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Zeitungsverleger Dirk Ippen (l.) hatte die Investigativ-Recherche gestoppt, in der "Bild"-Chef Julian Reichelt nicht gut wegkommt.
© Hoppe;Carstensen/dpa

Journalisten zeigen sich „schockiert“: Medienhaus Ippen stoppt Investigativ-Bericht zum Axel-Springer-Verlag

Kurz vor der Veröffentlichung hat der Ippen-Verlag eine Recherche zu „Bild“ und Julian Reichelt gestoppt. Es geht erneut um mutmaßlichen Machtmissbrauch.

Der Münchner Ippen-Verlag hat eine geplante Veröffentlichung von investigativen Recherchen eigener Redakteure zu Vorwürfen von Machtmissbrauch beim Berliner Axel-Springer-Verlag gestoppt.

Der Ippen-Verlag ("Münchner Merkur", "TZ", "Frankfurter Rundschau") begründete den Beschluss am Montag damit, dass man den Eindruck vermeiden wolle, einem Wettbewerber wie Springers Boulevard-Zeitung "Bild" wirtschaftlich schaden zu wollen. Verleger Dirk Ippen habe klar das Recht, Richtlinien für seine Medien vorzugeben. Eine Beeinflussung durch Springer habe es nicht gegeben.

Das Investigativ-Team von Ippen zeigte sich "schockiert" und kritisierte Mehrheitsgesellschafter Ippen dafür, sich gegen die für Sonntagabend und Montagmorgen geplante Veröffentlichung ausgesprochen zu haben.

Die Entscheidung widerspreche allen Regeln der unabhängigen Berichterstattung, monierten die vier Journalistinnen und Journalisten in einem Brief an die Verlagsspitze, der im Internet bekannt wurde und der Reuters vorlag. Zuerst hatten die "New York Times" und die Branchenplattform "Übermedien" darüber berichtet.

Im Kern geht es dem Brief zufolge bei den Recherchen der Ippen-Redaktion um "Machtmissbrauch gegen Frauen und weitere Missstände" bei Axel Springer und vor allem durch "Bild"-Chef Julian Reichelt. Demnach sollen Springer-Verantwortliche Kontakt zur Ippen-Mediengruppe aufgenommen haben.

Axel Springer erklärte dazu, man fühle sich größtmöglicher Transparenz verpflichtet und habe grundsätzlich kein Problem mit kritischer Auseinandersetzung. "Auch eine solche Berichterstattung muss jedoch eine Grenze finden, wo es um die geschützte Privat- und Vertraulichkeitssphäre von Mitarbeitern sowie insbesondere – in diesem konkreten Fall – von Zeugen geht, denen im Rahmen des im Frühjahr abgeschlossenen Compliance-Verfahrens strikte Anonymität zugesichert wurde."

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Reichelt war im März wegen Vorwürfen aus der Belegschaft rund um Machtmissbrauch vorübergehend freigestellt worden. Nach einer internen Untersuchung hieß es, er habe Fehler gemacht, die aber nicht strafrechtlicher Natur seien. Er durfte seinen Job fortsetzen, bekam aber Alexandra Würzbach als Doppelspitze zur Seite gestellt. Im Umfeld des Berliner Konzerns hieß es nun, wenn es neue Vorwürfe gegen Reichelt geben sollte, werde man sich diese genau anschauen und bewerten.

Springer wollte sich inhaltlich zu Vorwürfen gegen Reichelt zunächst nicht äußern. Der Konzern erklärte, mit Wissen von Springer habe es keinen Versuch gegeben, Veröffentlichungen im Zusammenhang mit der sogenannten Compliance-Untersuchung zu Reichelt zu verhindern. Ähnlich äußerte sich der Ippen-Verlag und erklärte, der Austausch mit Springer beschränke sich auf den üblichen Schriftwechsel der Anwälte.

Journalistenverbände kritisierten das Vorgehen von Ippen scharf. Als Verleger die Berichterstattung nach Gutsherrenart persönlich zu verhindern, sei völlig inakzeptabel, erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Die Deutsche Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) in Verdi sprach von einem "schwerwiegenden Eingriff in die Pressefreiheit" und pochte auf die strikte Trennung von Verlag und Redaktion.

Die "New York Times" berichtete zudem, Springer-Chef und Großaktionär Mathias Döpfner habe mit Blick auf einen kritischen Kommentar Reichelts zu Corona-Einschränkungen in einer Botschaft an den Autoren Benjamin von Stuckrad-Barre geschrieben, der "Bild"-Chefredakteur sei "der letzte und einzige Journalist in Deutschland", der noch mutig "gegen den neuen DDR-Staat" rebelliere. Springer äußerte sich nicht dazu. (Reuters)

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