Vereins-TV und Sportjournalismus: Spiel mit Grenzen
Die Fußballvereine wollen ihr öffentliches Bild zunehmend selbst bestimmen. Ist das cleveres Club-Marketing oder doch schon restriktive Medienpolitik?
Die meisten Trainingseinheiten der BVB-Profis finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Eigentlich. Doch von einem nahen Aussichtshügel neben dem Trainingsareal erhaschen Fans und Fotografen immer wieder einen Blick auf die trainierenden Fußballer. Der BVB will dem jetzt mit dem Kauf eines anliegenden Geländes einen Riegel vorschieben - und lässt sich das einiges kosten.
Normalerweise ist über so eine Meldung hinwegzusehen. Aber wenn zurzeit ein Profiverein im Zusammenhang mit dem Begriff Öffentlichkeit gebracht wird, wird man stutzig - die Medienpolitik der Vereine steht im Fokus. Spätestens seit der kriselnde Traditionsverein 1860 München im November nach Entwicklungen rund um Investor Hasan Ismaik und unliebsamer Berichterstattung einen Presseboykott verkündet, Hausverbot erteilt und Medienvertretern den Zugang zum Trainingsgelände nicht gestattet hat, macht eine Frage die Runde: Wie halten es die Bundesligisten mit den Medien, der Zusammenarbeit mit Sportjournalisten? Wer zieht die Grenze zwischen Hausrecht und Informationspflicht?
Angeheizt wurde diese Diskussion noch, als Bayern München im Februar seinen eigenen Fernsehkanal startete, der über die Internetseite des Klubs und Entertain-TV der Telekom zu empfangen ist. Kritiker sehen darin ein Beispiel für den allgemeinen Trend, lieber eigene Wahrheiten zu präsentieren als den – weniger kalkulierbaren – Umweg über Journalisten zu nehmen.
Xabi Alonsos weiterführende Aussagen zu seiner Ankündigung am 9. März via Twitter, im Sommer seine Karriere zu beenden, gab es beispielsweise nur über den Vereinssender „fc bayern.tv live“. Man kann geteilter Meinung darüber sein, ob das cleveres Klub-Marketing eines Champions-League-Teilnehmers, eine bunte, neue Kommunikationswelt zwischen Vereinen und Medien oder schon Ausdruck einer restriktiven Medienpolitik ist.
Letzteres, sagt der Verband deutscher Sportjournalisten. Der VDS halte diese Entwicklung für sehr bedenklich. „Wenn die Menschen nur noch von den Vereinen produzierte Nachrichten bekommen, hat das nichts mehr mit Journalismus zu tun“, so VDS-Präsident Erich Laaser. „Journalisten recherchieren auch unbequeme Dinge, sie ordnen ein und berichten möglichst wahrheitsgemäß. Vereinsberichterstattung ist PR in eigener Sache.“ Der FC Bayern sei da nur die Spitze des Eisbergs.
Da schwelt noch der Streit mit dem TSV 1860 München
Auch „Sportschau“-Chef Steffen Simon sieht diese Entwicklung „tatsächlich mit einem gewissen Unbehagen“. Allerdings scheue er sich vor pauschalen Urteilen, denn die Vereine unterscheiden sich zum Teil elementar in ihren Philosophien der Öffentlichkeitsarbeit. Generell sei es aber ein bemerkenswerter Vorgang, wenn die DFL auf der einen Seite Milliardenerlöse bei ihren Medienpartnern erziele und einige Klubs sich zu diesen dann mit ihren eigenen Medienaktivitäten in Konkurrenz stellen.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die Sportjournalisten in München über mangelnde Kooperation mit dem Rekordmeister in den vergangenen Wochen offenbar wenig Grund zu klagen haben, zumindest nicht lautstark. Da schwelt eher noch der Streit mit dem TSV 1860 München. „Ein Medienboykott wurde lediglich am 26. November ausgesprochen und kurz darauf wieder aufgehoben“, sagt dazu eine Sprecherin des Vereins. „Im Februar/März gab es zudem eine Phase, in der der Klub eine restriktivere Medienpolitik umsetzte.“
Das klingt noch nicht nach konstruktivem Miteinander. Der FC Bayern indes verweist darauf, dass es seit Start des FC-Bayern-Channel am 27. Februar 55 Interviews gegeben hätte. Das wären mehr als im Vorjahreszeitraum. Das Ganze sei ein Angebot für die Fans, man wolle und könne den kritischen Journalismus, nicht ersetzen.
Ähnlich sehen das andere Bundesliga-Vereine, die sich selbst (noch) kein lineares Fan-TV à la FC Bayern oder auch Real Madrid leisten wollen. Bei RB Leipzig oder dem 1. FC Köln heißt es zum Beispiel, man mache Web-TV, werde professioneller auf Sozialen Netzwerken, aber den externen Medien solle nicht das Wasser abgegraben werden.
Vielleicht ist es ja auch egal, wo welches Interview, welcher O-Ton herkommt, weil die meisten Spieler sowieso nicht viel Spannendes zu sagen haben, weder nach dem Spiel noch sonst wann. Thomas Horky, Professor für Sportjournalismus an der Macromedia-Hochschule in München, sieht das nicht ganz so entspannt.
Da stehe die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit auf dem Spiel
Es gebe sie schon, die Gefahr einer vereinsdominierten Kommunikation. Das Verhältnis der Vereine zu den Medien habe sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert. „Journalisten werden zunehmend ausgegrenzt, oder anders ausgedrückt, es wird für sie immer schwieriger, an originäres Material zu kommen. Immer öfters werden Interviews von Vereinsmedien geführt und dann Zeitungen oder auch TV-Sendern zur Verfügung gestellt.“ Horky würde den Journalisten empfehlen, auf diese O-Töne und Interviews zu verzichten. Da stehe die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit auf dem Spiel.
Wenn sich das Verhältnis zwischen Vereinen und Medien tatsächlich weiter zuspitzen sollte, ist auch die Deutsche Fußball Liga (DFL) gefragt. „Die Klubs sind in ihrer Medienarbeit grundsätzlich unabhängig“, sagt Christian Pfennig, als Kommunikationschef Mitglied der DFL-Geschäftsleitung. Vor dem Hintergrund der Verwertungsverträge werden aber unter anderem die Abläufe am Spieltag durch Medienrichtlinien geregelt, die von den Vereinen gemeinsam verabschiedet wurden.
Generell gilt: Sowohl im Stadion als auch auf dem Trainingsgelände habe der Verein Hausrecht. Immerhin, die Medienrichtlinien der DFL werden mit Beginn der nächsten Saison verändert, was die Verpflichtungen gegenüber den Medien betrifft, vor allem gegenüber den Live-Rechte-Inhabern wie Sky und ARD, die sehr sehr viel Geld an die DFL zahlen. Zeitungen dürften da wohl weiter öfters außen vor bleiben. Oder noch nicht mal auf einem Aussichtshügel stehen und beim Training kiebitzen.
Wohin das auch führen kann, sagt Journalismusexperte Horky, sieht man in England mit der Premier League oder den USA mit der NBA und NFL. Vereine sind da noch viel rigider, was Öffentlichkeitsarbeit betrifft. Boulevardblätter behelfen sich damit, die eine oder andere Spielergeschichte zu erfinden.
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