erneuerung bei Bild gemeinsam mit Julian Reichelt gerne fortgesetzt. Dies ist nun nicht mehr möglich.“

Mit Johannes Boie habe Springer für die „Bild“-Gruppe einen erstklassigen Nachfolger. Er habe unter Beweis gestellt, dass er journalistische Exzellenz mit modernem Führungsverhalten verbinde. (mit dpa)

Zur Startseite